Cornelius Hell

 2,5 Sterne bei 2 Bewertungen

Lebenslauf

Cornelius Hell, geb. 1956 in Salzburg, 1984–86 Lektor für deutsche Sprache und österreichische Literatur an der Universität Vilnius, danach Verlagslektor, Literaturveranstalter und Feuilleton-Redakteur, lebt als freier Autor, Übersetzer und Literaturkritiker in Wien. Er ist Herausgeber und Übersetzer der Anthologien Meldung über Gespenster. Erzählungen aus Litauen und Europa erlesen: Vilnius.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Cornelius Hell

Neue Rezensionen zu Cornelius Hell

Cover des Buches Der Windreiter (ISBN: 9783990292303)
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Rezension zu "Der Windreiter" von Renata Šerelytė

Gehirntsunami
awogflivor 5 Jahren

Dieser Roman von Renata Serelyte, der zwar völlig anders als ihr vorhergehendes Werk  Blaubarts Kinder angelegt ist, war ebenso nicht wirklich mein Geschmack.

Sprachlich wird die Geschichte erneut sehr gut präsentiert, wieder in dem recht unverwechselbaren poetischen Stil der Autorin. Auch inhaltlich ist die Story nicht so schlimm und deprimierend wie  Blaubart, im Gegenteil, sie hat was von einem abgefahrenen Märchen oder einem kolletiven Drogen-Flashback á la Contact High.

Als ich die Buchdeckeln schloss, war ich verwirrt, denn ich bekam die fiktive Handlung nicht zusammen. Was ist wirklich passiert? Was war ein Traum? War alles ein Traum? Was haben die Szenenfetzen miteinander zu tun? Was wollte die Autorin ausdrücken?  Warum interagieren die Figuren so? Fragen über Fragen, die sich mir stellten und auf die ich einfach keine Antwort habe.

Die Szenen und Dialoge sind so verklausuliert und 10 hoch 3 Meta, dass ich das Meta vom Meta vom Meta einfach nicht checken konnte. Sehr poetisch, total abgehoben, bizarr, märchenhaft und konfus wie in einem Low-Budget-Ostblock-Film-Noir wird die Handlung präsentiert, wobei ich noch immer nicht sagen kann, was wirklich passiert ist, oder was das alles sein soll. Habt Ihr mein Gefühl verstanden? Wahrscheinlich nicht, denn selbst ich stehe kopfschüttelnd und konsterniert vor dieser Geschichte und blicke einfach nicht durch.


Ich werde mal eine Szene überspritzt formulieren, damit Ihr Euch eine Vorstellung machen könnt: Figur irrt durch total surreale Szene, mit voll abgedrehten wundervoll beschriebenen Figurensetting, hält inne, schreit auf, brabbelt was ganz lyrisches, was überhaupt nicht zur Situation passt und läuft irgendwie schräg von dannen. Hufgetrappel, ein Pferd läuft durch die Szene. Die anderen Protagonisten wundern sich nicht, sondern sagen auch etwas poetisches, was wiederum überhaupt nicht zu vorherigem Satz dazupasst. Schnitt. Das Pferd ist möglicherweise tot, wahrscheinlich wurde es auf den Griller geworfen. All das wird natürlich in einem für mich typisch osteuropäischen Autoren-Setting: Armut, Schmutz Dreck, Landleben, Aberglaube ... präsentiert.

Solch eine bizarre chaotische Situation ist natürlich die große Freude eines germanistischen Interpretationsprofis, weil sie unendlich viele Auslegungen der Szene zulässt, mir hingegen fehlt hier völlig das nötige Instrumentarium. Da bin ich mit meinem Realismus und meinen fest geerdeten beiden Beinen einfach überfordert, als müsste ich Gleichungen mit 3 Unbekannten lösen, ohne überhaupt die Grundrechenarten zu kennen.

Über die Handlung vermag ich wenig zu sagen, außer dass ein Fernseh-Team bestehend aus Kameramann, Journalistin und Maskenbildnerin aus der Hauptstadt aufs Land fährt, um dort in einer Reportage, quasi einer Doku-Soap die Eltern des Mädchens Sasa zu finden (der ursprüngliche Plan hat fast etwas von Julia Leischiks Sendung "Bitte melde Dich"). Sie treffen auf die Großeltern des Mädchens, die schon zu Beginn extrem abgedreht schrullig sind und anschließend tauchen unzählige Figuren inklusive das Pferd auf, die mich allesamt verwirrt haben. Irgendwie eskaliert der Abend enorm, aber was passiert ist, kann ich wirklich nicht sagen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, alle haben irgendwelche psychogenen Substanzen wie zum Beispiel Pilze eingeworfen und sich dann im Drogenrausch treiben lassen. So ähnlich wie im Film Contact High, aber den habe ich wenigstens verstanden.

Ach ja auch der Klappentext lässt den Leser nicht im Dunkeln tappen.
"Grelle Phantastik wirft ein neues Licht auf die Realität!"
Wer den Satz schon cool findet, wird dieses Buch lieben

Fazit: Ich finde es sehr spannend, wenn ich mal etwas für mich total Neues probiere, aber in diesem Fall bin ich einfach ein bisschen zu weit aus meiner Comfortzone des Realismus hinausgeschwommen und geistig irgendwie abgesoffen. Einige Leute mit mehr Vorstellungsvermögen als ich und mit einem Hang zu Lyrik und Interpretationen werden diesen Roman aber großartig finden. 2,5 Sterne aufgerundet auf 3 denn spannend war es schon, zu beobachten, wie sehr mich die Geschichte irritiert und überfordert hat. Zudem ist sie ja auch nicht lang, also auf keinen Fall eine Qual.

Cover des Buches Blaubarts Kinder (ISBN: 9783851299090)
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Rezension zu "Blaubarts Kinder" von Renata Serelyte

Waten durch ein Meer von Gewalt, Depression, Alkohol, Armut und Tod
awogflivor 5 Jahren

Mit der Autorin habe ich mir wahnsinnig schwer getan. Obwohl ich eigentlich anspruchsvolle Stoffe schätze und furchtbaren Geschichten überhaupt nicht abgeneigt bin, hat Renata Serelyte meine Duldungs- und Leidensfähigkeit bis aufs Äußerste strapaziert.

Dabei sind die Sprache und die bildhaft beschriebenen Szenen sehr gut, aber es ist inhaltlich so lähmend, dass ich das Gefühl hatte, ich wate angezogen mit Bleistiefeln durch einen niemals enden wollenden Sumpf aus Gewalt und Depression.

Viel mehr hat diese Geschichte nicht zu bieten: Strukturelle und kulturelle Gewalt an Frauen und Kindern, Alkoholismus, Depression, Armut, Delirium und Tod - gegen Ende kommen dann auch noch sexuelle Erfahrungen hinzu, die so grausam wiederum von Gewalt und Unterdrückung geprägt sind, dass frau als Leserin einfach nur abblenden möchte. Ich hatte ja selbst eine furchtbare Kindheit, aber wenn ich so wenige normale Momente gehabt hätte, wäre es besser gewesen, ich hätte mich schon als Kind umgebracht.

Marcel Reich Ranicki hat im literarischen Quartett einmal die irische Literatur beschrieben:
"Ich habe einen Widerwillen gegen die irische Literatur, ich kann das nicht ertragen, immer die Slums und immer wird gesoffen und ein bisschen gekotzt zwischendurch, Elend und muffiger Katholizismus".
Setzt man statt Katholizismus Kommunismus in die Gleichung ein und geht davon aus, dass Osteuropäer nicht kotzen, weil sie durch den vielen Wodka einfach trinkfester als die Iren sind, dann hat man die perfekte Analogie zu diesem Werk.

Das ist einfach zuviel, in dieser Dichte und Länge sind solch deprimierende Szenen nur langweilig, wobei meiner Meinung nach der größte Faux-Pas darin liegt, dass sich keine einzige Figur irgendwie entwickelt oder zumindest das Potenzial ausschöpfen könnte, sich zu entwickeln. Der Weg der Eltern ist auch für die restliche Familie vorgezeichnet. Armut, Depression, Alkoholismus und Tod. Und wir reden hier nicht von der Zeit des Kommunismus, sondern von der Phase nach der Wende und Hinwendung zu Europa. Selbst mit Schuldbildung kann eine Frau diesem Sumpf aus Familie, gewalttätigem Ehemann, Kindern und Depression nicht entrinnen.

Ganz am Anfang hatte ich auch Probleme mit den Perspektivenwechseln zwischen toter begrabener Mutter und der Tochter, bis ich begriff, die Unterscheidung liegt in der Kapitelnumerierung. Insofern gab es zu Beginn auch ein paar strukturelle Herausforderungen an den Leser, die Leserin, um in die Geschichte hineinzukommen.

Fazit: Ich weiß, dass es für dieses deprimierende Werk in wundervoller poetischer Sprache, das nicht schlecht ist, durchaus eine größere Fan-Zielgruppe gibt, aber ich gehöre definitiv nicht dazu. Der Roman ist überhaupt nicht mein Ding. Also, wer Frank-Mc Courts Die Asche meiner Mutter wundervoll fand, wird auch dieses Buch mögen.

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