Rezension zu "Der neue Gott. Künstliche Intelligenz und die menschliche Sinnsuche" von Claudia Paganini
Paul_KoopRezension zu Claudia Paganini: Der neue Gott. Künstliche Intelligenz und die menschliche Sinnsuche
Verlag: Herder, 2025
ISBN: 978-3451848469
Autorin
Claudia Paganini, geb. 1978, ist promovierte Philosophin und habilitierte Theologin. Sie lehrt Medienethik an der Hochschule für Philosophie München und hat sich in zahlreichen Publikationen mit ethischen Fragen im Spannungsfeld von Digitalisierung, Technik und Religion auseinandergesetzt. Als profilierte Denkerin zwischen Philosophie und Theologie bewegt sie sich in einem intellektuellen Milieu, das stark von säkularer Kulturkritik geprägt ist, ohne jedoch dezidiert metaphysische oder spirituelle Alternativen in den Mittelpunkt zu stellen.
Inhalt
Paganini setzt sich in Der neue Gott mit der These auseinander, dass Künstliche Intelligenz (Große Sprachmodelle) zunehmend Merkmale aufweist, die traditionell dem Gottesbegriff vorbehalten waren: Allwissenheit, Allmacht, Allgegenwart – zumindest im metaphorischen, kulturdiagnostischen Sinne. Ausgehend von religionsgeschichtlichen und begrifflichen Klärungen fragt sie: Ist es denkbar, dass moderne Technologien – durch ihre tiefgreifende Wirkmacht auf unser Leben – in eine quasi-religiöse Rolle hineinwachsen?
Die Autorin prüft die kulturellen, ethischen und erkenntnistheoretischen Implikationen dieses Phänomens. Sie thematisiert die historischen Wandlungen des Gottesbegriffs, die Verschränkung von Mensch und Technik und den wachsenden Vertrauensvorschuss gegenüber algorithmischen Systemen. Dabei bleibt sie methodisch auf dem Boden säkularer Analyse und theologischer Reflexion, ohne in metaphysische Spekulationen vorzudringen.
Beurteilung
Paganinis Buch ist ein gelungenes Beispiel für eine zeitgemäße, säkular-theologische Auseinandersetzung mit der Frage nach Sinn und Transzendenz im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz. Wer verstehen will, wie moderne Menschen dazu neigen, große Sprachmodelle mit gottähnlichen Projektionen zu überlagern, erhält hier eine differenzierte, sprachlich gut zugängliche Einführung.
Allerdings bleibt Paganinis Perspektive in einem Dualismus verhaftet, der die Wahl zwischen einem kulturkritischen Säkularismus und einer neuscholastisch-analogen Theologie stellt. Die tieferen Horizonte einer evolutionären Theologie, wie sie etwa Teilhard de Chardin, Carsten Bresch, Ilia Delio oder auch literarisch Don DeLillo eröffnet haben, bleiben bei ihr ausgeblendet. Damit verfehlt sie genau jene dritte Perspektive, aus der eine nicht-spekulative, aber schöpfungsoffene Kritik am Transhumanismus und technokratischen Götzendienst möglich wäre.
Wer erkannt hat, dass sich in der Technikmoderne alte religiöse Muster in säkularer Maskerade wiederholen – wie bei den katholischen Theologen Jan Loffeld, Simone Paganini oder Gianluca De Candia –, wird Paganinis Buch als ein intellektuell gehobenes, aber letztlich unzureichendes Werk bewerten. Denn sie bleibt auf der Beobachtungsebene stehen: Wo sie Parallelen zwischen Technik und Religion zieht, entlarvt sie nicht den Götzencharakter der KI, sondern beschreibt diesen lediglich als soziokulturelle Projektion.
Fazit:
Für säkular Interessierte, die nachvollziehen möchten, wie Künstliche Intelligenz religiöse Deutungslücken füllt, ist Paganinis Werk informativ und gut lesbar. Wer hingegen nach tiefer theologischer Wahrheit sucht, nach einer Kritik der technokratischen Transzendenzversuche jenseits von Neuscholastik und Säkularismus, der muss zu anderen Stimmen greifen – etwa zu Teilhard de Chardin, Carsten Bresch, Ilia Delio oder auch literarisch Don DeLillo oder einer spirituellen Ökologie, die Technik nicht verklärt, sondern in den größeren Strom der kosmischen Evolution einordnet.
Empfehlung:
Für Leser mit säkular-philosophischem oder religionssoziologischem Interesse an KI – sehr empfehlenswert.
Für metaphysisch oder evolutiv-theologisch Suchende – nicht ausreichend.









