Rezension zu "Echnatons Frühling" von Claudia Sikora
Ich finde es grandios und mutig von kleineren Verlagen, komplett neue Schriftsteller im Bereich der Belletristik zu entdecken und zu verlegen. Auch dieses Werk von Claudia Sikora ist erst ihr zweiter Roman, herausgegeben vom Wieser Verlag.
Echnatons Frühling ist leider kein so grandioses Leseerlebnis für mich gewesen. In fast jedem Absatz wird im Telegrammstil etwas länger als bei Twitter-Nachrichten von Location zu Location (Weinviertel, Ägypten, Südafrika, Katar, Syrien, Lybien…) und zu allem Überfluss auch noch von Zeit zu Zeit gesprungen (2011, 2013, das alte Ägypten zur Zeit Echnatons, 2010, 2013…). Dieser Erzählstil dekonstruiert den Roman komplett. Die Frage, die sich für mich stellt, ist dann immer: Wird der Leser durch Stilmittel nur verwirrt und gequält, oder setzt sich der Roman aus den einzelnen Versatzstücken doch noch zu einer ganzen Geschichte und einer Aussage zusammen. Das ist für mich das allerwichtigste in einem Prosa-Werk, nämlich dem Leser wirklich eine Geschichte zu erzählen und nicht das Stilmittel Sprache zum schriftstellerischen Angeben und Spielen einzusetzen, denn dafür gibt es eh die Lyrik.
Leider erschließt sich mir nur bedingt das Ziel und die Aussage der Autorin. OK, wie bei ihrem zitierten „Weltempfänger“ stehen die Revolutions-, Kriegs-, Politik- und Katastrophenmeldungen aus der Arabischen Revolution aus Ägypten, Tunesien, Syrien… und aus dem alten Ägypten Echnatons im Gegensatz zu der ursprünglichen Idylle des Weinviertels, die letztendlich auch in Kurzmeldungen einer kleinen, eigentlich lächerlichen Katastrophe mit 1st world problems mündet, da das Heimathaus infolge eines Wassereinbruchs einzustürzen droht. Aber was will mir die Autorin sonst noch sagen, das diese Leserverwirrung und die sehr ungemütliche Rezeption des dekonstruierten Textes rechtfertigt? Welche Geschichte will sie mir zudem noch erzählen? Ich habe keine Ahnung. Vielleicht Büchners Aussage aus Dantons Tod „Die Revolution frisst ihre eigenen Kinder.“ ? – Aber was hat dann das Weinviertel damit zu tun? Der Westen ist an allem schuld? – Das ist sowohl unrichtig als auch politisch und journalistisch komplett naiv und kurzsichtig. Medienkritik? Ich habe den Grundtenor der Aussage einfach nicht herausgefunden.
Dennoch habe ich ein paar interessante Inhalte gelernt. Den Werdegang von Al Jazeera kannte ich beispielsweise noch gar nicht. Auch existieren im Roman sprachlich sehr gut konstruierte, teilweise witzige, teilweise tiefsinnige Bonmots wie:
„In Scheißbucklkraxendorf ist bestimmt wieder die Hölle los – ein schwerer Verkehrsunfall oder ein Familiendrama unterm Christbaum.“
„Man wird sich doch noch aussuchen dürfen, wovon man sich manipulieren lässt.“
Fazit: Verwirrendes, mühsames auf intellektuell getrimmtes Werk, das zwar spannende Einzelaspekte aufweist, aber als Gesamtwerk keine Geschichte erzählt.