Vor zwei Jahren habe ich mit ziemlicher Begeisterung Louise Kennedys „Trespasses“ gelesen, damals im Rahmen des BookTube Preises, bei dem ihr Erstlingswerk (neben diversen anderen Preisen und Nominierungen) die Bronze-Medaille erhalten hat. Ich war ziemlich beeindruckt von dem Talent Kennedys, Atmosphäre zu schaffen. Aber nicht die übliche (und von mir sehr geliebte), durch die man von irischem Grün, rauen Küsten und urig-originellen Einwohnern träumt, sondern eine dunkle, trostlose, die einen spüren lässt, wie sehr die politischen Spannungen des Landes den Alltag durchdringen, ohne je Alltag sein zu können.
Und genau diese Stimmung erschafft sie in der Kurzgeschichtensammlung „Das Ende der Welt ist eine Einbahnstraße“ wieder. Die Frauen, die Kennedy in den Mittelpunkt ihrer 15 Erzählungen stellt, wirken allesamt in ihren oft von Männern dominierten Situationen festgefahren, scheinen keinen Ausweg zu sehen oder gehen zu können/wollen. Für diese greifbare Dichte der Atmosphäre kann ich Kennedy nur gratulieren.
Aber davon abgesehen blieb das Buch für mich unbefriedigend. Das Abrupte, mit dem Kennedy jedes Kapitel beendet, gibt einem mehr den Eindruck, Auszüge aus 15 Manuskripten zu lesen, die mittendrin aufhören. Auszüge, die das Zeug hätten, spannende Romane zu werden, aber die mir persönlich so wenig mitgeteilt haben und mich auch nicht animieren konnten, mir selbst vorzustellen, wie es weitergehen könnte. Genau genommen hätte ich schon zwei Tage später keine einzige von ihnen nacherzählen können.
Was mich, nebenbei, auch verwundert hat, ist die Anordnung der einzelnen Erzählungen. Ich habe jetzt schon öfter gehört, dass Leser nach den ersten zwei oder drei aufgegeben und das Buch abgebrochen haben. Mir wäre es fast ebenso gegangen, aber so kann ich sagen: Sie werden besser. Je weiter man sich nach hinten vorarbeitet, umso interessanter die Geschichten. Zumindest daran erinnere ich mich noch.
Fazit: Kennedy kann schreiben, und zwar auf ihre ganz eigene, unverkennbare Weise. Und das ist recht selten und großartig. Aber ich werde mich in Zukunft auf ihre Romane beschränken.