Leider kann ich mir diese Geschichte kaum noch als Buch vorstellen. Die Stimme von Matthias Koeberlin ist für mich nicht mehr wegzudenken. Zu Beginn hatte ich Schwierigkeiten mit den vielen fast geflüsterten Worten, inzwischen bin ich jedoch von der Stimmbreite des Sprechers schwer beeindruckt. Dadurch kommt die ganze Dramatik und Schrecklichkeit von Juris schicksalhaften Sommerferien geradezu herzergreifend zu tragen. Der feinsinnige Humor des Autors führt leicht und beschwingt durch ein schwieriges Thema und eine Zeit, die für viele Menschen vielleicht nur durch Lachen zu ertragen war. Christopher Wilson legt die menschenverachtende Maschinerie des Stalinismus wortgewaltig offen, und man fragt sich, wie man dem "lieben" Onkel Josef nachtrauern konnte/kann, wobei man mit Juri durchaus über den Verlust der Doppelgänger weinen kann.
Christopher Wilson
Lebenslauf
Alle Bücher von Christopher Wilson
Die absolut wahre Geschichte von Juri dem Vorkoster
Camilla
Guten Morgen, Genosse Elefant
The Zoo
Neue Rezensionen zu Christopher Wilson
Überraschend
Ich muss gestehen, dass ich mir dieses Buch vermutlich kaum angesehen hätte, wenn ich es nicht vom Verlag bekommen hätte. Es ist nicht unbedingt mein Thema, und auch wenn das Cover sehr kreativ und passend ist, stellt es für mich keine sofortige Anziehungskraft her.
Manchmal ist es aber so, dass ich genau deshalb von einem Buch überrascht wurde, wenn ich ihm dennoch eine Chance gab, und genau das passierte hier.
Mitreißend
Der Schreibstil zog mich wie von selbst in das Buch hinein. Die Sätze flossen wunderbar dahin und strahlten eine solche Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit zugleich aus, dass das lesen eine Freude war.
Hinzu kam noch Juri Zipin, die Hauptfigur des Buches. Von Anfang an habe ich in ihm den Antihelden gesehen, weil er so treuherzig, offen und einfach zum gernhaben war. Körperlich und geistig geschädigt, ist er doch durch und durch positiv und hat ein sehr einnehmendes Wesen, was ihm im Verlauf der Geschichte auch oft sehr nützlich war.
Er wird unverhofft zum ersten Vorkoster Stalins, und von da an tauchte ich als Leser in die Welt des sterbenden Politikers/Diktators ein. Einige historische Ereignisse wurden geschickt mit fiktiven Vorkommnissen verbunden, und so erfuhr ich einiges über Stalins Gefolge, die Machtkämpfe, die herrschende Dekadenz und vieles mehr. Eine Welt, mit der ich mich zugegebener maßen vorher kaum auseinandergesetzt habe.
Anders
Nicht unerheblich für das Gelingen der Geschichte ist, dass Juri sie selbst erzählt. Man sieht alles durch seine Augen und hört es mit seinen Ohren. Die Beschreibungen sind dabei oft kindlicher und eher naiver Natur, welches einen Großteil des Charmes ausmacht.
Die Dialoge, sowie auch die Geschichte insgesamt, sind von humorigen Noten, aber auch von Ernsthaftigkeit geprägt. Manchmal ist es sogar erschreckend, was man zu lesen bekommt. Leichte Kost ist es daher nicht immer, aber das hatte ich auch nicht erwartet.
Diesem Buch konnte ich sogar kleinere Längen verzeihen, denn diese ungewöhnliche Geschichte, mit ihrem gekonnten Mix aus humoriger Satire, Tragik und schockierenden Begebenheiten, war für mich sehr lesenswert.
Eine bittere Satire, die mich ein wenig zwiegespalten zurücklässt...
Zum Inhalt:
Juri ist der Sohn eines Tierarztes, der im Moskauer Zoo lebt und arbeitet. Aus der Perspektive dieses zwölfjährigen Sohnes erfahren wir von einer sich in den Ferien zutragenden, ungeheuerlichen Geschichte. Denn Juri wird Vorkoster beim „Mann aus Stahl‟...
Meine Meinung:
Eine bitterböse Satire hat Christopher Wilson hier auf die letzten Tage des Diktators Josef Stalin geschrieben, bei der man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Da sie aus der Perspektive des zwölfjährigen Juri erzählt wird, der immer wieder erwähnt, für wie gehirnschwach er gehalten wird, aber dann in naivem Ton messerscharfe Beobachtungen liefert, ist der Stil, sagen wir mal, besonders. Ich persönlich musste mich etwas dran gewöhnen, glaube aber auch, dass er eine große Stärke des Romans ist, denn Juri ist (was sich im Laufe der Geschichte auch zeigen wird) wesentlich klüger als vielfach behauptet, und durch seine naive Art gepaart mit der scharfen Beobachtungsgabe erhalten wir ganz einmalige Einblicke in die geschilderten Ereignisse.
Es gibt so einige (tragi)komische Momente, beispielsweise, wenn Juri das erste Mal auf eine Banane trifft oder wenn regimekritische Witze erzählt werden. Aber auch die Willkür und Erbarmungslosigkeit der Regierung werden stahlhart vorgeführt. Über eine Szene konnte ich aufgrund ihrer Härte nur oberflächlich hinweglesen und kam echt an meine Grenzen des Ertragbaren.
Neben dem "Mann aus Stahl" können auch sämtliche andere Namen lediglich als Anspielung auf reale aus der Sowjetunion bekannte Persönlichkeiten gelesen werden. Umso mehr drängte sich mir die Frage auf, wieviel Fakt überhaupt in dieser Fiktion enthalten ist. Mindestens (der Mythos) um Stalins Ableben ist meines Wissens passend zur Historie verarbeitet worden. Was den Rest betrifft? Ich bin kein Experte für sowjetische Geschichte - aber hätte jetzt zumindest Lust, mein Wissen etwas aufzufrischen. Ich kann mir vorstellen, dass der Roman noch besser funktioniert, wenn man sich etwas besser auskennt mit den Fakten, weil man dann die Umsetzung hier besser einordnen und Anspielungen besser verstehen kann. Aber auch, wenn man keine Ahnung hat, kann man dem Roman zugute halten, dass er dazu anregt, sich anschließend zumindest noch ein wenig mit der Stalinzeit zu beschäftigen.
Gespräche aus der Community
Zusätzliche Informationen
Christopher Wilson wurde am 15. Juli 1946 in Lancashire (Großbritannien) geboren.
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