Spoilerfreier Kurzreview:
An sich ist das Jugendbuch ganz okay. Man kommt sehr schnell durch, der Schreibstil schwächelt etwas, aber war im Allgemeinen zufriedenstellend. Die Hauptperson ist leider so unfassbar naiv für eine 16-Jährige, was stellenweise anstrengend ist. Auch die Hintergründe zu anderen Charakteren könnten besser ausgearbeitet sein. Das Finale ging sehr schnell und war sehr schnell aufgelöst, und dann war die Story auch schon zuende. Die Geschichte verschenkt leider eine Menge Potential.
Spoiler:
Eine spannende, dystopische Prämisse. Den Plottwist, dass Paul eine KI ist, hat mich persönlich überrascht. Das Buch ist auch stellenweise sehr spannend, was toll ist. Dadurch habe ich es auch in weniger als 2 Tagen durchgelesen. Die Charaktere sind, trotz Fehler, ganz sympathisch und man kann mit Emma trotz ihrer Fehler mitfiebern.
Nur zum aber... einige Sachen fand ich einfach sehr unzufriedenstellend.
Zuerst zu Emma
- okay, sie ist einsam. Okay, sie sucht jemandem zum reden. Okay, vielleicht ist sie erst 16 und hat nicht so viel digitales Wissen. Aber einem quasi Fremden Videos von der gesamten Umgebung, vom Haus, vom Schulweg, etc zu schicken, ohne, dass sie diesen auch nur ein Mal, sei es virtuell, gesehen hat, fand ich doch sehr unrealistisch. Auch, dass sie Paul überhaupt so schnell vertraut. Sie chatten drei Tage miteinander und plötzlich ist er schon ihr Seelenverwandter.
- dass sie ihre Eltern nicht dazu drängt, dass Passwort zu ändern, ist mir schleierhaft. Okay, sie will keinen Ärger kriegen. Aber bisher wirkten beide Eltern nicht so, als könne man ihnen die Sache nicht erklären. Am Ende bringt sie alle nur in unfassbare Gefahr., Und das merkt und spürt sie ja auch selbst, lange vor der eigentlichen Katastrophe. Spätestens dann hätte sie doch auf ihre Eltern zugehen sollen
- nach der Hälfte der Geschichte vergisst sie irgendwie die Trauer um ihren Bruder komplett. Ist irgendwie irrelevant geworden. Fand ich persönlich gar nicht so schlecht, weil es dadurch weniger traurig war. Aber es war einfach seltsam.
- ihre Freundschaft mit Hazel war irgendwie nur dazu da, um unnötiges Drama zu schaffen, und das war irgendwie anstrengend.
- sie leidet anscheinend 5x pro Woche an Gedächtnisschwund. Zumindest passiert immer alles in der gleichen Abfolge:
etwas Rätselhaftes, das mit digitalen Dingen zu tun hat (häufig das Haus), passiert.
Emma fragt sich, wie das sein kann.
Emma kommt zu dem Schluss, dass weder sie, noch ihre Eltern, noch sonst wer, dieses Resultat hätte herbeiführen können.
Emma fällt nach drei Stunden Nachdenken Paul ein.
Müsste sie irgendwann nicht mal gecheckt haben, dass Paul ihr Leben manipuliert? Und ihn gleich als Erstes verdächtigen? Hat nach einer Zeit einfach nur noch genervt. Und ich weiß auch nicht, ob es diese Situation (Paul manipuliert etwas) so oft hätte geben müssen. 2-3 Mal hätte es auch getan, es fühlte sich etwas repetitiv an.
- warum bittet sie Matt zum Ende hin immer seltener um Hilfe?! Je näher sie sich kommen, desto weniger redet sie mit ihm über ihre Probleme. Obwohl er zuvor hilfreich und verständnisvoll war. Sie zieht es auch nie in Erwägung, Matt alles zu erzählen. Warum?
Paul (aka Logiklöcher, Logiklöcher, Logiklöcher):
- warum hat er die Bilder von Ethan gelöscht? Und wie? Ging das nur, weil gerade telefoniert wurde? Was war sein Motiv? Dass er Emma zeigen wollte, dass sie ihn braucht? Warum hat er dann so ewig gebraucht?
- Warum hat Paul überhaupt das Bedürfnis, an der echten Weilt teilzuhaben? Macht er das nur mit Emma? Oder auch mit anderen? Hat er zuvor Kontakt gesucht? Warum dann nicht mit seinem Vater? Der hat ihn ja genau dazu geschaffen. Redet er mit seinem Vater? Warum wusste er dann nicht, dass er lange tot ist oder alternativ, warum glaubt er Emma dann sofort, als sie ihm das alles erklärt?
- warum will er so unbedingt, dass sie den Marathon läuft? Weil sie es nicht kann, wenn sie mal stirbt? Warum hat er plötzlich diese Ängste? Warum pocht er so auf das Training, gerade dann, wenn das doch heißt, dass sie mit Matt Zeit verbringt? Wurde nicht erklärt
- Warum hat eine KI Gefühle? Wie kann so was im Datensatz auf Emma spezifisch abgespeichert sein?
- Warum ist der Vater überhaupt überrascht, dass Emma mit Paul Kontakt hatte, wenn er ihn doch digitalisiert hat?
- was genau kann Paul alles digital machen? Wie genau funktioniert das? Er wirkt einfach unnötig übertrieben und overpowered. Paul kann ALLES. Sogar das Straßennetzwerk manipulieren. Aber warum? Was ist der Zweck dahinter? Wenn es so eine mächtige KI/Programme gibt, warum weiß sonst niemand was davon? Die Regeln/Möglichkeiten bzgl Pauls Programmierung werden null thematisiert.
- Warum will Paul am Ende (im Epilog erklärt) doch nicht, dass Emma stirbt? Wie er selbst sagt, dann hätte er doch alles, was er braucht. Warum sieht er seine Fehler ein?
- War die Digitalisierung von Emma die ganze Zeit sein Plan? Wollte er daher die Videos etc?
- in seinem Schreibstil sind große Brüche. Selbst Emma merkt das an ("er klingt so gestelzt") aber erklärt wird es nie. Das ist mir auch schon zuvor aufgefallen. Warum schreibt er mal so, mal so? Sollte der Stil nicht sehr konsistent sein?
verschwindendene Nebencharaktere:
- Dennis wird im ersten Kapitel fast als einer der wichtigsten Nebencharaktere etabliert, aber dann einfach vergessen. Er ist raus. Öhm, hat da irgendjemand vergessen, sein Kapitel und damit den ganzen Charakter aus der letzten Bearbeitung zu schmeißen?
- Pauls Vater wird nie wieder kontaktiert. Wäre vllt spannend gewesen und hätte den zähen Mittelteil etwas aufgefrischt. Emma hätte ihn zBsp bitten können, Paul abzustellen/zu resetten
- keine Charaktere, die verschwinden, aber der Konflikt zwischen den Eltern ist auch plötzlich weg. Fand ich aber nicht so schlimm, da das auch nicht die Hauptgeschichte war.
Man könnte sicher noch mehr schreiben, aber ich denke, dies fasst meine Gedanken ganz gut zusammen.
Empfehlung: eingeschränkte Empfehlung an alle, die sich mal an was sacht Dystopisches rantasten möchten. Für Jugendliche sicher geeignet, ich habe es auch mit 22 ganz gerne gelesen, lese aber auch selten (nie?) Dystopien.