Rezension zu "Es ist einmal" von Sabine Michel
Die Autoren Sabine Michel und Dörte Grimm gewähren mit ihrem Buch "Es ist einmal" einen Einblick in das Leben ostdeutscher Familien in der DDR. Durch geschilderte Gespräche zwischen ostdeutschen Großeltern und ihren nach 1982 geborenen Enkelkindern können Leser einen kleinen Eindruck dieser Zeit gewinnen und vielleicht dadurch sogar einen Anstoß erlangen, selbst einmal mit den eigenen Eltern oder Großeltern über die Vergangenheit zu sprechen - denn eins ist sicher: Ein unbefangener und offener Austausch über das Leben zu Zeiten der DDR fällt vielen schwer.
Vorneweg möchte ich die übersichtliche und strukturierte Gliederung des Buches hervorheben. Die Kapitel zeigen 10 verschiedene Gesprächssituationen in denen teils ein oder zwei Großelternteile mit ihrem Enkelkind sprechen - jeweils begleitet von einer der Autorinnen. Hier können viele unterschiedliche interessante Lebens- und Familienbiografien identifiziert werden. An diesem Punkt wissenswert: Einige der Familienmitglieder stehen sich einander sehr nahe - andere hatten vor dem Gespräch fast kaum Kontakt.
Leider haben mich persönlich die einzelnen Gespräche nicht sehr überzeugt. Ich hatte vorneweg sehr viel mehr vertiefte Antworten erwartet und war teilweise etwas enttäuscht von der Schwammigkeit der Dialoge. Selbstverständlich war es für die Gesprächsteilnehmer wahrscheinlich auch nicht leicht über die Zeiten in der DDR zu sprechen, dennoch hatte ich mir mehr erhofft.
Was mich aber tatsächlich wirklich sehr enttäuscht hat, war die wahrlich (mir persönlich zu) häufige Thematisierung von Corona-Pandemie und Impfung. Die Gespräche fanden zwar in den Ausläufen der Corona-Pandemie statt, dennoch hatte ich das Thema in einer Lektüre über das Leben in der DDR nicht erwartet - da es in keinster Weise irgendwo in der Inhaltsangabe thematisiert wurde. Ein Sachverhalt, welcher für viele Leser (egal ob geimpft oder ungeimpft) vielleicht triggernd oder übergriffig wirken könnte. Hätte ich zuvor gewusst, dass es in fast jedem Kapitel zum Anfang hin detailliert thematisiert wird, hätte ich wahrscheinlich nicht zu der Lektüre gegriffen.
Dennoch muss noch die positive Haptik und Optik des Buches hervorgehoben werden. Nicht nur das Cover weißt auf den Inhalt hin, sondern auch die vielen Fotografien von Ina Schoeneburg zum Beginn jeden Kapitels vermitteln nochmals ein intensiveres Gefühl der Gespräche. Die Länge der verschiedenen Kapitel war angenehm - der Schreibstil überwiegend leicht zu lesen und die einzelnen Gespräche anschaulich und verständlich dargestellt.
"Es ist einmal" - eine Lektüre, in der die Autorinnen zeigen, dass Gespräche zwischen Großeltern und Enkelkindern über das Leben in der DDR möglich sind und es manchmal nur einen kleinen Anstupser und etwas Mut braucht, um über den eigenen Schatten zu springen :)