Cover des Buches Revolution im Herzen (ISBN: 9783426654330)
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Rezension zu Revolution im Herzen von Claudia Beinert

Eine starke Protagonistin

von Livricieux vor 6 Jahren

Rezension

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Livricieuxvor 6 Jahren
»Während einer Revolution öffnen sich die Menschen. Mir war, als ob selbst die steifsten, hochnäsigsten Menschen ihre Masken ablegen und ihre Hoffnungen ungeniert mit anderen teilen würden. Sie waren bereit, alles zu geben, sie waren sogar bereit zu sterben.« – S. 188

Im April diesen Jahres, 200 Jahre nachdem Karl Marx das Licht der Welt erblickte, erschien dieses Buch und erzählt die Geschichte des grossen Denkers aus einer ganz neuen Perspektive. Helena "Lenchen" Demuth war das Dienstmädchen der Familie Marx und eine ihrer engsten Vertrauten. Die Schwestern Claudia und Nadja Beinert erzählen dabei nicht nur vom Leben und wirken von Karl Marx, sondern vielmehr gelingt ihnen ein einfühlsamer Blick auf das Leben der Frauen zur damaligen Zeit.

Weg von zu Hause und rein ins Ungewisse

Lenchens Geschichte beginnt in Sankt Wendel, einem kleinen Ort in der Nähe von Trier. Dort lebt sie mit ihrer Familie und wächst in ärmlichen Verhältnissen auf. Schon früh muss sie mit anpacken. Dabei stellt sie sich manches mal etwas ungeschickt an, was ihr Spott und Häme, sowie den Spitznamen "Zitterhand" einbringt. Ihr einziger Verbündeter in der Familie scheint ihr Pabbi zu sein, der sie an langen Abenden in die Geheimnisse des Schachspiels einweiht. Leider verstirbt der geliebte Vater viel zu früh und lässt die Familie in bitterer Armut zurück. An manchen Abenden kommt gar nicht genug Essen für alle auf den Tisch, so dass Lenchen sich den Bauch mit Wasser füllen muss. Als sie dann eines Sonntags vor der Kirche von einem Mädchen aus dem Nachbardorf hört, das in Trier sein Glück als Dienstmädchen gemacht hat, steht ihr Entschluss fest. Noch in der selben Nacht schleicht sich Lenchen heimlich vom elterlichen Hof und wandert den langen Weg nach Trier. Ein wagemutiger Schritt für ein noch nicht einmal zehnjähriges Mädchen.
In Trier läuft Lenchen dann auch das erste Mal Karl Marx über den Weg, ist allerdings nur wenig angetan von ihm. Dafür freundet sie sich mit Jenny von Westphalen an, bei deren Familie sie auch Anstellung findet. Die Freundschaft, die sich zwischen den zwei Frauen unterschiedlichen Standes entwickelt, geht tief und Lenchen steht fortan loyal an Jennys Seite. Auch als diese den düsteren Karl heiratet und weg zieht. Einige Jahre später kümmert sie sich dann nämlich um den Haushalt der Familie Marx und zieht mit ihnen von Brüssel über Köln und Paris bis nach London.

»In meinem Traum liefen die Menschen dort [London] wie Maschinen herum: mit Gehirnen voller Zahnräder, mit Armen aus Eisenstangen, die mit Scharnieren verbunden waren, und mit Herzen, die der Dampf antrieb.« – S. 160


Eine ungewöhnliche Perspektive
Mit dem Blick fürs Detail beschreiben die Autorinnen die Lebensumstände Mitte des 19. Jahrhunderts und lassen sie im Kopf des Lesers/der Leserin lebendig werden. Man spürt förmlich den Druck des Familienoberhauptes, genügend Geld für die nächste Mahlzeit auf den Tisch zu bringen, aber auch die kleinen Freuden des Alltags werden äusserst bildhaft dargestellt. Zu gerne würde ich einmal Gordons Kaffee probieren oder dem Lied vom Knotenpelz lauschen.
Diesen harten Alltag erleben wir Leser und Leserinnen nicht etwa aus der Perspektive des Familienoberhauptes oder der Dame des Hauses, sondern aus jener des Dienstmädchens. Eine ungewöhnliche Sicht auf die Dinge, aber auch eine, die es ermöglicht ganz private Situationen auferstehen zu lassen. Das Frisieren am Morgen beispielsweise, ein Schachspiel oder eine Theateraufführung der Kinder für ihre Eltern und Freunde.
Claudia und Nadja Beinert gelingt es zudem wirklich ganz toll, die historischen Fakten mit fiktiven Erzählungen auszuschmücken und zu verschmelzen. So wird auch reichlich über die philosophischen und politischen Ideen von Marx und Engels debattiert und zahlreiche historisch belegte Persönlichkeiten geben sich die Klinke in die Hand. Mir brachte das Buch diesbezüglich einiges an Information, da ich von Marx und Engels aus der Schulzeit zwar noch eine vage Vorstellung hatte, mir jedoch nicht Bewusst war, wie stark ihre Theorien in den Folgejahren aber verfälscht und abgewandelt wurden. In Bezug auf die Geschichte im Buch glaube ich aber, dass etwas weniger Politik nicht geschadet hätte, einige Passagen waren doch eher trocken und langatmig zu lesen.

Die vollständige Rezension kann auf meinem Blog Livricieux nachgelesen werden.

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