Unter den Batman-Fans gibt es seit jeher unterschiedliche Meinungen darüber, bei wem es sich um das beste Batgirl handelt: Betty Kane, Barbara Gordon, Cassandra Cain oder Stephanie Brown steht hier zu Wahl, wobei sich für mich diese Frage eigentlich nie gestellt hat. Und wenn doch, so muss die Antwort natürlich Barbara Gordon lauten.
Ihr erster Auftritt im Januar 1967 in Detective Comics # 359 etablierte diese Figur nachhaltig innerhalb der sogenannten Batman-Familie, Mehr noch: Sie wurde, aufgrund ihrer großen Beliebtheit in der damaligen US-Fernsehserie, von den Fans geradezu eingefordert. Als Ende der 60er der Hype um Batman urplötzlich zu Ende und der Absatz seiner Comics bei DC in den Keller ging, erwies sich ausgerechnet Batgirl als erfolgreichstes Pferd im Stall. Während alle anderen großen Reihen mit sinkenden Verkaufszahlen kämpften, trug sie in den kommenden zwei Jahren die Fackel lange genug weiter, bis schließlich ein gewisser Dennis O'Neil (zusammen mit Zeichnern wie Neal Adams, Irv Novick oder Frank Robbins) übernahm - und den Dunklen Ritter in eine neue Ära führte.
Eine Ära, in der Batgirl zwar immer wieder an der Seite von Robin und Batman auftauchte, aber nie mehr diese Popularität aus den späten 60ern erreichte, bis ein Crossover-Ära-Event namens "Crisis on Infinite Earths" (1985-1986) sowie Frank Millers "Batman - Das erste Jahr" (1987) die Uhren auf Null stellte. Im Zuge der Neuausrichtung bei DC bekamen viele Figuren jetzt eine neue Origin-Geschichte. Und auch wenn sich Batgirls neuer Werdegang (nachzulesen in Secret Origins Vol. 2 # 20, 1987) nicht grundlegend von dem vorherigen abweichte, gab es doch den ein oder anderen Unterschied.
In Abstimmung zu Millers Werk war Barbara Gordon nun nicht mehr die leibliche Tochter von Commissioner James Gordon, sondern wurde zu dessen Nichte und von ihm adoptiert, nachdem Roger Gordon, James' Bruder, an den Folgen seines regelmäßigen Alkoholmissbrauchs verstarb. Bis zum Flashpoint-Event im Jahr 2011 behielt diese Hintergrundgeschichte seine Gültigkeit, was aber ein Autor-Duo bestehend aus Chuck Dixon und Scott Beatty im Jahr 2003 nicht davon abhielt, ihrerseits - angespornt von der erfolgreichen Storyline "Robin - Das erste Jahr" (2000) - eine aktualisierte Variante ihrer Origin-Geschichte vorzulegen. Und diese bleibt, allen Retcons zum Trotz, für mich bis heute auch die gelungenste. Für alle, die sie noch nicht kennen, sei die Story kurz angerissen:
Die junge Barbara Gordon hegt nur einen Wunsch: Sie möchte Polizistin werden, wie ihr "Vater" Captain James Gordon. Wenig überraschend hält dieser überhaupt nichts von der Idee, schließlich ist Gotham ein gefährliches Pflaster. Barbara, die nebenbei in der Bibliothek des Gotham City Police Department arbeitet, soll stattdessen lieber ihr Studium beenden und etwas Anständiges lernen. Eine Bevormundung, mit welcher die junge Frau überhaupt nicht zurecht kommt. Sie weiß, dass sich ihr Vater in der Nacht mit Batman trifft, dessen Heldentum sie heimlich verehrt. Ihr Wunsch ist es, wie er, als maskierte Rächerin gegen das Böse zu kämpfen und dafür trainiert sie täglich hart. Und nutzt jede sich ihr bietende Gelegenheit.
Heimlich dringt sie in das Hauptquartier der Justice Society of America ein, um eine Notiz zu hinterlassen, in der sie bittet, bei Black Canary in die Lehre zu gehen. Hierbei wird sie jedoch von Wildcat erwischt, der ihr schroff deutlich macht, dass sie ihre kindischen Träume vergessen soll. Von all der Ablehnung nur mehr motiviert, entschließt sie sich dazu, auf eigene Faust tätig zu werden. Als der Maskenball der Polizei ausgerichtet wird, nimmt sie im Kostüm eines "Batgirls" teil. Was als erste Bewährungsprobe ihrer Identität (und Rebellion gegen ihre Vater) gedacht war, wird jedoch bald zur Feuertaufe, als Killer Moth der feinen Gesellschaft einen Besuch abstatt, um diese um ihr Geld zu erleichtern. Vor den Augen von Bruce Wayne und ihrem Vater nimmt sie allein den Kampf mit der Bande und schließlich deren Verfolgung auf. Doch damit fangen die richtigen Probleme erst an ...
Nach dem schon äußerst lesenswerten "Robin - Das erste Jahr" legt das Trio aus Autor Chuck Dixon und Scott Beatty sowie Zeichner Marcos Martin hier qualitativ tatsächlich nochmal eine gehörige Schüppe drauf, denn "Batgirl - Das erste Jahr" nimmt die Stärken des "Vorgängers" und baut diese weiter aus.
Wie stelle ich halbwegs glaubhaft dar, dass ein Kind oder Teenager sich in einem bunten Kostüm an der Seite eines verstörten Rächers über dunkle Häuserschluchten schwingt, um bewaffneten Mafia-Gangstern und irren Soziopathen das Handwerk zu legen? Mit dieser Frage sahen sich schon eine ganze Reihe von Autoren konfrontiert, die Batmans viele Partner in seiner Karriere irgendwie logisch rechtfertigen und dabei, gerade bei dem Thema der inneren Motivation, gewaltige Logiklöcher überspringen müssen. Umso bemerkenswerter, dass Dixon dieses Problem direkt bei den Hörnern packt. Barbaras Motiv eine maskierte Heldin zu werden ist nicht Rache (wie bei Bruce Wayne) oder die Ausfüllung einer inneren Leere (wie bei Richard Grayson) - sie will schlicht und ergreifend Gutes tun und ist fest davon überzeugt, das am Besten als Batgirl erreichen zu können. Auch wenn ihr alle immer wieder versichern, dass sie scheitern wird und diese naive Einstellung ihr irgendwann zum Verhängnis werden wird.
Dixon ist hier meines Erachtens eine seiner besten Leistungen gelungen, eben weil Barbara Gordons Suche nach Anerkennung so glaubhaft und nachvollziehbar, ja, menschlich ist. Sie befindet sich am Scheideweg zwischen Teenager und junger Frau. Und wie alle in ihrem Alter hat sie auf ihrem Weg zur eigenständigen Identität mit aufdringlichen Jungs, irritierenden Gefühlen und nervenden Autoritäten zu kämpfen. Batman ist alles andere als erfreut, dass sein Symbol von ihr verwendet wird und lehnt sie zu Beginn entsprechend rundweg ab. Er sieht aber dennoch genug Potenzial in Barbara (ihre Identität findet er natürlich schnell heraus), um ihr durch Robin immer wieder Unterstützung zukommen zu lassen.
Und so verfolgen wir als Leser, wie sich Batgirl stets aufs Neue in gefährliche Situationen bringt, scheiter, aber doch aus ihren Fehlern lernt, sich verbessert - und vor allem ihr Ziel nicht aus den Augen verliert. Ihr Kampf um das Recht, von den anderen Helden ernstgenommen zu werden, ist jedoch weit entfernt von den düsteren Prüfungen eines Batman. Stattdessen würzen die Autoren die Geschichte mit einem so dermaßen köstlichen Humor, dass man aus dem Grinsen nicht mehr herauskommt. Die inneren Monologe Barbaras sind einfach ein Fest, weswegen man dieses Batgirl spätestens jetzt endgültig ins Herz schließen muss.
Marcos Martins wunderschöne, dynamische Zeichnungen, die erneut ein wenig als Reminiszenz an die Animated Series erscheinen, passen einmal mehr wie die Faust aufs Auge auf diese Coming-of-Age-Geschichte, ohne ihr dabei allerdings einen kindlichen Anstrich zu verleihen. Ganz im Gegenteil: Es wird nicht an drastischen Szenen gespart. Insbesondere die Panels mit Firefly (dessen Origin hier ebenfalls neu interpretiert wird) sind äußerst explizit und erinnern immer wieder daran, auf welch tödliches Spiel sich Barbara hier einlässt - und an einen gewissen "Killing Joke", der ihr noch bevorstehen wird.
Dixon und Beatty greifen viele Elemente der vorherigen Origin-Geschichten auf (u.a. den Ball mitsamt dem Überfall von Killer Moth oder Barbaras erster "Ausflug" in die Bathöhle), nehmen sich aber viel mehr Zeit ihren Werdegang zu erzählen, der von vielen Rückschlägen gekennzeichnet ist und sich damit von einem Gros der anderen Superhelden-Comics abhebt. Diese Würdigung für das Batgirl Barbara Gordon - sie war meines Erachtens lange überfällig. Selbst wenn inzwischen nicht mehr zum Kanon, gehört dieser Comic doch in das Regal eines jeden Freunds der Batman-Familie.
90/100
Original: Batgirl: Year One # 1-9, 2003












