Claudine Monteil ist mit "Marie Curie und ihre Töchter" ein sehr informatives und lehrreiches Sachbuch gelungen, das detailliert, gut verständlich und nachvollziehbar auf die Forschung von Marie Curie und ihrer älteren Tochter und auf das politische und journalistische Wirken der jüngeren eingeht. Sie leuchtet das Beziehungsgeflecht der Frauen untereinander aus, betrachtet ihr Zusammenwirken, aber auch die Zweifel und individuellen Herausforderungen. So entsteht eine sehr interessante Mehrfachbiographie, die es versteht, die Frauen als Gemeinschaft, aber auch einzeln, wahrzunehmen. Besonders gut gelingt Monteil die Einbindung und Anbindung der privaten, persönlichen und professionellen Ereignisse im Leben der Frauen an den historischen Kontext einzubinden. Sehr prägnant stellt sie die jeweils relevanten Themen der Weltgeschichte in eine Bezug zu den Curie-Damen, schafft Relevanz und einen größeren Bezugsrahmen für die jeweilige Handlung. Lediglich in ihrer Gewichtung der Bedeutsamkeit des Feminismus scheint ihr die Objektivität etwas aus dem Blick zu geraten, dieser scheint doch etwas zu übermächtig in das Leben der drei Frauen hineininterpretiert zu werden.
Als Sachbuch funktioniert das Buch über weite Strecken sehr gut, als Roman scheitert er doch kläglich. Ich weiß nicht, ob das französische Original ebenfalls unter dem Gattungsbegriff "Romanbiographie" vermarktet wurde, der deutschen Übersetzung tut man mit diesem Griff keinen Gefallen, denn was der Leser definitiv nicht bekommt, ist ein Roman.
Der mit Zitaten durchsetzte Text kann stilistisch und sprachlich leider nicht glänzen. Die Trockenheit eines Sachbuchs staubt von jeder Seite. Eine Spannungskurve oder Handlungsentwicklung existiert nicht, Monteil ist leider noch nicht einmal in der Lage, stringent chronologisch eine Lebenserzählung aufzubauen. Sie springt in der Zeit hin und her, ohne dass für den Leser eine übergeordnete Funktion erkennbar wäre. Das wäre an sich schon störend, wird hier aber sehr ärgerlich, weil Monteil bestimmte Aspekte immer wieder wiederholt (ja, mittlerweile weiß ich ganz genau, in welch erbärmlichem Zustand das erste Labor des Ehepaars Curie sich befand, es war nicht mehr als ein Schuppen!), nicht nur einmal, sondern mehrfach, meist im Abstand von wenigen Seiten. Dazu gibt es einige inhaltliche Fehler. So wird der älteren Tochter angekündigt, dass sie zu ihrem Geburtstag im September ein Geschwisterchen geschenkt bekäme. Im Juni ist Marie Curie ein paar Zeilen weiter dann aber erst im dritten Monat. Das halte ich für biologisch unmöglich. An anderer Stelle wird behauptet, Marie Curie habe für den Rest des Lebens nur noch schwarze Kleidung getragen, wenige Seiten später läuft sie in einem bunten Sommerkleid auf. Möglicherweise sind gerade diese Unstimmigkeiten die Passagen, in denen sich die Autorin daran erinnerte, einen Roman schreiben zu wollen.
Wie komme ich dennoch zu drei Sternen? Monteils Buch hat mir auf einprägsame Weise und leicht verständlich viele Details über die Curies vermittelt, mich dazu inspiriert, mich weiter mit diesen Frauen zu beschäftigen und mir Zusammenhänge verdeutlicht, die mir so nicht bewusst waren. Bei allen Makeln des Textes ist er doch recht schnell zu lesen und erweitert den Horizont.
Das Buch ist sicherlich nicht für Menschen geeignet, die sich von einer fiktionalen Aufbereitung des Lebens von Marie Curie mitreißen lassen wollen, aber für einen weitestgehend sachlichen Einstieg in die Biographie dieser außergewöhnlichen Frau und ihrer Töchter auf alle Fälle geeignet.