Cover des Buches Zweihundertsechs Knochen (ISBN: 9783958130005)
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Rezension zu Zweihundertsechs Knochen von Clemens-Peter Bösken

Ein solider Krimi der alten Schule, der einen wunderbaren "Tatort" hergeben würde!

von Floh vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Solide alte Schreibkunst für einen bodenständigen Krimi, der einer Tatort-Folge gleicht! Eine gute 3 Sterne + Leseempfehlung!

Rezension

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Flohvor 8 Jahren
Autor Clemens-Peter Bösken befasst sich in seinem Krimi „Zweihundertsechs Knochen“ mit zwei, oder eher drei sehr interessanten Themen. Ein aktueller Kriminalfall, ein archäologischer Knochenfund und eine bizarre Nachkriegsgeschichte bis ins Hier und Jetzt. Neben Ermittlungsarbeit, Archiven, Befragungen, Untersuchungen und der Identitätsfrage des Skelettes beschäftigen die Beamten die Geschehnisse kurz nach dem zweiten Weltkrieg und dem Stillschweigen der Zeitzeugen. Mit seinem Ermittler, dem eigensinnigen Hauptkommissar der Düsseldorfer Kripo Terwort und seinem Team im Dezernat KK11 setzt der Autor Clemens-Peter Bösken einen soliden und starren Protagonisten an die Front der Ermittlungen. Zunächst scheint dieser Fall keine Priorität zu besitzen, doch die Erkenntnisse und Sachlagen verschärfen sich zusehends… Dann gerät der Fall auch noch in die hungrigen Fänge der Lokalpresse und weit darüber hinaus.
Erschienen im Edition Oberkassel Verlag (http://edition-oberkassel.de/)

Inhalt:
"Im Frühjahr 2005 wird in Düsseldorf bei Bauarbeiten ein Skelett gefunden. Das Morddezernat KK 11 kann die Identität des jungen Mannes klären: Er wurde im April 1945 ermordet. Er ist nicht das einzige Opfer des Täters, der sein öffentliches Ansehen als Politiker bis zuletzt verteidigt. Eine Zeugin der damaligen Ereignisse erkennt den Mörder während einer Fahndungssendung im Fernsehen und sucht ihn auf. – Geschickt wird historisches Wissen über das Düsseldorf der 1940er Jahre mit einer kriminellen Handlung verwoben."

Handlung:
Alles fängt ganz unverfänglich mit einem schaurigen Knochenfund an. Bei Bauarbeiten werden Knochen und dann sogar Fundstücke für ein ganzes menschliches Skelett gefunden. Zweihundertsechs Knochen, die Anzahl für einen erwachsenen Menschen. Doch wem gehörten einst diese Knochen? Wessen Identität gilt es zu ermitteln? Hat es einen Mordfall gegeben? Wo liegen die Wurzeln allen Übels? Wie weit muss das Morddezernat KK11 in die Historie zurückgehen? Welche Archive müssen gewälzt werden? Und wie bekommt man die Identität des Mannes heraus ohne moderne Verfahren zu DNA und Analyse? Lückenhafte Archive, verschlossene Dokumente und ein Zeitzeuge, der nicht erinnert werden will… In zwei Handlungssträngen erfahren wir aktuelle Ermittlungsarbeit, ein gut besetztes Team, eine solide Zusammenarbeit und interessante Ermittlungsverfahren. Etwas Privatleben der Kommissare und ein reges Interesse der hiesigen Medien. Zudem werden wir in die Erinnerungen und Gedanken des Charakters Bönisch entführt. Wie lange kann er sein Wissen und Gewissen zurückhalten? Mehr und mehr Erinnerungen an eine grauenvolle Tat werden wach. Eine alte Schuld, ein schlimmes Vergehen, ein Stück Nachkriegsgeschichte finden hier gekonnt in einem Plot aus Moderne und Historie zusammen.
Ein Gewissenskonflikt zwischen Recht, Ordnung, Dienst, Gerechtigkeit, Militär, Verpflichtung, Verantwortung, Gefühlen, Emotionen und Prioritäten entstehen. Gnadenlos ermittelt Terwort mit seinem Team in einem längst vergessenen und wieder entdeckten Fall, bizarre und erschütternde Abgründe tun sich auf.
Wird das KK11 den Bruch zwischen Vergangenheit und Krieg und Moral und Gerechtigkeit brechen? Werden Terwort und sein Team um Fechner und Frölich den Fall aufklären? Können sie für Gerechtigkeit sorgen? Kann Bönisch mit seiner Vergangenheit abschließen? Oder liegt das Fundament der Tötung an ganz anderen Orten und Zeiten?


Schreibstil:
Der Schreibstil des Autors besitzt eine gerade Linie. Autor Clemens-Peter Bösken schreibt die gute alte Kunst eines soliden Krimi. Anfangs wirkt es sehr trocken und starr, fast sachlich und protokollierend. Man könnte meinen, dass dieser Krimi etwas altmodisch und angestaubt daher kommt. Doch hat man sich erst einmal an diese längst vergessene solide Schreibkunst für einen Krimi gewöhnt, so wird man mit zwei Handlungssträngen einen Weg zwischen Historie und Moderne finden. Sehr gut hat der Autor diese Schwierigkeit für seinen Plot und seine Thematik gemeistert. Der ambitionierte Autor und berufliche Jurist und Richter Clemens-Peter Bösken würzt seinen Krimi mit den Begebenheiten der Nachkriegszeit um 1945, er lässt alte Taten wach werden, schildert die Vorfälle von einst und gibt Dinge aus dem Leben von Soldat Bönisch preis, die authentisch wirken und als Bittsteller für viele ehemalige Soldaten dient. Moral und Ethik. Geld und Macht. Bestechung und Erpressung...Der Autor Clemens-Peter Bösken greift gekonnt Vorkommnisse aus den Kriegs- und Nachkriegsjahren auf und koppelt seine spannenden Ermittlungen mit der modernen Ermittlungsarbeit des Jahres 2005. Das Morddezernat muss die Identität der Leiche bestimmen und zudem in allen erdenklichen Richtungen die Fühler ausstrecken, um an längst vergessene und vergangene Informationen und Zeitzeugen zu gelangen. Er verwebt Stücke aus 1945 in seinen aktuellen Fall, die gravierende private und berufliche Wendungen für Bönisch und auch für die Ermittlungen bedeuten. Der Autor Bösken besitzt neben dem schriftstellerischen Können, ein geballtes Wissen über Kriegsgeschichte, Archiven, Gesetz und Ordnung, Düsseldorfer Hintergründe, Polizeiarbeit, Erinnerung und Kultur, Moral und Glaube, Wissenschaft und Forschung. Hier merkt man, dass der Autor gute Recherche betrieben hat, und somit einen schlüssigen Krimi aufweisen kann. Gerne gibt er diese Eindrücke und das Wissen an die Leser weiter. Dieser Krimi liest sich eher wie ein guter alter Tatort-Krimi. Die Spannung und die Wendungen sind eher flach und fließend. Hier dominieren vorwiegend die Charaktere und die Thematik. Durch sein Knowhow schreibt er klar, überzeugt, selbstbewusst und lässt durch Realität und Entsetzen diesen Krimi so glaubwürdig wirken. Dennoch hätte ich mir insgesamt mehr Höhen und Tiefen im Bereich der Spannung und des Nervenkitzels gewünscht. So habe ich einen soliden und bodenständigen Krimi lesen dürfen, der dahin ermittelt und erst gegen Ende sagenhaftes Erstaunen im Mordfall bietet.

Charaktere:
Eine raffinierte Auswahl an Protagonisten und Charakteren begegnen wir hier in diesem Buch. Hier lernen wir Rollen und Nebenrollen aus allen Kulturschichten, Bildungsschichten, politisch und wissenschaftlich motivierte Kreise, unterschiedlichste Berufsfelder der Kripo und aber auch Charaktere mit unterschiedlich verlaufenden Vergangenheiten kennen. Hier schöpft der Autor aus den Vollen, und überzeugt durch seine Charaktere. Hauptkommissar Terwort und sein Team um Frölich und Fechner und Co. Erstaunlich viele Ermittler und Spezialeinheiten sind hier am Werk. Zunächst fühlte ich mich durch die Anzahl an Beamten fast erschlagen, aber nach und nach entsteht ein Bild einer runden und soliden Polizeiarbeit mit Höhen und Tiefen und einem Schuß Privatleben. Interessant ist dann natürlich der Blick in Bönischs Erinnerungen. Bönisch fristet seinen Alltag in einer Seniorenresidenz. Mit jeder neuen Pressemeldung und Zeitungsbericht bricht mehr und mehr die Nervosität in ihm aus. Er geht eine traumatische Vergangenheit und muss sich zu einigen Morden bekennen. Doch warum beunruhigt ihn dieser bestimmte Düsseldorfer Knochenfund so sehr? Ein ambitionierter Ermittler, der seinen Job ernst nimmt und für Gerechtigkeit sorgt, dafür geht er auch mal über Freundschaft und Befangenheit. Mit allen Mitteln und Wegen. An Terworts Seite, seine Frau Brigitte und seine Kollegen aus dem KK11. Ein Hauptprotagonist, die vielen Vize-Hauptprotagonisten und die schmückenden Nebendarsteller. Autor Clemens-Peter Bösken hat so viele Charaktere erschaffen, und bringt sogar ein Stück reale Geschichte mit realen Personen in die Story ein. Jeder der beschriebenen Protagonisten ist auf seine eigene Art speziell und dennoch gegensätzlich. Die Darstellung der handelnden Personen ist authentisch und personifiziert geschildert. So bekommt der Leser die Möglichkeit Handlungen zu verstehen und sich auch mit ihnen zu identifizieren.

Schauplätze:
Hier weiß es der Autor Clemens-Peter Bösken besonders zu glänzen, hier beschwört er eine unglaublich reale Atmosphäre der NRW Landeshauptstadt Düsseldorf hervor, er bietet Blicke in das Großstadtleben, der Idylle, ein Ausflug in die Polizeiarbeit und eine gedankliche und dokumentarische Reise in den zweiten Weltkrieg um 1945. Die einzelnen Schauplätze sind so vielzählig und flächendeckend wie das ganze Konstrukt an Problemen und Puzzleteilen für diesen Krimi und wie die einzigartigen Charaktere in dem Buch. Bizarre Orte, tiefe Abgründe, neue Welten, entsetzliche Kulissen, aber auch die gute biedere Gemütlichkeit und Geborgenheit einer einst heilen Familie kommen nicht zu kurz. Der Autor Clemens-Peter Bösken bietet dem Leser einen Blick in die Welt der Korruption, des Militär, des Krieges und der hiesigen Ermittlungen mit authentischer Behörde und Hierarchie, der Wissenschaft und der Analyse und in die Welt des Ermittlers und Hauptkommissars Terwort.

Meinung:
Dieser Krimi liest sich eher wie ein längst vergessenes Stück Krimikunst. Schon lange habe ich diesen soliden Stil nicht mehr gelesen, daher war meine Überraschung und Verwunderung zunächst groß. Nach einer etwas länger andauernden Aufwärmphase bin auch ich dann angekommen und war sogleich inmitten beider Handlungsstränge von 2005 und den Ermittlungen an den Knochenfunden und der Kriegszeit um 1945 gefangen. Sehr gekonnt verbindet der Autor beide Zeiten und verwebt Ereignisse und Recherche zu einem grundsoliden Krimigeflecht. Störend fand ich jedoch, dass fast jeder neue Absatz oder fast jedes neue Kapitel mit „Terwort sah, Terwort wollte, Terwort kam… usw beginnt. Hier schleicht sich ein Muster ein, welches sich bis zum Ende gefestigt hat. Das wirkt etwas stupide und starr. Genau wie der Schreibstil zunächst anmutet: starr, trocken und protokollierend. Wären die Thematik, die Handlung und vor allem die geschichtlichen Hintergründe so lehrend und spannend, vor allem in Bezug auf aktuelle Ermittlungen, so hätte ich womöglich meinen Lesespaß an dem Krimi verloren. Doch da gerade der Plot und die Historie so interessant und gut recherchiert waren, war ich doch auf eine bestimmte Art diesem Krimi verfallen. Mich beeindrucken besonders die intensive Recherche und das faktische Wissen des Autors. Sehr gelungen! Gerade das Team um den Hauptkommissar und auch um den sonderbaren Bönisch und seine privaten Einstellungen bieten genügend Stoff für einen guten und bodenständigen Krimi im Tatortgewandt. Fasziniert bin ich davon, wie es dem Autor gelingt, diese unzähligen Facetten, Themen und Eindrücke in einem Plot zu verarbeiten.
Dieser Krimi bedient viele Emotionen. Er wandert nicht nur auf der Schiene von Abscheu, Ekel und unhaltbarem Blutvergießen, nein dieser Krimi stößt an, weckt Gedanken auf, informiert und bewegt zum Sinnieren. Sprachlich sehr gewandt und von Intelligenz und Know how geprägt.
Eine gewisse Faszination, Empörung, Leid und Neugier packen den Leser und binden ihn an die Ereignisse. Das Buch schwächelt leider auch an bestimmten Punkten, die ich trotz meiner positiven Stimmung nicht ungenannt lassen möchte. Hier liegen dann auch die 2 Sterne Abzug. Der Schreibstil wird nicht jedermanns Sache sein, man muss auf einen trockenen und angestaubten Wortlaut gefasst sein, der spezielle Humor muss verstanden werden, viele Details und Umschreibungen müssen verarbeitet werden und ein zunächst verwirrender Auflauf an Ermittlern, Beamten und Spezialeinheiten sorgen für Wirrung und Undurchsichtigkeit. Zudem gibt es einige Muster des Schreibstils, die sich störend bis zum Ende durchziehen. Aber über diese Mankos kann ich gut hinwegsehen, da der Kern der Geschichte sehr unterhält, Wissen und Historie bietet und zum Nachdenken anregt. Gekonnt laufen zwei Handlungsstränge zueinander. Wäre das Buch nicht so geballt an Informationen, Hintergründen und Wissen, wäre es mir bestimmt etwas langatmig vorgekommen...

Cover / Buch:
Das Buch ist hochwertig und handlich verarbeitet. Das Schriftbild ist angenehm, die Kapitel nicht allzu lang.
Das Cover gefällt mir eher weniger, passt jedoch zum Programm des Verlages. Diese Krimis aus dem Hause Edition Oberkassel ergeben aneinander gereiht ein wunderbares Bild im Bücherregal. Das Cover passt zum Titel und der Titel zum Inhalt. In gelungenes Gesamtkonzept. .

Der Autor:
„Clemens-Peter Bösken, geboren 1946 in Düsseldorf, Jurastudium an der Universität Köln, Richter seit 1974 bis zur Pension im Jahr 2010 am Amtsgericht Düsseldorf. Verschiedene Buchveröffentlichungen: Düsseldorf-Krimis, Stadtgeschichten der Kriminalität (Tatort I und Tatort II), historische Themen (Siechenprozess 1712, Hexenprozess 1737), Lingustische Limericks … Diverse Lesungen, vorwiegend im Düsseldorfer Polizeipräsidium (allein oder mit Horst Eckert, Martin Schüller, Sylvia Kaffke), im zakk, sonst in Vereinen und anderen Orten. Zu „Tatort I“ und „Hexenprozeß “ auch Kurzverfilmungen im WDR. Der Autor ist verheiratet und Vater eines Sohns.

Clemens-Peter Bösken verstarb nach plötzlicher schwerer Krankheit im April 2015.“

Vielen Dank an den Verlag und allen Beteiligten, die dem Autor mit der Veröffentlichung seines Werkes postmortem ein Denkmal gesetzt haben! Eine wunderbare und sehr liebevolle Geste!!!

Fazit:
Hier erlebt man die gute alte Schule und eine solide Schreibkunst für einen Krimi der aktuelle Düsseldorfer Ermittlungen mit den Vorfällen der Nachkriegszeit um 1945 vereint. Spannend, erklärend, informativ, bodenständig und grundsolide. 3 Sterne für eine etwas abwechslungsreichere und andere Art des Krimi!
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