Rezension zu "Charles II (Penguin Monarchs): The Star King: The Steadfast" von Clare Jackson
Andreas_OberenderSeit 2014 bringt der Penguin-Verlag eine Buchreihe heraus, die "Penguin Monarchs". Es handelt sich um Kurzbiographien aller englischen und britischen Könige und Königinnen seit dem 11. Jahrhundert. Die Reihe beginnt mit den letzten angelsächsischen Herrschern vor der normannischen Eroberung. Auch Oliver Cromwell ist ein Band gewidmet. Mittlerweile sind zwei Drittel der 45 geplanten Bände erschienen. Die Bücher sind kleinformatig (13x18,5 cm) und umfassen maximal 150 Seiten. Sie enthalten farbige Abbildungen, Stammtafeln und kommentierte Literaturhinweise. Auch wenn eine entsprechende Angabe fehlt, ist davon auszugehen, dass sich die Bände an historisch interessierte Laien richten, die sich rasch über das Leben der englischen Monarchen informieren wollen. Als Konkurrenz zur renommierten Biographienreihe "Yale English Monarchs", deren Bände eher für den wissenschaftlichen Gebrauch in Frage kommen, sind die "Penguin Monarchs" nicht gedacht. Interessant ist die Reihe dennoch, denn der Verlag hat zahlreiche bekannte Historikerinnen und Historiker als Autoren gewonnen. Damit ist sichergestellt, dass sich die einzelnen Kurzbiographien auf der Höhe des heutigen Forschungsstandes bewegen.
Karl II. (1630-1685) ist der einzige englische König aus dem Hause Stuart, der heute eine gewisse Popularität genießt. Seine Regierungszeit gilt im Geschichtsbewusstsein der Briten als Ära barocker Lebenslust und Sinnenfreude. Ganz England, so ein weitverbreitetes Klischee, stürzte sich ins Vergnügen, um die Schrecken des Bürgerkrieges und die fruchtlosen republikanischen Experimente unter Oliver Cromwell zu vergessen. In Historienfilmen über die sogenannte "Restoration" tritt Karl II. als genussfreudiger Schwerenöter in Erscheinung, der sich mit seinen Mätressen vergnügt, anstatt sich den Regierungsgeschäften zu widmen. Karl II. setzte mehr Bastarde in die Welt als jeder andere englische König. Doch seine Ehe mit der portugiesischen Infantin Katharina blieb kinderlos. Als Karl 1685 starb, ging der Thron zum Schrecken der protestantischen Bevölkerungsmehrheit Englands an seinen jüngeren Bruder, den Katholiken Jakob. Binnen kurzer Zeit verspielte Jakob II. das Kapital, das sein älterer Bruder über 25 Jahre hinweg angesammelt hatte. Jakob brauchte kaum drei Jahre, um seine Untertanen gegen sich aufzubringen und die "Glorreiche Revolution“ heraufzubeschwören. Das Urteil der Nachwelt über Karl II. schwankte: Die einen rügten sein liederliches Privatleben, die anderen rühmten seine politische Gewitztheit, vor allem sein Talent, sich unter schwierigen Bedingungen die Loyalität der Eliten und des Volkes zu erhalten.
Clare Jackson bietet zunächst einen knappen chronologischen Abriss zu Karls Leben. Es folgen drei thematisch angelegte Kapitel, in denen Jackson analysiert, wie sich Karl II. als Herrscher in Szene setzte. Anfang 1660 beschloss das englische Parlament die Restauration der Monarchie. Der im Exil lebende Karl wurde eingeladen, nach England zurückzukehren. Karl war sich bewusst, dass keine leichte Aufgabe vor ihm lag: Er musste das Vertrauen in das Haus Stuart wiederherstellen und als König all jene Fehler vermeiden, die seinen Vater, Karl I., um Krone und Kopf gebracht hatten. Nach den radikalen Umwälzungen der Bürgerkriegszeit sehnte sich das Volk nach stabilen und geordneten Verhältnissen. Karl II. war ein Mann von versöhnlichem Naturell. Er besaß keine nennenswerten politischen Ambitionen. Mit der Rückgewinnung der Krone war sein Ehrgeiz gestillt. Da seine Macht viel geringer war als die seines Vetters, Ludwigs XIV. von Frankreich, besaß Karl ohnehin wenig Spielraum für eine zupackende Innen- und Außenpolitik. Herrschaft nach dem Vorbild des Sonnenkönigs war in England unmöglich. Das Parlament hielt den König "auf Linie". Gerne hätte Karl II. Katholiken und protestantischen Nonkonformisten Toleranz gewährt, aber das Parlament hinderte ihn daran. Karls Energie floss in die aufwendige Inszenierung der Monarchie. Höfische Feste, Rituale und Zeremonien sollten verdeutlichen, dass England zu seiner angestammten politischen Ordnung zurückgefunden hatte. Der König gab sich volksnah und zugänglich. Seinen Mätressen war er ein großzügiger Gönner, seinen Bastarden ein fürsorglicher Vater. Die wachsende öffentliche Kritik an seinem Lotterleben ließ Karl unbeeindruckt.
Von besonderem Wert ist das letzte Kapitel. Im Gegensatz zu anderen Autoren der Reihe geht Jackson ausführlich auf das Nachleben ihres Protagonisten ein. Sie spannt einen Bogen vom späten 17. Jahrhundert bis in unsere Zeit. In Abhängigkeit vom Zeitgeist wurde Karl II. im Lauf der Jahrhunderte sehr unterschiedlich beurteilt. Auch heute halten sich kritische und wohlwollende Stimmen die Waage. Manche Historiker attestieren Karl II. Selbstsucht, innere Leere, Antriebslosigkeit. Andere Autoren heben hervor, dass Karl seinem Land das gegeben habe, was es am dringendsten brauchte – Frieden und Stabilität. Sein geringer politischer Ehrgeiz sei ein Segen gewesen. Clare Jackson gehört zu jenen Autoren, die Karl eher wohlwollend beurteilen, und ihre Argumente sind überzeugend. Gerade im Vergleich mit seinem Bruder Jakob erscheint Karl II. als Monarch, der in seinem Handeln den Stimmungen im Land instinktsicher Rechnung trug und bemüht war, niemanden vor den Kopf zu stoßen. Gemessen an seinem Vater und seinem Bruder kann Karl II. als erfolgreicher König gelten. Er hielt sich länger auf dem Thron als alle anderen Monarchen aus dem Hause Stuart. Stets war er sich bewusst: Das Volk, das ihn zurückgerufen hatte, konnte ihn auch wieder fortjagen. Innenpolitische Probleme ließ Karl nie zu einer Krise eskalieren, und er ersparte seinem Land außenpolitische Abenteuer. Jacksons Buch ist vorzüglich; es gehört zu den besten Bänden der "Penguin Monarchs".
(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im Januar 2018 bei Amazon gepostet)