Colin Jones

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Lebenslauf

Colin Jones, geb. 1947, ist Professor für Geschichte an der University of London; zahlreiche Publikationen zur französischen Geschichte, insbesondere des 18. Jahrhunderts.

Quelle: Verlag / vlb

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Neue Rezensionen zu Colin Jones

Cover des Buches The Great Nation: France from Louis XV to Napoleon (Allen Lane History S.) (ISBN: 9780713990393)
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Rezension zu "The Great Nation: France from Louis XV to Napoleon (Allen Lane History S.)" von Colin Jones

Von Ludwig XV. zu Napoleon. Frankreich im 18. Jahrhundert
Andreas_Oberendervor 2 Jahren

In der angelsächsischen Welt und in Deutschland gibt es nur sehr wenige Gesamtdarstellungen zur Geschichte Frankreichs im 18. Jahrhundert. Für deutsche Leser ohne solide Französischkenntnisse ist es heutzutage nahezu unmöglich, sich tiefergehend und auf der Höhe des aktuellen Forschungsstandes mit diesem Abschnitt der französischen Geschichte zu beschäftigen. Die verfügbare Literatur, seien es Bücher aus der Feder deutscher Historiker, seien es übersetzte Werke, ist durchweg veraltet. Genannt seien zum einen die Geschichte Frankreichs in fünf Bänden, die in den 1980er Jahren im Kohlhammer-Verlag erschien, und zum anderen die siebenteilige Geschichte Frankreichs, die unter der Leitung von Jean Favier entstand und zu Beginn der 1990er Jahre von der DVA auf Deutsch herausgebracht wurde.[1] Solche aufwendigen verlegerischen Projekte sind in Deutschland schon seit langem nicht mehr möglich. Die Übersetzung geschichtswissenschaftlicher Literatur aus dem Französischen ins Deutsche ist im Laufe der letzten 15 Jahre komplett zum Erliegen gekommen. Auch wichtige Beiträge der anglophonen Frankreichforschung aus neuerer Zeit sind unbeachtet und unübersetzt geblieben. Ein gutes Beispiel ist das Opus magnum des britischen Historikers Colin Jones, "The Great Nation. France from Louis XV to Napoleon". Nach seinem Erscheinen 2002 hat das Buch hierzulande wohl nur bei der kleinen Gruppe der Historiker mit Frankreichspezialisierung Aufmerksamkeit gefunden. Kein deutscher Verlag hatte den Mut, das Werk übersetzen zu lassen, obwohl es mit seinem chronologischen und thematischen Zuschnitt eine Lücke auf dem deutschen Buchmarkt hätte füllen können. Jones spannt einen Bogen vom Tod Ludwigs XIV. im September 1715 bis zu Napoleons Staatsstreich vom 18. Brumaire Ende 1799. Das Buch behandelt somit fast das gesamte 18. Jahrhundert, die Hoch- und Spätphase der absoluten Monarchie ebenso wie die Revolution. Der großzügig bemessene chronologische Rahmen orientiert sich an einem Klassiker der anglophonen Frankreichforschung. Zwischen 1957 und 1965 veröffentlichte der britische Historiker Alfred Cobban (1901-1968) eine dreiteilige Geschichte des modernen Frankreich. Der erste Band umfasste die Jahre 1715 bis 1799. Colin Jones verfolgt das Ziel, die seit den 1960er Jahren inner- und außerhalb Frankreichs erbrachten Forschungsleistungen zusammenzufassen und den ersten Band von Cobbans Trilogie zu ersetzen. In seinem Buch spiegeln sich die vielfältigen Veränderungen, die unser Bild vom Ancien Régime und der Französischen Revolution in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfahren hat. Anders als zu Cobbans Zeiten gelten die Jahrzehnte zwischen dem Tod des Sonnenkönigs und der Revolution heute nicht mehr als chronische Dauerkrise, als trostlose Verfalls- und Niedergangsepoche, die zwangsläufig in den Untergang der Monarchie münden musste.

Das Buch ist in elf Kapitel gegliedert, die sich auf rund 580 Textseiten summieren. Drei Kapitel und fast 200 Textseiten entfallen auf die zehn Revolutionsjahre von 1789 bis 1799. Die Ausführungen über die Revolution sind mithin so umfangreich, dass sie als separates Buch hätten veröffentlicht werden können. Für Leser mit geringen Vorkenntnissen und für die Verwendung im universitären Seminarbetrieb ist das Werk nicht geeignet. Leider gibt es keine aktuellen Bücher von handlichem Format, die Studierenden und historisch interessierten Laien als Vorbereitungslektüre empfohlen werden könnten. Jones' Buch ist anspruchsvoll, ja herausfordernd. Für die Lektüre sind Ruhe und Konzentration nötig. Um den Inhalt angemessen verarbeiten zu können, sollte man sich für das Buch eine Woche Zeit nehmen und nicht mehr als zwei Kapitel pro Tag lesen. Der weitgespannte chronologische Rahmen und die Fülle der behandelten Themen zwingen Jones zu einem Höchstmaß an Verdichtung. Jeder Satz birst vor wichtigen Informationen. Die Analyse steht im Vordergrund; wenig Raum bleibt für narrative und anekdotische Elemente. Das Reflexionsniveau ist durchweg hoch. Vereinfachung und didaktische Reduktion darf man von Jones nicht erwarten. Schwierige und undankbare Themen (Stichwort: Jansenismus) werden in all ihrer Komplexität erörtert. Auch wenn er es in der Einleitung nicht explizit sagt, wendet sich Jones an ein Publikum mit breiter und zugleich tiefgründiger historischer Bildung. Aber gibt es solche Leser heute noch? Das Buch ist erst 20 Jahre alt, und dennoch erscheint es fraglich, ob es heute noch eine nennenswerte Zahl neuer Leser findet. Jones ist ein wortgewaltiger Autor. Seine beachtlichen darstellerischen Fähigkeiten passen zum ambitionierten Format des Buches. Gerade jüngere Generationen dürften jedoch vom sprachlichen Niveau des Textes überfordert sein. Die thematische Bandbreite tut ein Übriges, um die Lektüre zum anstrengenden Kraftakt werden zu lassen. Die politische Geschichte steht im Vordergrund. Doch auch die Sozial-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte finden Berücksichtigung. Es hätte wenig Sinn, einzelne Aspekte oder Themen herauszugreifen. Ein ganzer Essay wäre nötig, um dem Buch die Würdigung zukommen zu lassen, die es verdient. Jones beherrscht den Stoff meisterhaft, und er entwirft ein monumentales Panorama von den Entwicklungen und Umbrüchen, die Frankreich im 18. Jahrhundert erlebte. Wer sich näher mit diesem Abschnitt der französischen Geschichte beschäftigt, der wird dem Buch viele wichtige Erkenntnisse und Einsichten entnehmen können. 

Legt man das Werk aus der Hand, nachdem man es bewältigt hat, so stellt sich Wehmut ein. Das Goldene Zeitalter der anglophonen Frankreichforschung ist inzwischen zu Ende gegangen. Britische und amerikanische Historiker veröffentlichen heute nicht mehr so viele und so bedeutende Bücher zur Geschichte Frankreichs wie noch vor 20 oder 30 Jahren. Colin Jones' Buch ist ein Solitär geblieben. Seit 2002 sind im angelsächsischen Sprachraum keine anderen Gesamtdarstellungen erschienen, die denselben Zeitraum der französischen Geschichte abdecken. Auch Gesamtdarstellungen zu anderen Epochen und Jahrhunderten der französischen Geschichte sind Mangelware. Die "Fontana History of France" ist unvollendet geblieben, ein großes Unglück. Beachtung verdient in erster Linie Robert Knechts "The Rise and Fall of Renaissance France, 1483-1610" von 1996, der letzte jemals publizierte Band der Reihe. Unter den anderen geplanten Teilen war ein Band von Olwen Hufton über das 18. Jahrhundert. Da er nie erschienen ist, steht Colin Jones' Buch konkurrenzlos da. Die sechs Teile der "Short Oxford History of France", veröffentlicht zwischen 2001 und 2003, wurden von Autorenkollektiven verfasst und sind für den universitären Lehrbetrieb gedacht. In Deutschland ist die Literaturlage noch desolater. Eine systematische Beschäftigung mit der Geschichte Frankreichs auf der Grundlage aktueller Literatur ist heute bereits sehr schwierig und wird in einigen Jahren unmöglich sein. Nur zu wenigen Themen (Ludwig XIV., Revolution, Napoleon) gibt es eine nennenswerte Zahl von Büchern, die für Studierende und Laien geeignet sind. Deutsche Historiker mit Frankreichschwerpunkt schreiben keine Bücher, die inhaltlich seriös und zugleich gut lesbar sind und ein breites nichtakademisches Publikum anzusprechen vermögen. Populärwissenschaftliche Werke, zumeist Biographien, sind von mittelmäßiger Qualität (z.B. Johannes Willms) oder missraten und vollkommen unbrauchbar (z.B. Uwe Schultz). Die französische Geschichtswissenschaft ist ungemein produktiv, doch mangels Übersetzungen haben Deutsche keinen Zugang mehr zu ihren Leistungen. Wieviele Deutsche verfügen über so gute Französischkenntnisse, dass sie Arbeiten französischer Historiker im Original lesen können? Es steht zu befürchten, dass die Geschichte Frankreichs in naher Zukunft für Deutsche genauso fremdartig, rätselhaft und schwer durchschaubar sein wird wie die Geschichte Chinas. 

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[1] Wolfgang Mager, Frankreich vom Ancien Régime zur Moderne. Wirtschafts-, Gesellschafts- und politische Institutionengeschichte 1630-1830, Stuttgart (Kohlhammer-Verlag) 1980; Jean Meyer, Frankreich im Zeitalter des Absolutismus 1515-1789, Stuttgart (Deutsche Verlagsanstalt) 1990.

Cover des Buches Versailles (The Landmark Library, Band 11) (ISBN: 9781786693952)
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Rezension zu "Versailles (The Landmark Library, Band 11)" von Colin Jones

Vom Jagdhaus zum Residenzschloss zum Museum. Die Geschichte von Versailles
Andreas_Oberendervor 4 Jahren

Wer sich auf einen Besuch des Schlosses Versailles vorbereiten möchte, dem sei das Buch des britischen Historikers Colin Jones wärmstens empfohlen. Jones ist hierzulande kaum bekannt, doch in Großbritannien zählt er zu den führenden Experten für die Geschichte Frankreichs um 17. und 18. Jahrhundert. Die Darstellung ist kompakt, kenntnisreich geschrieben und vorzüglich lesbar. Eine deutsche Ausgabe, die es bislang nicht gibt, würde sicher viele Leser finden. Das Buch ist in ästhetischer Hinsicht ein kleines Schmuckstück. Der Verlag hat es geradezu verschwenderisch mit Bildmaterial ausgestattet. Jones spannt einen Bogen vom frühen 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart. In den mehr als 300 Jahren seiner Existenz hat das Schloss Versailles Höhen und Tiefen erlebt. Von 1682 bis zur Revolution diente es als Königsresidenz, Regierungszentrale und Bühne für die prachtvolle Inszenierung der Monarchie. Seit dem unfreiwilligen Umzug der Königsfamilie nach Paris im Herbst 1789 wurde Versailles nie wieder bewohnt. Im 19. Jahrhundert wechselte Frankreich mehrfach die Staatsform. Es erwies sich als schwierig, das übergroße Schloss sinnvoll zu nutzen. Versailles wurde vernachlässigt und drohte zu verfallen. Erst um 1900 setzte sich die Auffassung durch, dass Versailles ein historisch bedeutsames und erhaltenswertes Baudenkmal sei. Der langjährige Schlossdirektor Pierre de Nolhac, ein energischer und weitsichtiger Wissenschaftsmanager, stellte die Weichen für die Zukunft. Nolhacs konzeptionelle Überlegungen sind bis heute maßgeblich. Seit über hundert Jahren investieren der französische Staat und private Mäzene systematisch in die Instandhaltung und Restaurierung des Schlosses. In Versailles wird wissenschaftliche Forschung betrieben, und seit den 1950er Jahren gehört der Palast zu den wichtigsten Touristenmagneten Frankreichs.

 Keimzelle des Schlosses war ein Jagdhaus, das Ludwig XIII. um 1620 in dem Dorf Versailles südwestlich von Paris erbauen ließ. Obwohl die natürlichen Gegebenheiten alles andere als optimal waren, entschied Ludwig XIV., in Versailles seine neue Hauptresidenz zu errichten. Innerhalb von 20 Jahren verwandelte er das Jagdhaus seines Vaters in die größte Palastanlage Europas. Für den Bau des Schlosses und die Gestaltung der weitläufigen Gärten und Parks waren Arbeiten nötig, wie sie die Welt seit den Tagen der Pharaonen nicht mehr gesehen hatte. Zeitweise waren bis zu 20.000 Arbeiter auf der riesigen Baustelle tätig. Mehr als 130.000 Bäume wurden gepflanzt. Im 18. Jahrhundert diente Versailles als Vorbild für zahlreiche Schlossbauten in ganz Europa. Die Baugeschichte und die künstlerische Ausgestaltung des Schlosses stehen im Mittelpunkt des ersten Kapitels. In den Kapiteln 2 bis 4 beleuchtet Jones aus verschiedenen Blickwinkeln das höfische Leben in Versailles unter dem Sonnenkönig und seinen beiden Nachfolgern, Ludwig XV. und Ludwig XVI. Er berücksichtigt auch die Menschen, die im und am Palast arbeiteten und in seinem Schatten wohnten: Dienstpersonal, Handwerker, Künstler. In unmittelbarer Nachbarschaft des Schlosses entwickelte sich das Dorf Versailles zu einer prosperierenden Großstadt. Das wird allzu oft übersehen. Schloss und Stadt waren einander in enger Symbiose verbunden. Nach Beginn der Revolution verlor die Stadt schlagartig mehr als die Hälfte ihrer rund 70.000 Einwohner. In den beiden letzten Kapiteln schildert Jones die Geschichte des Schlosses im 19. und 20. Jahrhundert. Versailles erlangte seine einstige Bedeutung nicht zurück. Nur zweimal noch sorgte es für Schlagzeilen: Mit der Proklamation des Deutschen Kaiserreiches im Januar 1871 und mit dem großen Friedenskongress von 1919 nach Ende des Ersten Weltkrieges.

 Mag das Buch auch kleinformatig und vergleichsweise schmal sein, so bietet es doch faszinierende Einblicke in die Geschichte des Schlosses Versailles. Das Buch gehört ins Reisegepäck eines jeden Geschichtsfreundes, der sich auf den Weg nach Versailles macht.     

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