Rezension zu "Manchmal konnte ich vor Angst nicht atmen" von Clarissa Vogel
Als Clarissa wegen ihrer kranken Mutter häufig zur Oma muss, wird das Leben der Dreijährigen zur Hölle. Im Schlafzimmer der Großeltern passieren furchtbare Dinge. Vor laufender Kamera und im Beisein weiterer Männer wird Clarissa missbraucht. Weil der Opa behauptet, ihr einen Sender in den Rücken operiert zu haben, vertraut sie sich keinem an. Als sie sich wehrt, schlägt er ihren Kopf auf eine Stuhllehne, bricht ihr die Nase. Zehn Jahre geht das so. Dann hat Clarissa die Chance, sich zu befreien.
Die Autorin:
Clarissa Vogel, Jahrgang 1985, hat in ihrer Heimatstadt Düsseldorf Sozialpädagogik studiert und einige Jahre in einer kirchlichen Einrichtung gearbeitet. Sie lebt mit ihrem Lebenspartner in der Nähe von Düsseldorf. Um auf Kindesmissbrauch und dessen Folgen aufmerksam zu machen, betreibt sie den Facebook-Blog Kairies schwarz-weiße Seifenblasen, PTBS, Depression und Borderline.
Meine Meinung:
Wir starten in diesem Buch, mit der unbeschwerten Kindheit der Autorin. Sie wächst mit ihren Eltern und ihrem Bruder wohl behütet auf. Eine innige Beziehung die durch Vertrauen und Liebe bestimmt wird.
Schonungslos wird dann jedoch der Beginn des Missbrauchs beschrieben. Die Autorin findet dafür klare Worte. Jedoch werden die Taten nicht bis ins kleinste Detail beschrieben und nur an der Oberfläche angekratzt. Die Autorin erklärt auch im Buch, das es ihr immer noch schwer fällt detaillierte Beschreibungen der Taten zu tätigen. Für mich absolut nachvollziehbar. Ich muss die Grausamkeiten auch nicht ausführlich beschrieben haben. Es ist auch so schrecklich genug.
Schon früh träumt die Autorin sich weg. In eine Phantasiewelt und sie erfindet einen imaginären Freund. Erste Anzeichen ihrer späteren Erkrankung? Auch funktioniert sie nur noch. Wie eine Maschine führt sie das verlangte aus. Es ist kaum auszuhalten, was dieser Frau passiert ist. Und wir bekommen ebenfalls einen klaren Blick aus Kinderaugen auf die Situation. Die Rolle des Vaters übrigens wird bis zum Ende des Buches nicht geklärt. Hat es vielleicht doch etwas geahnt oder gewusst?
Wir bekommen die Angstzustände, die depressiven Phasen, Klinikaufenthalte und Therapieansätze in diesem Buch mit und auch erklärt. In der zweiten Hälfte wird das Buch aber auch Mut machend. Die Autorin legt viel wert darauf nicht nur ein Opfer zu sein, sondern auch ein Mensch mit Wünschen, Gefühlen und Träumen. Selbst die Liebe darf sie finden und leben. Das Buch hat mich sehr nachdenklich gemacht. Mein Blick auf die Gesellschaft ist jetzt wacher. Statistiken zeigen, das all dieses Schreckliche jede Minute irgendwo auf der Welt einem Kind passiert. Kaum vorstellbar.
Dieses Buch ist eine klare Empfehlung. Es besticht nicht durch Gewaltszenen sondern durch den Kampf ins Leben zurück. In ein selbstbestimmtes Leben. Ein lebenswertes Leben. Die Autorin verdient meinen größten Respekt.