Rezension zu "Am Rand" von Sebnem Isigüzel
Das ist eines der wenigen Bücher die ich gelesen habe und hinterher nicht wußte was mir die Autorin eigentlich sagen wollte.
Quelle: Verlag / vlb
Das ist eines der wenigen Bücher die ich gelesen habe und hinterher nicht wußte was mir die Autorin eigentlich sagen wollte.
Ahmet Hamdi Tanpinar Seelenfrieden Unionsverlag
ISBN 3293100139
In dem Buch des bereits 1901 geborenen Schriftstellers Hamdi Tanpinar kann man die politische und geistige Entwicklungsgeschichte der Türkei vom Untergang des osmanischen Reichs bis zum Beginn des zweiten Weltkriegs finden. Um die Figur des Helden Mümtaz erfährt die Geistesgeschichte Istanbuls Belebung, mit der man in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dort eine Verbindung zwischen Orient und Okzident suchte.
Man begleitet den Helden durch seine Zeit. Der Untergang des osmanischen Reichs ist zum Ende des ersten Weltkriegs hin besiegelt, und einschneidende gesellschaftliche und soziale Umwälzungen durch den Staatsführer Atatürk stehen an. Mümtaz erlebt den gewaltsamen Tod seines Vaters mit, die Vertreibung aus seiner Geburtsstadt und kurz darauf den Tod der Mutter, die nach schwerer Krankheit stirbt. Im Alter von 11 Jahren ist er zum Waisenkind geworden. Nach glücklichen Jahren im Hause seines Vetters Ihsan in Istanbul beginnt er ein Leben als Literaturdozent.
Hoch sensibel und von tiefen Gedanken an sein Leben erfüllt wandert er geradezu traumwandlerisch durch die Gassen und Basare Istanbuls. Er ist 26 Jahre alt und seine Beobachtungen, Gedanken und Gefühle wecken wehmütige Erinnerungen an sein junges Leben.
Da gab es Nuran, seine große Liebe, und es gab die Trennung von ihr! Man ahnt, dass tragische Ereignisse die Liebe zerstörten. Cit . Suat, ein Freund der beiden, fungierte als böses Omen, der als störendes Element ihr Glück bedrohte.
Auf seinen Wegen schaut Mümtaz bei Buchhändlern vorbei, liest in den Büchern bekannter Auoren
der europäischen Geistesgeschichte und verweilt bei den bekannten Dichtern aus der Türkei. In ihm scheinen sich die Geisteswelten zweier gegensätzlicher Kulturen zu berühren.
Tanpinar schreibt einen träumerischen, assoziativen Stil, der zuweilen an Prousts erinnert.
Die Liebesgeschichte zwischen Mümtza und seiner geliebten Nuran bietet Gelegenheit, tief in die türkische Lebensweise einzutauchen. Der Umgang zwischen den beiden Liebenden und Gespräche zwischen Freunden und Verwandten zeigen westlich aufgeklärte und orientalisch beeinflusste Lebens- und Denkmuster. Reflexionen über Literatur, Musik, Dichtung und Kunst insgesamt bestimmen auf weite Strecken den Inhalt der Erzählung. Familienbande bieten den anregenden Stoff für den Fortgang der Handlung, in der nicht zuletzt der Wertekanon der Gesellschaft berührt wird. Hoch intellektuelle Gespräche führen zu Fragen des Seins und des vollkommenen Glücks als Utopie, die niemals Wirklichkeit werden kann.
Tanpinar hegte enge Verbindung zu seiner osmanischen Vergangenheit. Mit der Gründung der Republik 1923 durch Kemal Atatürk wurde in rigoroser Weise mit alten Gesellschaftsstrukturen aufgeräumt. Der Dichter wurde ein Wanderer zwischen den Welten: einerseits hat er Europa bereist und die Kultur jener Länder geschätzt, daneben aber die türkische Kultur hoch gehalten. Alle Tendenzen seiner eigenen Entwicklung kommen in seinem vorliegenden Roman, der 1949 erstmals erschienen ist, zum Tragen.
In einem ausgezeichneten Nachwort von Wolfgang Günter Lerch kann man über den Autor und seine Bedeutung für die türkische Literaturgeschichte viele hervorragende Hinweise finden.
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