Christopher Given-Wilson

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Wie man als König scheitert - Leben und Herrschaft Eduards II. von England

Seit 2014 bringt der Penguin-Verlag eine Buchreihe heraus, die "Penguin Monarchs". Es handelt sich um Kurzbiographien aller englischen und britischen Könige und Königinnen seit dem 11. Jahrhundert. Die Reihe beginnt mit den letzten angelsächsischen Herrschern vor der normannischen Eroberung. Auch Oliver Cromwell ist ein Band gewidmet. Mittlerweile sind mehr als drei Viertel der 45 geplanten Bände erschienen. Bald wird die Reihe vollständig sein. Die Bücher sind kleinformatig (13x18,5 cm) und umfassen maximal 150 Seiten. Sie enthalten farbige Abbildungen, Stammtafeln und kommentierte Literaturhinweise. Auch wenn eine entsprechende Angabe fehlt, ist davon auszugehen, dass sich die Bände an historisch interessierte Laien richten, die sich rasch über das Leben der englischen Monarchen informieren wollen. Als Konkurrenz zur renommierten Biographienreihe "Yale English Monarchs", deren Bände eher für den wissenschaftlichen Gebrauch in Frage kommen, sind die "Penguin Monarchs" nicht gedacht. Interessant ist die Reihe dennoch, denn der Verlag hat zahlreiche bekannte Historikerinnen und Historiker als Autoren gewonnen. Damit ist sichergestellt, dass sich die einzelnen Kurzbiographien auf der Höhe des heutigen Forschungsstandes bewegen.

Es gibt einige englische Könige, die sich bis heute nicht von dem schlechten Ruf erholt haben, der ihnen seit Lebzeiten anhaftet. Zu dieser Gruppe gehört Eduard II. (1284-1327), der als erster König seit der normannischen Eroberung gestürzt und ermordet wurde. Auch wenn heutige Historiker sachlicher urteilen als ihre Vorgänger im 19. und frühen 20. Jahrhundert, so hat sich doch am negativen Bild Eduards II. kaum etwas geändert. Auch die heutige Forschung hebt hervor, dass Eduard den Ansprüchen nicht gerecht wurde, die das Hochmittelalter an einen König stellte. Auch andere englische Monarchen hatten Favoriten, doch Eduard II. ging mit seiner Günstlingswirtschaft über jedes annehmbare Maß hinaus und brachte damit den Adel des Königreiches gegen sich auf. Zwei dieser Favoriten, Piers Gaveston und Hugh Despenser, erlangten so viel Macht und Einfluss, dass das Verhältnis zwischen dem König, dem Parlament und dem Adel nachhaltig gestört wurde. Es kam zu Adelsrevolten und bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Gaveston wurde 1312 grausam getötet, und Despenser erlitt 1326 dasselbe Schicksal. Doch es kam noch schlimmer für Eduard: Seine eigene Gemahlin hinterging und verriet ihn, stürzte ihn Ende 1326 vom Thron. Sein halbwüchsiger Sohn trat als Eduard III. die Nachfolge an. Nach monatelanger Haft in verschiedenen Burgen kam Eduard unter ungeklärten Umständen zu Tode. Gescheitert war Eduard II. nicht nur als Herrscher, sondern auch als Heerführer. Es gelang ihm nicht, die Vereinigung Englands und Schottlands zu vollenden, die sein Vater, Eduard I., angebahnt hatte. In zähem Abwehrkampf verteidigten die Schotten ihre Unabhängigkeit. Bei Bannockburn erlitt Eduard II. 1314 eine der verheerendsten Niederlagen, die je ein englischer König einstecken musste.

Warum Eduard II. als König versagte, ist psychologisch schwer zu erklären. So weit es sich sagen lässt, bereitete Eduard I. seinen Sohn und Thronerben angemessen auf künftige Aufgaben vor. Mit 23 Jahren erbte Eduard II. die Krone. Schon bald sorgte sein "unkönigliches" Verhalten für massive Kritik. Eduard hatte kein Interesse an der Jagd und an Turnieren; seine Freude am Umgang mit einfachen Untertanen wirkte befremdlich und lächerlich. Den größten Anstoß erregte freilich sein seltsam inniges Verhältnis zu Piers Gaveston, einem jungen Edelmann aus der Gascogne. Der bekannte britische Mediävist Christopher Given-Wilson äußert sich vorsichtiger als frühere Autoren: Es lasse sich nicht klar belegen, dass Eduard homosexuell gewesen sei und eine Beziehung mit Gaveston geführt habe. Viktorianische Historiker verspürten großes Unbehagen bei dem Gedanken, Eduard II. könne homosexuell gewesen sein. Das britische Bildungsministerium empfahl 1908, die Herrschaft Eduards II. im schulischen Geschichtsunterricht am besten gar nicht zu behandeln. Given-Wilson betont, dass sich die Adligen weniger am engen Umgang zwischen Eduard, Gaveston und Despenser störten. Entscheidend waren die politischen Folgen des Günstlingstums: Die Favoriten schränkten den Zugang zum König ein und nahmen Einfluss auf die Staatsgeschäfte. Die Adligen sahen sich durch die exklusive Stellung der Favoriten um ihr angestammtes Recht auf politische Mitsprache gebracht. In seiner obsessiven Fixierung auf Gaveston und später Despenser übersah Eduard, dass er als König auf eine konstruktive, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Adel und Parlament angewiesen war. Wenn sich das Blatt zu seinen Gunsten wendete, ließ Eduard seiner Rachsucht freien Lauf. Den Kopf der Adelsopposition, seinen Vetter Thomas von Lancaster, ließ er 1322 hinrichten. Seinen Untergang konnte Eduard damit aber nicht abwenden. Er stand allein da, als seine Gemahlin Isabella zu seinem Sturz aufrief.

Given-Wilson verweist darauf, dass Eduard II. ein schweres Erbe antrat. Sein Vater, der jahrzehntelang Krieg geführt hatte, hinterließ ihm drückende Schulden und den Dauerkonflikt mit Schottland. Angesichts dieser schwierigen Ausgangslage war es besonders wichtig und dringlich, den Adel politisch einzubinden. Daran hatte Eduard II. aber kein Interesse. Warum das so war, lässt sich nicht sagen. Given-Wilson hat auf diese Frage keine Antwort. Das schmälert den Wert des Buches jedoch nicht. Mit sicherem Blick für das Wesentliche erzählt Given-Wilson die Geschichte vom Scheitern Eduards II. Zu bemängeln gibt es nur, dass im Buch zu viele Personen auftauchen. Im Gewirr der Namen geht bisweilen der Überblick verloren. 

(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im Dezember 2019 bei Amazon gepostet)

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