Cover des Buches Brooklyn (ISBN: 9783446235663)
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Rezension zu Brooklyn von Colm Tóibín

Rezension zu "Brooklyn" von Colm Tóibín

von WinfriedStanzick vor 12 Jahren

Rezension

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WinfriedStanzickvor 12 Jahren
In einer dichten und dennoch leichten, immer unprätentiösen Sprache beschreibt der preisgekrönte irische Schriftsteller Colm Toibin das junge Leben der irischen Frau Eilis Lacey. Toibin hat sie in seinem eigenen Heimatort Enniscorthy im Süden Irlands zur Welt kommen und aufwachsen lassen. Die Geschichte beginnt in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Eilis ist Anfang zwanzig und lebt mit ihrer Mutter und ihrer von ihr bewunderten großen Schwester Rose zusammen und hat gerade in Miss Kellys Laden eine Arbeit gefunden, mit der sie etwas Geld verdienen und zum Lebensunterhalt der Familie beitragen kann. Mit Freunden geht sie an Freitag- oder Samstagabenden aus und weiß noch nicht so recht, wie sie sich ihr Leben vorstellt. Sie ist klug, wissbegierig und von schneller Auffassungsgabe. Der sonntägliche Besuch der Messe und die Moralvorstellungen der irischen katholischen Kirche sind nach wie vor Bestandteil eines jungen Frauenlebens, das aber schon ganz zu Beginn des Buches nach mehr sich sehnt. Als der aus Enniscorthy stammende und in New York arbeitende Priester Father Flood auf einem Heimatbesuch die mittlerweile erwachsene Eilis trifft, die er als Mädchen kennen gelernt hat, vermittelt er mit kräftiger Unterstützung von Rose der jüngeren Schwester eine Arbeit in Brooklyn. Eilis kann gar nicht anders als zuzusagen, obwohl sie weiß, dass diese Entscheidung bedeutet, dass Rose für immer sich um die verwitwete Mutter wird kümmern müssen und keine eigene Familie wird gründen können. Bei Mrs. Kehoe, von der sich später herausstellt, dass sie sich in der Gegend um Enniscorthy sehr gut auskennt und dorthin nach wie vor Verbindungen hat, bekommt Eilis ein Zimmer, und im Kaufhaus von Mr. Bartocci, einem Freund von Father Flood, eine Stelle als Verkäuferin. Der Roman beschreibt nun mit einer für Colm Toibin typischen Sprache, sehr genau, aber immer diskret das Leben von Eilis in Brooklyn. Die anderen jungen Frauen, die ebenfalls in Mrs. Kehoes Haus wohnen, ihre Arbeit, ihre erfolgreichen Bemühungen in einer von Father Flood angeregten Weiterbildung in Buchhaltung. Und zart und liebevoll fast schildert er Eilis’ erste richtige Liebe, als sie Tony kennen lernt. Alles deutet darauf hin, dass sie irgendwann ein Ehepaar werden, als Eilis eine für sie furchtbare Nachricht erhält aus der irischen Heimat, die sie zurücktreibt. Sie spürt, dass alles auf dem Spiel steht und auch Tony stirbt bald vor Angst, sie könne nie mehr zu ihm zurückkehren … „Brooklyn“ ist ein beeindruckender Roman voller Poesie, der nicht nur ein klassisches Emigrantenschicksal beschreibt, sondern in der Figur der Eilis und der zartfühlenden Schilderung ihrer Seelenqualen und – freuden ein Porträt geschaffen hat, in dem sich manch andere Frau auch heute noch wieder erkennen kann – eine Existenz, hin- und hergerissen zwischen ihrer großen Liebe, dem Traum eines eigenen Lebens und der Verantwortung für die eigenen Herkunftsfamilie.
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