Cornelius Bischoff

Lebenslauf

Cornelius Bischoff, 1928-2018, verbrachte seine Jugendjahre in der Türkei und studierte Jura in Istanbul und in Hamburg. Nach 1978 war er als literarischer Übersetzer tätig und schrieb Drehbücher.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Cornelius Bischoff

Neue Rezensionen zu Cornelius Bischoff

Cover des Buches Der Granatapfelbaum (ISBN: 9783293307865)
ysmns avatar

Rezension zu "Der Granatapfelbaum" von Yaşar Kemal

Großartiger Roman
ysmnvor 3 Jahren

Memed, Yusuf, Hösük, Ali der Barde und Klein Memed beschließen eines Tages, ihr Dorf zu verlassen und in der Çukurova Ebene nach Arbeit zu suchen. Sie brechen voller Hoffnung auf, wollen Geld verdienen und ihren Familien ein besseres Leben ermöglichen. Was sie in der Ebene erwartet ist jedoch nicht Arbeit, sondern Krankheit, Durst, Hunger, Erschöpfung, Hitze und Demütigungen.

Yaşar Kemal schreibt meisterhaft über Menschen, deren Stimmen in der Literatur sonst kaum berücksichtigt werden. Er lässt Tagelöhner und Landarbeiter zu Wort kommen, gibt ihnen eine Bühne und schafft damit das Abbild einer Welt, in der soziale Ungerechtigkeit und Hierarchien, Armut und Ausbeutung den tagtäglichen Überlebenskampf der Menschen prägen.
Der Granatapfelbaum bedient sich einer klaren, hellen und gleichzeitig tiefgründigen Sprache. Es ist ein Roman, der großartig geschrieben ist und lange nachhallt.

Cover des Buches Die Ameiseninsel (ISBN: 9783293407893)
A

Rezension zu "Die Ameiseninsel" von Yaşar Kemal

Vom großen Unglück und vom kleinen Glück. Von Vertreibung und Krieg. Von Heimat und Freundschaft.
Almut_Scheller_Mahmoudvor 3 Jahren


Meisterhaft gelingt es Yasar Kemal die Verbindung und die Verdichtung von Unglück und Glück darzustellen. Er ist ein sozialkritischer und politischer Autor mit Anregungen zum Hinterfragen der Gegebenheiten. Wieso warum wozu weshalb?
Hintergründige Hauptthemen dieses Romans ist die Kaukasusfront im 1. Weltkrieg und der Bevölkerungsaustausch von Griechen und Türken.

Die Vorgeschichte: Griechenland war mehrere Jahrhunderte lang Teil des osmanischen Reiches. Nach dem Zusammenbruch des „Kranken Mannes am Bosporus“ sahen griechische Nationalisten die Chance eines großgriechischen Reiches und marschierten in Anatolien ein. Kemal Atatürk konnte sie jedoch zurückschlagen. Der Friedensvertrag von Lausanne im Jahre 1923 beinhaltete die Rückkehr von über einer Million Griechen und einer halben Millionen Türken. Dieser Konflikt beherrscht bis heute unterschwellig die politische Landschaft der beiden Staaten. Wie so oft ist diese Grüne-Tisch-Idee der diplomatischen Händler eine Maßnahme, die menschliche Schicksale nicht einbezieht und nur den politischen Rahmen berücksichtigt.

Die Griechen müssen die Ameiseninsel verlassen und nicht nur sie, alle in der Türkei lebenden Griechen werden nach Griechenland zwangs-umgesiedelt so wie ihr türkisches Pendant von Griechenland in die Türkei. Niemand dieser beiden Volksgruppen ging freiwillig: was sollten sie dort in der Fremde? Denn das sogenannte Heimatland war ihnen fremd, die Menschen und die Lebensbedingungen dort. Und was sollte sie dort erwarten? Offene Arme, freudige „Seid Willkommen“-Rufe? Oder Misstrauen und Missgunst: was wollen die hier, was sollen die hier? Die nehmen uns Land weg, die nehmen uns Arbeit weg.....ein altbekanntes Lied.

Die Protagonisten sind Musa der Nordwind, der in der kleinen Küstenstadt ein Haus und eine Mühle kauft und Vasili Atoynaranoglu. Der erste komm als Fremder auf die Insel, um hier ein Refugium, Frieden und eine neue Heimat zu finden, der andere stammt von hier und weigerte sich, zu gehen. Vasili hatte es sich in den Kopf gesetzt, den ersten, der die Insel betritt, zu erschießen: er lauerte ihm auf, er verfolgte ihn und schaffte es doch nie, den Abzugshahn seines Revolvers zu betätigen. Musa der Nordwind hingegen fühlte die Präsenz eines anderen, bekam ihn aber nie zu Gesicht, bis..... So ist ein Großteil des Romans diesem Versteckspiel geschuldet.

Wunderbare Naturschilderungen, poetisch, leuchtend und duftend, manchmal fast ein bisschen zu schwelgerisch. Eine flügelschlagende, wellenbrechende, blumige Poesie.

„Der Sonnenaufgang, wie das Strahlen der Sonne trotz aller Kriege und Hungersnöte die Welt in orangefarbenes Blühen taucht“, „der Duft der Heideblüte, bis ins Knochenmark spürte er jeden Frühling diesen Duft.“ „Weiße Blumen, als habe sich eine weiße Wolke auf die Erde gesenkt.. Und immer wieder das Meer, das ägäische Mare nostrum: die tausendfach verschiedenen Farbtöne von Blau, das Glitzern der Kiesel im Wasser.

Und die Menschen: Panos Valyanos – der beste Fischer weit und breit. Hat allen das Fischen beigebracht. Ohne ihn wäre das Meer kein Meer, die Insel keine Insel, der Fisch kein Fisch. Da ist Stavros, der Meister der Angel und der Harpune. Rais Yani, der alle Steine im Meer kannte, der es anbetete und der die Sprache der Fische sprach. Yordanis Güzeloglu, der einfüßig aus dem Krieg heimkehrte, aber sein Lächeln nicht verloren hatte, der sogar über den verloreren Fuß ein Lied singen konnte.

Lena Papazoglu, einstmals besungen und gerühmt: Heute ist eine alte gebeugte Frau mit hohen Wangenknochen und geschlitzten Augen.
Hadschi Remzi Bey, der dem Perikles Karagüloglu sein Hab und Gut abkaufen wollte – die goldrandigen Teller, die Kelims und die Sessel und vor allem sein Boot. „Und wenn Du es mir nicht verkaufen willst, lasse ich Deiner Tochter Gewalt antun.“ Und das obwohl Perikles ihm einst das Leben gerettet hatte.

Die menschliche Triebfeder der Habgier: auch hier wiederholt sich Geschichte der ewigen Profiteuere von Vertreibungen.



Vasili Einsamkeit wird immer wieder heimgesucht von grauenerregenden Kriegserinnerungen: die Kaukasusfront des Ersten Weltkriegs mit der Schlacht von Sarikamis.
Kampf der Bajonette, Blutbesudelte unter Leichenbergen, Granatfeuer, aus dem Feuer Fliehende. Und immer wieder die 10.000 erfrorenen Soldaten der Allahuekber-Berge. Ein Wald der Schnee- männer. Ein Bild, das sich durch die Retina des Lesers in seinem Gehirn abspeichert.

Auch Musas kriegerische und räuberische Vergangenheit wird thematisiert. Er jagte mit seiner Einheit Jesiden, raubte und plünderte, watete in einem Meer von Blut. Abgeschnittene Brüste von Jungfrauen im Wüstensand, Euphrat und Tigris sind keine Wasserläufe mehr, sondern blutige Leichenflüsse. Jesiden waren schon damals ein Fremdkörper im „Volkskörper“. Auch hier wiederholt sich die Geschichte. Oder ist die Vertreibung und Mordung der Jesiden durch den IS schon wieder aus dem kollektiven Gedächtnis entschwunden?.
Musa wurde bei einem Überfall auf Beduinen verwundet und von einem Emir aufgenommen und gepflegt. Einem Emir eines mächtigen und großen Stammes, der den Legenden aus 1001er Nacht entsprungen zu sein scheint. Obwohl selbst sunnitischer Moslem, beschützt er die Jesiden: „Sie beten den Satan an? Wer hat den Satan oder Gott je gesehen? Ich habe Hochachtung vor ihrer Widerstandskraft, ihrem Glauben und ihrer Menschlichkeit. Sie töten nicht, sie ziehen nicht in den Krieg. Ich habe in Europa gelebt und fand hier bei ihnen die Wärme und Menschlichkeit, die ich suchte. Der Emir bot Musa an bei ihm zu bleiben, denn die Beduinen würden ihn verfolgen, jagen, töten. Zum Abschied übergab er ihm kostbare Geschenke, die Musa später das Leben auf der Ameiseninsel ermöglichten.

Er findet Ruhe und Heimat auf der Ameiseninsel mit Vasili, der alten Lena und Kapitän Kadri und dessen Mutter. Kadri, der mit sieben Jahren als Lehrling bei Panos, dem besten Fischer, begann. Der schenkt ihm sein Boot mit notarieller Urkunde.
Ein Roman mit Happy end also? Ein stilisiertes Paradies?

Der Roman ist orientalisch ausschmückend, voller wundersamer Bilder, die im Kopf bleiben. In langen Passagen und langen Weilen erfühlen wir das Glück der Natur, in Düften und Farben, lebensprall, zartblütig. Die Gegenüberstellung menschengemachter Grausamkeit und der Natur: „Die Schönheit der Welt ohne Menschen. Sollte es der Mensch sein, durch die sie hässlicher und schmutziger wird? Aber ohne die Wärme eines Menschen wird die Welt eiskalt“.

Es ist ein politisches Buch voller Schönheit und Grausamkeit und zugleich eine Hymne auf das Leben.


Cover des Buches Das Reich der Vierzig Augen (ISBN: 9783293208667)
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Rezension zu "Das Reich der Vierzig Augen" von Yaşar Kemal

Heldenverehrung mit Hindernissen
aus-erlesenvor 5 Jahren

Auch Helden haben das Recht auf Ruhe, Erholung und vor allem das Glück. Jahrelang ist Memed, der Falke durch die Weiten seiner Heimat getrieben worden. Manchmal trieb er Horden von Schurken vor sich her. Doch immer war er auf der Flucht vor der Obrigkeit, der er seit jeher ein Dorn im Auge war. Lag ein Unrecht in der Luft, und so mancher Landbesitzer nahm es mit dem selbst verfassten Recht nicht immer noch genau, konnte man davon ausgehen, dass der Falke heranschwebt, um Gerechtigkeit walten zu lassen. Doch diese Zeiten sollen nun endgültig vorbei sein. 
Ali Safa Bey ist tot. Gerächt durch Memed, den Falken. Der harte und zähe Kampf für die Gerechtigkeit hat sich schlussendlich gelohnt. Wer den Namen Memed ausspricht, bekommt glänzende Augen und zaubert ein Lächeln in die Gesichter der Zuhörer, wenn er von dessen Heldentaten erzählt. Doch der Ruhm hat auch eine dunkle Seite. Denn Memed ist immer noch ein freier Mann. Den Stadtherren liegt viel daran Memed den Garaus zu machen und dieser Legende den Dolchstoß zu versetzen. 
Memed ist müde vom Kampf. Seyran ist die einzig, für die er da sein möchte. Ihre Schönheit wird in seinen Augen niemals verblühen. Doch Farouk, der Hauptmann und Ali die Echse sind ihm auf den Fersen. Sie ziehen durchs Land und suchen nach Memed. Sie verhören jeden, der ihren Weg kreuzt. Wo ist Memed? Wer hat ihn gesehen? Wer hat ihm geholfen? Das Land wird übersät mit Hass und Misstrauen. Memed muss einmal mehr auf der Hut sein und um sein Leben fürchten. Denn nicht nur Häuser und Wände haben Ohren und Augen. Das ganze Land ist vom Virus der Intrige erfasst.
Yaşar Kemal führt zum dritten (und zum Glück nicht letzten) Mal den Leser in eine Zeit, in ein Land, das so einzigartig von Leid und Hoffnung geprägt ist wie kaum ein anderes. Das Flirren der Hitze, die Sonnenstrahlen, die vom kargen Land wie Eindringlinge zurückgeworfen werden, die unstillbare Sehnsucht nach Frieden und Ruhe schnüren dem Leser die Kehle zu. Ein Abenteuerroman, der nur in der Reihenfolge der Memed-Saga an dritter Stelle steht, ansonsten aber wie alle Bücher dieser Reihe gleichwertig den ersten Platz belegt. 
Über siebenhundert Seiten, die an Spannung nicht zu überbieten sind. Nach langer Zeit ist der dritte Teil endlich wieder erhältlich. Wer Abenteuer in fremden Ländern aus fernen Zeiten liebt, kommt hier voll auf seine Kosten. 

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