Im vorliegenden Roman Colum McCanns „Twist“ geht es um die Verwandlung eines Mannes. Um den Twist. Einst schützte er die Allgemeinheit, dann versucht er, ihr Schaden zuzufügen.
Der Ich-Erzähler Anthony Fennell ist ein gescheiterter Mensch, ein Zerbrochener, als diesen begreift er sich nach eine Weile an Bord der George Lecointe widerwillig. Seine Ehe scheiterte, seinen Sohn gab er auf, je nach Lesart, mehr oder weniger bereitwillig, in seinem Beruf als Autor und Journalist ist er nur mittelmäßig und er ist Alkoholiker. Als er die Chance bekommt, auf einem Reparaturschiff für gebrochene Datenübermittlungskabel in der Tiefsee mitzufahren, ergreift er sie als willkommene Gelegenheit, dem Alkohol abzuschwören und mit sich ins Reine zu kommen.
Der Kommentar und das Leseerlebnis:
Die Teile des Romans, die sich mit der Funktion der Datenkabel Untersees beschäftigen, mit der Natur, mit dem Thema Internet und Menschheitsleistung, sind sehr gelungen. McCann ist ein Wortvirtuose und kann Atmosphäre und Verdichtung!
Die Teile des Romans indessen, die mit der inneren Unsicherheit des Mannseins zu tun haben, sich dem Gejammer Grönemeyers „Männer habens schwer“ widmen, sind mit Vorbehalt zu genießen.
Beim Thema „vom Loyalisten zum Terroristen“ bleibt McCann naturgemäß vage. Wer kann es auch wissen, wie es zu Selbstmordattentaten kommen kann und wie sich zum Beispiel ein Märtyrer fühlt. Da Colum McCann sich dieser Unzulänglichkeiten seines Sujets jedoch durchaus bewusst ist, und sie sogar thematisiert bis hin zur Darstellung des Problems, wie man Informations-Bruchstücke im Schreibprozeß zu einem stimmigen Ganzen zusammenfügen könne (muss ich nicht wissen, wie man das macht), kann man diese Bruchstückhaftigkeit ihm wohl kaum vorhalten.
Colum McCanns hohe Kunst der Beschreibung blitzt auf in grandiosen Naturbeschreibungen. Und das Thema „Datenkabel im tiefen Ozean“ ist zunächst per se faszinierend für den Leser. Wer macht sich schon darüber Gedanken, dass die meisten Impulse unseres digitalen Lebens keineswegs durch Satellitenübertragung passieren, sondern durch die Glasfaserkabel transportiert werden, die im Meeresgrund liegen. Dort sind sie den Unbilden der Natur ausgesetzt – und dem Terrorismus. Kabel können reißen oder sabotiert werden und dann müssen sie von mutigen und fähigen Menschen repariert werden. Es ist eine harte Arbeit, die an den Nerven zehrt. Dieser Teil des Romans ist hochspannend. Leider zu kurz.
Fazit: Ich verstehe die Probleme, die (junge) Männer angeblich mit sich selber haben nicht. Warum noch mal muss man saufen entweder bis zur Bewusstlosigkeit oder bis zur Sucht, wenn man nicht mehr klar kommt und mit der Faust in den Spiegel schlagen? Diese Mannhatsschwer-Seite des Romans hat mich völlig kalt gelassen und führt zu Punktabzug. Der Rest und der höchst eigenwillige Stil, mit innovativen Sprachbildern, die mal mehr und mal weniger gelungen sind, die Geschichte auf See, überzeugt.
Kategorie: Anspruchsvoller Roman
Verlag: Rowohlt 2025