Cover des Buches Brooklyn (ISBN: 9783446235663)
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Rezension zu Brooklyn von Colm Tóibín

Unspektakulär und doch hochdramatisch

von JulesBarrois vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Ein raffinierter und subtiler Roman, in dem Tóibín mit großer Kunst eine so einfache Geschichte bescheiden erzählt.

Rezension

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JulesBarroisvor 9 Jahren

Eilis findet keine Arbeit in Irland. Sie wohnt im Hause der Mutter zusammen mit der geachteten und erfolgreichen Schwester Rose. Ihr Vater ist bereits verstorben und ihre Brüder in arbeiten England. Rose arrangiert ein Treffen mit einem irischen Geistlichen aus der Brooklyner Gemeinde, der zu Besuch ist. Er verspricht Rose, für Eilis sowohl Arbeit als auch ein berufliches Weiterkommen in der Neuen Welt arrangieren zu können. Dem stimmen Mutter und Schwester zu, ohne dass Eilis besonders gefragt würde.

In Brooklyn wird Eilis aktiver Teil einer Integrationsgeschichte: Sie bekommt Kost und Logis in einem Haus mit anderen Immigrantinnen, sie bekommt eine Anstellung in einem italienischen Modehaus, sie geht in einen Abendkurs mit anderen Immigranten aus unterschiedlichen Nationen. Sie behält ihren irischen Bezugspunkt in der Gemeinde, lernt jedoch auf einem Tanzabend ein italienischer Einwanderer der zweiten Generation kennen.

Eilis gewöhnt sich zunehmend an den Lebensrhythmus und die Gepflogenheiten der neuen Heimat. Und vieles läuft trotz Anfangsschwierigkeiten in eine gute Richtung. Bei einem Besuch bei der Mutter in Irland, versucht diese, die Tochter zurück in die alte Welt zu ziehen. Aber Eilis wird schmerzhaft klar, dass sie nicht mehr zurück kann. Ihre innere Entscheidung für das neue Leben ist gefallen und sie macht sich auf den Weg zurück nach Brooklyn, auch wenn es der Mutter das Herz bricht.

Tóibín erzählt die Geschichte von Abhängigkeit, Furcht und Liebe der Hauptperson, die nicht eine Selbstverwirklichung erlebt, sondern sich, unempfänglich für Kategorien wie Freiheit, Schönheit oder Romantik, von einer Abhängigkeit in die nächste begibt.

So schafft er durch die zartfühlenden Schilderung ihrer Seelenqualen und -freuden ein Porträt, in dem sich manch andere Frau auch heute noch wieder erkennen kann - eine Existenz, hin- und hergerissen zwischen ihrer großen Liebe, dem Traum eines eigenen Lebens und der Verantwortung für die eigenen Herkunftsfamilie.

Tóibín schreibt glaubwürdig und unkonstruiert, sehr genau und geradlinig, aber immer diskret. Er kommt gänzlich aus ohne Klischees, ohne Zeigefinger und Rührseligkeit und ohne das Drama, obwohl die Handlung dramatischer nicht sein könnte.

Für mich ein raffinierter und subtiler Roman, in dem Tóibín mit großer Kunst eine so einfache Geschichte derart bescheiden erzählt und uns dabei doch sämtliche Gefühlslagen der Hauptfigur in der Fremde vermittelt.

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