Claude Dulong

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Autor*in von Mazarin.

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Cover des Buches Mazarin (ISBN: 9782262012854)

Mazarin

 (1)
Erschienen am 01.10.1999

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Cover des Buches Mazarin (ISBN: 9782262012854)
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Rezension zu "Mazarin" von Claude Dulong

Vier Bücher über Kardinal Mazarin. Teil 3: Claude Dulong
Andreas_Oberendervor einem Jahr

Kardinal Jules Mazarin (1602-1661), geboren unter dem Namen Giulio Mazarini, gehört zu den bedeutendsten europäischen Staatsmännern des 17. Jahrhunderts. Doch außerhalb Frankreichs ist sein Name kaum bekannt. Mazarins erstaunliche und wechselvolle politische Laufbahn sucht ihresgleichen: Nach einigen Jahren diplomatischer Tätigkeit im Dienst des Papsttums, darunter als Nuntius in Paris (1634-1636), ließ sich der gebürtige Römer 1640 dauerhaft in Frankreich nieder. Kardinal Richelieu, der Prinzipalminister Ludwigs XIII., schätzte Mazarin seit langem. Er betraute den Italiener mit wichtigen politischen Aufgaben und empfahl auf dem Totenbett dem König, Mazarin als Minister in die Regierung zu berufen. Im Mai 1643, nachdem Richelieu und der König binnen weniger Monate verstorben waren, übernahm Mazarin die Leitung der Staatsgeschäfte. Ludwig XIV., der neue König, war ein Kind von fünf Jahren. Zusammen mit der Königinmutter und Regentin Anna steuerte Mazarin das Königreich durch dramatische und turbulente Jahre. Er trat ein schweres Erbe an: Der große Krieg in Europa wollte kein Ende nehmen; die Staatsfinanzen waren zerrüttet; quer durch alle Bevölkerungsschichten regte sich Unzufriedenheit. Von Anfang an hatte Mazarin Mühe, sich der Intrigen seiner Gegner und Kritiker zu erwehren. Die innenpolitischen Spannungen entluden sich während der Fronde (1648-1653), der letzten großen Krise, die die französische Monarchie vor der Revolution zu bestehen hatte. Zweimal musste der Kardinal für kurze Zeit ins Exil gehen. Doch schließlich vollbrachte Mazarin das für unmöglich Gehaltene: Er führte das Königtum gestärkt aus der Fronde heraus, und mit den Friedensschlüssen von 1648 (Westfälischer Frieden) und 1659 (Pyrenäenfrieden) ebnete er den Weg für Frankreichs Aufstieg zur europäischen Großmacht. Anders als sein Vorgänger und Förderer Richelieu hatte Mazarin am Ende seines Lebens alle innen- und außenpolitischen Ziele erreicht. Sein Werk war vollendet. Und mehr noch: Als Prinzipalminister der französischen Krone war der Spross einer weitgehend mittellosen Familie zu märchenhaftem Reichtum gelangt.

Die Zahl der Mazarin-Biographien ist überschaubar. Sieht man von der Biographie des britischen Historikers Geoffrey Treasure (1995) ab, so sind alle seriösen und beachtenswerten Bücher über den Kardinal in Frankreich erschienen. Es handelt sich um die Werke von Georges Dethan (1981), Pierre Goubert (1990), Claude Dulong (1999) und Gérard Montassier (2015). Die vier Bücher werden hier vorgestellt und vergleichend rezensiert. Sie haben eines gemeinsam: Keines von ihnen wurde ins Deutsche oder Englische übersetzt. In den 1970er Jahren erschien die populärwissenschaftliche Mazarin-Biographie des französischen Schriftstellers Paul Guth auf Deutsch. Sie ist für eine ernsthafte Beschäftigung mit Mazarin ebenso ungeeignet wie die Biographie des deutschen Journalisten Uwe Schultz (2018). Nach ihrer Ausbildung an der traditionsreichen École des Chartes war Claude Dulong (1922-2017) im höheren Bibliotheksdienst tätig. Parallel betrieb sie Forschungen zur Geschichte Frankreichs im 17. Jahrhundert. Dulong war Mitte 70, als sie ihre Mazarin-Biographie schrieb. Das vorgerückte Alter der Autorin hat dem Buch allerdings nicht geschadet, denn Dulong konnte sich auf ihre eigenen umfangreichen Vorarbeiten stützen, eine Biographie der Königin Anna (1980) und eine Studie über Mazarins Vermögen (1990). Von den hier vorgestellten Büchern ist Dulongs Biographie am ehesten für eine vertiefte Beschäftigung mit Mazarin geeignet. Das Buch weist viele Stärken auf, ist aber nicht frei von Schwächen. Dulong hat auf eine Einleitung und eine Zusammenfassung verzichtet. Sie formuliert keine Fragen, setzt sich nicht kritisch mit der älteren Mazarin-Forschung auseinander und erörtert die Quellenlage nicht. Eine abschließende Würdigung Mazarins als Mensch und Staatsmann fehlt. Einige komplexe Themen, etwa die Fronde (Kapitel 6 bis 8) und den Jansenismus (Kapitel 9), behandelt Dulong zu ausführlich und detailreich. Die Ausführungen zu diesen Themen fordern dem Leser ein hohes Maß an Konzentration ab. 

Ärgerlich ist der Verzicht auf einen vollständigen Anmerkungsapparat. Es ist nicht durchgehend nachvollziehbar, aus welchen Quellen die Zitate stammen. Für manche Zitate bietet Dulong Nachweise (Fußnoten), für andere nicht. Ein System ist nicht erkennbar. Das ist umso bedauerlicher, als die Biographie – ähnlich wie Georges Dethans Buch – sehr quellennah geschrieben ist. In großem Umfang nutzt Dulong die politische Korrespondenz des Kardinals, aber auch unveröffentlichtes Material aus mehreren französischen Archiven. Sie legt den Schwerpunkt auf Mazarins Ministerzeit zwischen 1643 und 1661. Mazarins Kindheit, Jugend und Tätigkeit im Dienst des Papsttums behandelt sie äußerst knapp. Auf diese immerhin 40 Jahre entfallen nicht einmal 20 Seiten des Textes. Schon auf Seite 11 findet die erste Begegnung zwischen Richelieu und Mazarin Anfang 1630 statt. In enger Anlehnung an die Quellen schildert Dulong Mazarins politisches und diplomatisches Wirken als Prinzipalminister der französischen Krone. Breiten Raum nimmt erwartungsgemäß das Dreiecksverhältnis zwischen dem Kardinal, der Königinmutter und dem jungen König ein. Die Leistung des Buches besteht weniger darin, neue oder überraschende Erkenntnisse über Mazarin zu präsentieren. Der große Vorzug der Darstellung ist die Anschaulichkeit. Dulong nutzt die ausgezeichnete Quellenlage, um Mazarins Denken und Handeln verständlich werden zu lassen. Ein Highlight des Buches ist das Kapitel über die langwierigen, von Mazarin persönlich geführten Friedensverhandlungen mit Spanien, die Ende 1659 in den Pyrenäenfrieden mündeten. Faszinierend sind auch die beiden faktensatten Kapitel über Mazarins Vermögen, Mäzenatentum und Sammlertätigkeit. Der Reichtum, den der Kardinal binnen weniger Jahre anhäufte, übersteigt die Vorstellungskraft heutiger Leser. Dulong stellt klar, dass Mazarin nicht von maßloser Raffgier getrieben war. Als Kardinal und leitender Minister musste er sich angemessen in Szene setzen, durch einen aufwendigen Lebensstil und die Förderung von Künstlern und Gelehrten. Und da es keinen Staatshaushalt im modernen Sinne gab, musste Mazarin einen Großteil seiner Ausgaben im politischen Tagesgeschäft aus eigenen Mitteln finanzieren. Millionensummen waren nötig, um die Loyalität aufsässiger Aristokraten zu erkaufen oder Frankreichs europäische Verbündete mit Subsidien zu versorgen. Die lautstarke Empörung, mit der sich ein Sachbuchautor wie Uwe Schultz über die Bereicherung von Ministern wie Richelieu, Mazarin und Colbert äußert, ist krasser Unkenntnis der politischen Strukturen und Funktionsabläufe im 17. Jahrhundert geschuldet. 

FAZIT

Die Bücher von Georges Dethan und Claude Dulong ergänzen einander sehr gut. Sie sollten daher zusammen gelesen werden. Die Biographien von Pierre Goubert und Gérard Montassier verdienen aufgrund ihrer Schwächen und Defizite keine Leseempfehlung.

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