Rezension zu "11. September, Geschichte eines Terrorangriffs" von Stefan Aust
Das Buch behandelt den Terrorangriff an sich, das Schicksal zahlreicher Opfer und die Islamisten.
Ich habe viel geweint als ich das Buch las.
Quelle: Verlag / vlb
Das Buch behandelt den Terrorangriff an sich, das Schicksal zahlreicher Opfer und die Islamisten.
Ich habe viel geweint als ich das Buch las.
Bereits auf den ersten Seiten des Vorworts fühle ich mich von diesem Buch gepackt. Das hängt neben dem Erzählfluss an Sätzen wie: „... er vor zwei Wochen aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Die Ärzte suchen in seinem Körper immer noch nach den Schäden, die der Eindringling angerichtet hat, in der Leber, im Darm, überall.“ Und: „Dieses Virus, das nicht heimtückisch sein kann, weil es kein Lebewesen ist, dieses Virus zerstört ...“, denn damit wird unser Erschrecken, unsere Hilflosigkeit, überaus treffend beschrieben.
Doch Cordt Schnibben, der Verfasser dieses Vorworts, belässt es nicht beim genauen und nüchternen Beschreiben, er fasst auch in Worte, was meines Erachtens der Kern dessen ist, was gerade geschieht: „Das Virus ist im doppelten Sinne ein innerer Feind: Er attackiert unsere Körper, und er attackiert unser Denken; er attackiert unser Leben, auch wenn wir überleben. Das Virus entfacht einen inneren Bürgerkrieg: Der besorgte Bürger in uns kämpft mit dem sorglosen Bürger. Wer sich diesen Streit nicht eingesteht und nach aussen entweder als Propagandist für den radikalen Shutdown oder für die rücksichtslose Rückkehr zur Normalitätauftritt, belügt sich.“
Es herrscht eine viel grundlegendere Krise als gemeinhin angenommen. Es gilt sich umzugewöhnen, denn politics as usual funktioniert nicht mehr und die Annahme, der Mensch wisse, was er tue (die nie etwas anderes war als eine Wunschvorstellung) erweist sich als nachgerade absurd. Corona plädiert für den informierten Bürger; „Aus Bürgern wissende Staatsbürger zu machen, die so viel Wissen haben, dass sie ein Leben mit dem Virus hinbekommen, dabei möchte dieses Buch helfen.“
Corona erzählt die Geschichte von den Anfängen des Virus beziehungsweise dessen Übertragung auf den Menschen sowie seiner Ausbreitung. Dies geschieht mittels Journalismus als storytelling, das meint einer faktenbasierten Geschichte, die unterhalten und Sinn machen soll – das ist sehr gut gelungen, das Ganze liest sich wie ein Thriller.
Warnungen vor einer Pandemie gab es lange vor deren Ausbruch genauso wie untaugliche Krisenpläne. Dem Menschen scheint es schlicht nicht gegeben, langfristig zu denken, trotzdem reagierten einige Staaten so wie es Medizinhistoriker (meine bislang wichtigste Quelle in Sachen Pandemie) empfehlen: Unverzüglich das Virus isolieren plus Handhygiene, Abstand, Masken. Höchst effizient ist Taiwan vorgegangen: Eine streng kontrollierte 14-tägige Heimquarantäne für sämtliche Einreisenden aus Risikogebieten und Kontaktpersonen von Infizierten. Die Regierung zahlt pro Tag 50 Euro für Heimquarantäne, sofern die Betroffenen diese ohne Problem zu machen durchstehen. Happige Bussen bei Irreführung der Behörden.
In einer von der Vernunft regierten Welt, würde Taiwan als Vorbild gelten. Das Laisser-Faire, etwa der Schweizer Regierung, die so tat, als kennen das Virus Kantonsgrenzen, wirkt demgegenüber in höchsten Grade inkompetent. Einige Politiker wussten jedoch sehr genau, was zu tun war. Kaum wurde der amerikanische Senat vom CDC, dem Center for Disease Control in Atlanta, im Januar war das, über die bevorstehende Pandemie informiert, verkauften vier Senatoren ihre Aktienpakete.
Was Corona für mich so faszinierend macht, ist, wie Wissenschaft und Politik, Flugverkehr und Ignoranz, Machtstreben und Forschung zusammenhängen, ja, wie so recht eigentlich, alles miteinander in Verbindung steht. Am allermeisten fesselt mich, der ich bislang von Virologie und Epidemiologie nur gerade die Namen kannte, was es da alles zu entdecken gibt. Eine völlig neue Welt tut sich da auf. „Viren sind die einzigen Rivalen um die Herrschaft auf diesem Planeten. Sie suchen nach Nahrung – und wir sind ihr Stück Fleisch.“ (Joshua Lederberg, Nobelpreisträger für Medizin).
Ich gehöre zu denen, die gar nicht wissen, was Viren eigentlich sind. Und bin froh um Aufklärung wie diese: „Viren haben keinen eigenen Stoffwechsel. Deswegen nutzen sie den des Wirtes, etwa den menschlicher Zellen, um sich massenhaft zu vermehren.“ Doch wie stoppt man die Verbreitung? Eine Möglichkeit ist, die Eingangstür (ein Molekül an der Oberfläche der Zelle) zu verriegeln, denn wenn sie diese durchschritten haben, starten sie umgehend ihre eigene Vermehrung, meist in den Lungen- und Rachenzellen. „An all diesen Schlüsselstellen können Medikamente wirken.“
Man erfährt viel Aufschlussreiches in diesem Buch. Immer wieder stosse ich auf Erklärungen, die entweder einen Aha-Effekt auslösen (etwa dass 'Quarantäne' von italienische Begriff für '40 Tage ' stammt – der Wartezeit während der Pest, bevor die Seeleute, falls sie dann immer noch gesund waren, von einer Insel aufs Festland übersetzen durften.) oder mich darin bestätigen, was ich immer schon wusste: „Man muss für Fehler und Pannen immer Einzelne finden und abstrafen; die Systemfrage darf nicht gestellt werden.“ Das ist nicht nur in China, sondern auf der ganzen Welt so. Und immer wieder lese ich von Einzelnen, die einen Unterschied machen. Wie etwa der Landrat Stephan Pusch aus Heinsberg, der an Xi Jinping schrieb, er brauche dringend Masken – und auch 15.000 erhielt
Corona lehrt einen auch, was die Geschichte, sollte sie uns denn etwas lehren können, immer wieder lehrt: Dass Regierungen mit Unerwartetem völlig überfordert sind. Die junge chinesische Journalistin Yu Liping (ein Pseudonym) notierte am 25. Januar in ihr Tagebuch: „Volk und Regierung fahren auf zwei parallelen Gleisen (...) Es gibt inzwischen alle möglichen Helferteams (...) Ärzte verzichten inzwischen auf Essenspausen, weil man, sobald man den Schutzanzug einmal ausgezogen hat, einen neuen bräuchte – und den gibt es nicht.“ Don't follow leaders, sagte bekanntlich John Lennon.
Ich bin eigentlich recht gut informiert in Sachen Covid-19. Das denke ich zwar nach wie vor, doch bin ich gleichzeitig überrascht, wie viel mir entgangen ist. Dass etwa die Covid-19-Todesrate in New Orleans doppelt so hoch war wie in New York, ist völlig an mir vorbei gegangen. Auch über die Sicherheit von Schutzmasken habe ich mir kaum Gedanken gemacht. „Doch selbst wer eine Maske trägt, ist nicht zu 100 Prozent geschützt. In Deutschland werden sich 6.400 Pfleger und Ärztinnen mit dem Virus anstecken. In den nächsten sechs Wochen werden acht von ihnen trotz Mundschutz sterben“. lese ich unter der Datumszeile vom 8. März.
Zahlreiche Autoren haben zu dieser eindrücklichen Geschichte eines angekündigten Sterbens beigetragen, die unter Hochdruck entstanden sein muss, weshalb es denn auch gelegentlich zu Überschneidungen gekommen ist (der Fall Jim Bello, zum Beispiel). Der letzte Eintrag stammt vom 24. Mai; ergänzt wird der Text durch eine Analyse der 16 grössten Corona-Mythen sowie ein Glossar.
Fazit: Packend, lehrreich und nützlich.
Diesen Satz überliest man vielleicht auf Seite 213 dieses Buches, aber in ihm steckt eine tiefe, wenn auch nicht besonders sympathische Wahrheit über menschliches Handeln, die genau aus diesem Grund nicht gerne ins Rampenlicht gerückt wird. Wenn es um die Finanzkrise geht, dann stellt man in der öffentlichen Wahrnehmung lieber die Gier böser Banker in den Mittelpunkt. Das ist einfacher, griffiger und trifft Leute, die sowieso nicht besonders beliebt sind.
Der Satz stammt aber von einer amerikanischen Mittelstandsfamilie, die dachte, man könne ohne großes Eigenkapital Häuser kaufen, nebenbei auf großem Fuß leben und durch ewig steigende Häuserpreise sorglos reich werden. Die ökonomische Wirklichkeit kann man vielleicht eine Weile verdrängen, doch sie ist unbarmherzig und holt früher oder später jeden ein, der glaubt, sich ihr entziehen zu können.
Im "Billionenpoker" werden Aspekte der Finanzkrise durch die Brille von Reportern des "Spiegel" betrachtet. Leser dieser Zeitschrift brauchen es nicht zu kaufen, denn es enthält in vier Kapiteln bereits bekannte Spiegel-Artikel. Zunächst geht es um eine Beschreibung, wie Finanzmärkte angeblich reagieren. Dann werden die Eurokrise und insbesondere das griechische Problem geschildert. Der Entstehung der US-Kreditblase ist das dritte Kapitel gewidmet. Und schließlich befasst sich der letzte Artikel mit der Frage, warum die Kreditblase die Demokratie ruiniert.
Das Buch besitzt eine Vielzahl von Autoren, was seine Qualität gewissen Sprüngen aussetzt. Gelegentlich kommen einige dieser Autoren den wirklichen Zusammenhängen dicht auf die Spur, in anderen Fällen werden hingegen die richtigen Fragen leider einfach nicht gestellt oder Zusammenhänge ausgeblendet.
Statt sich beispielsweise mit einem hochgespielten, aber bedeutungslosen Streit zwischen Angebots- und Nachfrageökonomen zu beschäftigen, hätten sich die Autoren besser mit Frage auseinandersetzen sollen, warum inzwischen die Großbanken ganze Volkswirtschaft dominieren können. Hier liegt nämlich eine Ursache aller Finanzprobleme der letzten Jahre. Wohlfahrtsstaaten und Banken brauchen einander, um Schuldorgien durchziehen zu können. Und nirgends ist so deutlich wie in den USA, dass inzwischen auch eine offene personelle Verflechtung zwischen Staat und Banken existiert. Sie macht eine Zombie-Wirtschaft erst möglich, in der die Steuerzahler ungefragt für ökonomisches Versagen und Zockerei zur Kasse gebeten werden.
Im ersten Kapitel versuchen die Autoren ihren Lesern zu schildern, wie die Finanzmärkte angeblich funktionieren würden. Dazu besuchten sie einige Tage vor einem EU-Gipfel einen Hedgefond in Texas, die Bundesbank, Aktien- und Anleihehändler, die BaFin und einen Devisenhändler. Durch einen aufgeregt hin und her springenden Reportagesalat versuchen sie die hektischen Reaktionen der Finanzmärkte zu simulieren. Tiefer gehende Einsichten vermittelt das jedoch nicht.
Einzig der besuchte Hedgefondmanager kommt mit wirklich treffsicheren Aussagen zu Wort. Doch an seinem wirtschaftlichen Realismus hängt man das Adjektiv "eiskalt", was überrascht, denn bisher kannte man nur eiskalte Verbrecher, aber keine eiskalten Realisten. Den dauerhaften Rettungsschirm EFSF hält jener Manager für "eine sagenhaft dumme Idee". Er findet es witzig, dass verschuldete Staaten einen Fond gründen, um ihre Schuldenprobleme zu lösen. Und die Pointe wäre, dass der am höchsten verschuldete Industriestaat (Japan) sich sofort daran gemacht habe, Anteile zu kaufen.
Der gesunde Menschenverstand sollte uns doch sagen, dass man Schulden nicht durch neue Schulden beseitigen kann. Gerade das aber ist die geniale Strategie hinter all diesen Rettungs- und Stimulierungsprogrammen. Immerhin kommen einige der Autoren dahinter, dass damit nur eine Blase nach der anderen fabriziert wird, bis das Drama so groß geworden ist, dass es nicht nur an die finanzielle Substanz geht, sondern auch allgemein akzeptierte Vorstellungen, wie moderne Industriegesellschaften funktionieren sollten, über den Haufen geworfen werden. Damit befasst sich insbesondere das letzte Kapitel.
Der beste Teil schien mir jedoch der Abschnitt über die Eurokrise zu sein, weil dort eindeutig klar gestellt wird, dass mit dem Euro von Anfang an politische Ziele verfolgt wurden, für die Vertragsbrüche oder das permanente Kappen wesentlicher Stützpfeiler der ganzen Währungs-Konstruktion in Kauf genommen wurden, weil sie in Wirklichkeit nur zur Verschleierung des eigentlichen Ziels existieren. Am Beispiel Griechenlands kann man das hervorragend erläutern. Und das tun die entsprechenden Autoren auch.
Auch im Kapitel über die US-Kreditblase zeigen sich beim genauen Lesen die politischen Hintergründe dieser Katastrophe. Nicht die immer vorhandene menschliche Gier, sondern eine völlige Deregulierung von Märkten, ungehemmtes Geldschöpfen der Notenbanken, planwirtschaftliches Manipulieren an Zinsen, und der fast schon religiöse Glaube, man könne das eigene Risiko anderen unterjubeln, mussten einfach bereits einzeln aber in der Summe erst recht zu extremen Verwerfungen führen.
In diesem dritten Kapitel werden auch die völlig irren Verbriefungs- und Versicherungsmechanismen für Kredite sehr gut erläutert. Im Kleinen wie im Großen gilt eine einfache Weisheit: Was man nicht versteht, sollte man nicht handeln. Warren Buffett, dessen Namen man im Buch beharrlich falsch schreibt, ist genau mit diesem Leitspruch mehr als reich geworden. Was geschieht, wenn man eine solch einfache Weisheit missachtet, wird im dritten Kapitel an zahlreichen Beispielen vorgeführt.
In diesem Zusammenhang sollte man vielleicht nicht unerwähnt lassen, dass besonders die staatlich kontrollierten Landesbanken in Steueroasen Schattenbanken gründeten, um unbeaufsichtigt an der großen Illusion teilhaben zu können. Das sind nun aber genau die Stichworte, bei denen jene Politiker, die damals diese Banken zu kontrollieren hatten, heute große Worte schwingen.
Ohne Schuldenschnitt wird es keine Lösung aller aufgehäuften Probleme geben. So lautet im Buch das nüchterne Fazit der vier Artikel. Doch statt der Wahrheit ins Auge zu blicken, kauft man lieber Zeit und verschleiert die Tatsachen. Die in diesem Buch gesammelten Texte tragen wenigstens partiell dazu bei, dass man nicht allzu überrascht ist, wenn demnächst irgendwann abgerechnet wird.
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