Als ich vor 3 Jahren zum ersten Mal einen Auftritt von Conchita Wurst gesehen hatte, konnte ich mir nicht vorstellen, dass mein Interesse für diese Figur so hoch steigt, dass ich sie fast lieben werde. Oder besser: ohne „fast“. Damals fand ich das alles sehr skurril und ihre Interpretation von „My heart will go on“ (das wohl bekannteste Lied meiner Lieblingssängerin Celine Dion) hat mich keineswegs berührt. Doch dann kam „Rise like a Phoenix“, und noch bevor Conchita mit diesem Lied ESC-Zuschauer eroberte, wusste ich, dass es der Anfang einer neuen Liebesgeschichte war.
Die letzten Jahre beobachtete ich, wie sich Conchita entwickelte. Mich faszinierte, wie sie mit dem Publikum umgeht. All die Geschichten rund um die Mode, die sehr oft überrepräsentiert werden, waren für mich uninteressant, dafür aber das, was die bärtige Frau sagte. Als ihre (Auto-)Biografie erschien, landete sie auf meiner Wunschliste und nun ist sie gelesen.
Erst mal zur optischen Gestaltung. Knapp 70 Seiten mit den Bildern, die den Aufstieg der österreichischen Künstlerin zum Star zeigen, habe ich mir gerne angeschaut. Es sind schöne Bilder. Da ich aber kein echter Fan bin, hat mir das einmalige Betrachten der Fotos gereicht. Schön! Aber mich interessierte von Anfang an der Inhalt, was Conchita schrieb und wie. Denn ihre Reden während der Konzerte oder bei anderen Auftritten, die man auf youtube finden kann, fand ich hörenswert. Die Art, wie sie spricht, wie sie ihre Gedanken in Worte fasst, und natürlich was sie spricht. Aber als ich das Buch las, hatte ich das Gefühl, hier stimmte irgendwas nicht. Das klang nicht ganz nach Conchita, die ich kannte. Und der Blick auf die Seite 1 zeigte mir eine mögliche Erklärung: Das Buch wurde vom deutschen Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur Daniel Oliver Bachmann aufgeschrieben und erzählt. Also ist das für mich eher eine Biografie, statt Autobiografie. Ich weiß nicht, wie viel von dem, was man im Buch liest, tatsächlich von Conchita bzw. Thomas Neuwirth stammt und was dem Schriftsteller Bachmann gehört. Aber ich hatte nicht das Gefühl, ein Buch von Conchita zu lesen.
Ich habe die Biografie (etwa 110 Seiten Text) in ein paar Tagen verschlungen, aber das Gefühl danach war nicht die Begeisterung, die ich erwartete. Ich fand darin so gut wie nichts, was ich nicht mittlerweile aus der Presse oder dem Internet wusste. Ohne ein Riesenfan zu sein. Das Buch blieb für mich weniger persönlich oder intim, als die meisten Leser in ihren Rezensionen loben. Oder waren meine Erwartungen viel zu groß? Auch der ganz besondere Humor von Conchita, den ich von ihren Live-Auftritten kannte, vor allem wie sie das sprachlich umhüllt, fand ich im Buch leider nicht. Und gerade das ließ mich denken, dass der sprachliche Einfluss des Schriftstellers hier größer war als die ursprüngliche faszinierende Art der Künstlerin. Der Charme ging beim Aufschreiben irgendwie verloren.
Insgesamt ist es ein gutes Buch, ohne Zweifel lesenswert für Fans und Nicht-Fans, aber ein bisschen mehr Conchita, ein bisschen mehr Authentizität hätte ich mir hier schon gewünscht.