Rezension zu "Vor der Pforte meines Glückes. Mozart im Dienst des Kaisers (1788-1791)" von Christoph Wolff
M.Lehmann-Pape
Geht in den letzten Jahren Mozarts das „unerschöpfliche Reservoir innovativen Erfindungsgeistes ....... (tatsächlich) mit einem mutmaßlichen Abschiednehmen einher“, wie es die vorherrschende Meinung im Blick auf das Spätwerk Mozarts ist?
Christoph Wolff verneint dies und legt mit diesem Buch seine Sicht der Dinge gegen die allgemeine Auffassung ausführlich und begründet dar. Für ich war Mozart nicht von „Todesahnungen“ durchwoben, ein „vorzeitig sich abzeichnender Tod“ steht in den Augen Wolffs ebenso wenig im Raum.
Eher betrachtet Wolff die 1987 erfolgte Berufung Mozarts in den (festen) Dienst des Kaisers als eine (zumindest leichte) erkennbare Zäsur im Schaffen des Komponisten. Die Erleichterung einer festen Anstellung in immer wieder völliger Unsicherheit des materiellen Ergehens, trotz aller auch ständig drückender Schulden und seiner Unfähigkeit, „Geld zu dirigieren“, kann auch als eine innere Befreiung und ein „befreites Aufspielen“ Mozarts gedeutet werden, kann auch Formen des Gefühls eines (kleinen) „Angekommen-Seins“ beinhalten, die sich auch in den Werken dann niederschlägt. Spätere Werke, denen etwas „Endgültiges anhaftet“.
„Nun stehe ich vor der Pforte meines Glücks“, formuliert Mozart 1790. Nicht überschwänglich unreflektiert (seine Probleme hatte er immer gut im Blick), aber keineswegs „dem Tode hinstrebend“ sind diese Worte von eigener Hand zu vestehen.
So interpretiert Wolff gerade diese letzten Jahre Mozarts, und as durchaus mit Gewicht und überzeugend, nicht aus einer „Todesahnung“ heraus, sondern aus dem Geschehen und der Befindlichkeit eines (erleichterten) „Neuanfangs“. Ein durchaus spannungsvoller, ernsthaft zu bedenkender Ansatz, denn die Nachbetrachtungen Mozarts standen seit jeher ja unter dem Eindruck des Verlustes, des frühen Todes.
„Sein Tod veränderte auf immer den Kurs der klassischen Musik ...... In der Tat hat sich die musikalische Welt mit dem frühen Tod eines ihrer größten Heroen nie anfinden können“.
Eine Haltung, die, so lässt Wolff mitschwingen, die Betrachtung von Leben und Werk über Jahrhunderte mit beeinflusst haben könnte, die zu einem „Mythos“ geführt haben könnten.
Es stimmt in den Augen Wolffs (und er liefert dafür auch gute Argumente) an vorherrschender Meinung eben nicht, dass „sein frühes Ende beinahe als vorhersagbar und unentrinnbar“ betrachtet wird. Genauso wenig, wie Wolff unwidersprochen gelten lässt, dass Mozarts „Requiem“ von Mozart für ihn selbst im Blick auf sein nahendes Ende allein komponiert wurde.
Das alles bewertet er als kaum haltbar angesichts einer wohl „schweren Infektion“ als Todesursache und nicht einer über Jahre schleichenden Erkrankung und Betrübnis. Dieser krankheitsbedingte Tod, egal, woher er genau rührte, war auf keinen Fall schicksalhaft „unvermeidlich“.
So vollzieht Wolff diese letzten Jahre Mozarts aus seinem Blickwinkel im Buch chronologisch nach, verweist auf das Verhältnis zu Salieri, die Erweiterungen des kompositorischen Horizonts, nimmt „Zauberflöte“ und Requiem“ analysierend in den Blick und zeigt in all dem ein anderes als das gewohnte Bild dieser letzte Jahre auf (wenn auch nicht völlig anders, die Grundstrukturen und die Grundprobleme Mozarts in diesen Jahren sind ja unstrittig).
Eine sehr interessante, andere und gut argumentierte Darstellung des „späten“ Mozart, die mit einigen Mythen durchaus aufräumt und verständlich im Stil dem Leser vor Augen liegt.