Cover des Buches Der Himmel unter der Stadt (ISBN: 9783499226960)
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Rezension zu Der Himmel unter der Stadt von Colum McCann

Von Himmeln und Höllen

von Babscha vor 9 Jahren

Rezension

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Babschavor 9 Jahren

Alles beginnt und endet in Dunkelheit. In der Dunkelheit der U-Bahntunnel unter New York. Dort, wo sich Menschen aufhalten, immer schon aufgehalten haben, vom Tage an, seit die Röhren zu Beginn des letzten Jahrhunderts unter unsäglichen Mühen und Gefahren durch den Fels getrieben wurden. Von Mineuren, hartgesottenen Burschen, die das Tageslicht gegen ein paar Dollar zum Überleben eintauschen, um sich und ihre Familien über dem Wasser zu halten, unter dem sie sich täglich ein Stück hindurcharbeiten. Einer von ihnen ist Nathan Walker, ein Schwarzer, Hauptfigur des Buches.

Siebzig Jahre später sind es andere Typen, die die endlosen dunklen Schächte unter der Stadt bevölkern. Gescheiterte, Geschlagene, Junkies. Menschen jeder Couleur, die sich, jeder aus seinen ureigensten Gründen, aus der Zivilisation in die untere Etage verabschiedet, sich unsichtbar gemacht haben. Abgetaucht in eine brutale, gesetzlose Welt, wo jeder auf sich selbst gestellt ist, wo man ohne ausgeprägte Überlebensinstinkte nicht lange durchhält. Und einer von ihnen ist Treefrog, ein Einzelgänger, der nur mit seiner Katze in den Tiefen dieser Welt lebt. Er ist der andere wichtige Protagonist.

McCann spannt in der für ihn typischen abgeklärten Erzählweise in seinem Roman einen Bogen über fast das gesamte 20.Jahrhundert, er berichtet vom Werden und Wachsen dieser außergewöhnlichen Stadt, von der Unbeugsamkeit und Härte ihrer Bewohner genau so wie von kleinen zutiefst menschlichen Episoden, in denen das wahre Glück nur im Kleinen, in der Familie oder in der fest verschweißten Gemeinschaft der Kumpel unter Tage zu suchen und zu finden ist. Mit seinem untrüglichen Gespür für die ganze Wucht der sich aus fast schon beiläufig erzählten Geschehnissen im Leben von Menschen selbst entwickelnden Tragik lässt der Autor die verschachtelten, oft dramatischen und überwiegend traurigen Begebenheiten des Romans über mehrere Generationen der Familie Walker hinweg in ständig wechselnden Zeitebenen langsam aber stetig aufeinander zulaufen, so lange, bis sie sich zuletzt dann tatsächlich treffen und der ganze Roman seine wahre Bedeutung erlangt.

Ein Buch, das in seiner Vielschichtigkeit einfach nicht in wenigen Worten wiederzugeben ist und das sich in ruhigen, intensiven Lesestunden am besten offenbart. Und es ist nicht zuletzt wieder eine gleichermaßen großartige wie offenkundige Liebeserklärung McCanns an sein New York, der man sich unwidersprochen einfach anschließen möchte.
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