Ich habe das Buch soeben beendet und am Liebsten würde ich sagen, daß ich das Buch schlecht, richtig schlecht fand und es dabei bewenden lassen.
Da ich aber der Meinung bin, zu so einem Urteil gehört auch eine Begründung, werde ich meine Rezension doch etwas intensiver angehen.
Zunächst zur Aufmachung, die ist es nämlich wert, daß ich einen der zwei vergebenen Punkte doch noch vergeben habe. Das Buch ist hübsch, wirklich hübsch, eine nette Klappbroschur, ein Umschlag der sich gut anfühlt und in dezenten Farben angenehme gestaltet ist. Die Seiten sind griffig und lassen sich gut blättern.
Dann zum Stil, den fand ich am Beginn des Buches ganz reizvoll, war aber irgendwann dann doch von den Adjektivanhäufungen und unnötigen Adjektiven ziemlich genervt. (hauchdünn geschnittenes Carpaccio, Carpaccio ist immer hauchdünn/ oder rote Tomaten / grüne Tannenzweige / etc.) Schade, weniger Adjektive und ich hätte die Art zu schreiben durchaus als ansprechend empfunden. Die Art zu schreiben ist sehr sachlich, es werden Emotionen beschrieben, aber im Leser andere Emotionen geweckt oder gar total emotionslos im Berichtsstil erzählt. Hier und da fühlte ich mich an nüchterne Sachverhaltsbeschreibungen aus Psychologielehrbüchern erinnert.
Dialoge kommen weder glaubwürdig noch real rüber, sie wirken aufgesetzt und künstlich. Mein Gedanke war so häufig: "So redet doch keiner!" oder "Sowas sagt doch niemand!" etc.
Und letztlich zum Inhalt, der leider für mein Gefühl so gar nicht ging.
Wen haben wir da, Luisa, Fräulein Traumtänzer, Naivchen, und prüdes Lieschen trifft auf Paul, den dominanten Draufgänger, der auf sexuelle Spielchen aus ist, während Luisa hinter allem eine tiefergehende Liebe vermutet. Beide schleppen so ihre Traumata aus der Kindheit mit sich herum und man fragt sich ständig, warum die zwei sich eigentlich miteinander abgeben, wenn sie doch jeweils immer wieder enttäuscht vom anderen sind. Luisa ist nie in der Lage ihre Wünsche zu artikulieren und redet sich aus welchen Gründen auch immer ein, von Paul mißhandelt zu werden, dabei besteht sein einziges Vergehen darin, keine Gedanken lesen zu können und nicht zu merken, daß Luisa einmal einfach so Schmerzen beim Sex hat, einmal ungünstig auf einer Treppenstufe hockt und einmal die Dornen einer Rose in ihrer Rücken stechen, während er auf ihr liegt.
Sie artikuliert es nicht und macht es ihm zum Vorwurf, sie so grob zu behandeln. Nein, stimmt nicht, denn sie macht es nur in ihrem Kopf zu seinem Vorwurf, mit ihm reden tut sie nämlich nur in Ausnahmefällen und da verzapft sie meist sehr seltsamen Unfug, ergeht sich in Gedichten und ihren Träumereien und absurden Ängsten.
Daneben steht Luisas Vater, der seine früh verstorbene Frau vermißt und Luisas Chefin, die ihr sehr wohlgesonnen ist und der sie ständig vor den Kopf stößt, während sie so durchs Leben tänzelt, weder wirklich arbeiten muß, noch sich um sonst irgendwas Gedanken macht, außer um ihre Liebe zu Paul. Paul, dessen Lehrmeisterin in punkto Liebe sie werden will... Augen rollen
Paul, der wie sollte es anders sein, eine schlimme Kindheit hatte und darunter heute noch leidet, Paul, der sexuell experimentierfreudig ist und doch keine wirkliche Erfüllung findet.
Dann gibt es da noch Johanna, Luisas Freundin, die ihr weder zu hört, noch beisteht, geschweige denn sie versteht, die aber trotzdem die allerbeste Freundin ist. In diesem Buch scheint niemand wirklich arbeiten zu müssen, alle haben immer Zeit sind immer verfügbar und selbst wenn Luisa sich mal zum Blumenladen bewegt und dort arbeitet, schließt sie den Laden so früh ab, daß andere Geschäfte noch geöffnet sind. Sowas stört mich, wenn es auch immer wieder ansatzweise erklärt wird. Luisas Vater ist halt Fabrikant und kann es sich leisten, sich aus der Firma zurück zu ziehen. Paul ist selbstständig und arbeitet nur wenn er Lust hat, Luisa jobbt halt nur und Johanna, hm hab ich vergessen, hat aber auch immer Zeit.
Man ist immer wieder der Meinung, wenn man Luisa durchs Leben folgt, den Fußspuren eines Kindes zu folgen, das naiver und unsicherer nicht sein könnte. Dennoch weckt das Buch weder Sympathie noch Mitgefühl für Luisa in mir, sondern im Gegenteil, ich verspürte immer mehr Abscheu und Unverständnis ihrer Person gegenüber, die letzten Seiten habe ich lediglich noch gelesen, weil ich sehen wollte, wie dieses dumme Kind ihr Leben gänzlich gegen die Wand fährt. Ob das nun passiert oder nicht, werde ich hier nicht verraten...
Neben Luisas Leben finden sich immer wieder Einschübe und Gespräche über Else Lasker-Schüler, Mühsam und Hiller, die NS-Zeit und die Schwierigkeiten für Freigeister zu dieser Zeit. Die Gespräche fügen sich leider überhaupt nicht in die Geschichte über Luisa ein, sie wirken aufgesetzt und künstlich, so als habe die Autorin unbedingt etwas zu diesem Thema sagen wollen und es irgendwie mit Gewalt in diesem Buch untergebracht.
Schade, dieses durchaus interessane Thema hätte vielleicht ein eigenes Buch und eine eigene Geschichte verdient? Hier geht es im Einheitsbrei total unter.
Im Schlußwort wird darauf hingewiesen, daß zu dem Buch viel über die Thematik des Stockholmsyndroms recherchiert wurde. Diese Thematik fand ich in dem Buch so gar nicht umgesetzt, genauso wie mir die zerstörerische Gewalt fehlte und ich auch die Erniedrigungen nicht wirklich erkennen konnte.
Ich hatte mich wirklich sehr auf die Leserunde gefreut und bin leider leider wirklich tief enttäuscht worden, weil das Buch so gar nicht hielt, was ich mir aufgrund der Rezensionen und meiner Vorfreude davon versprochen habe.
Wie gesagt, mit sehr viel Wohlwollen gibts 2 von 10 Punkten, einen davon fürs Outfit, den anderen für den guten Willen.