Cover des Buches Altes Land (ISBN: 9783813506471)
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Rezension zu Altes Land von Dörte Hansen

Was ist Heimat?

von lievke14 vor 7 Jahren

Rezension

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lievke14vor 7 Jahren

Das „Polackenkind“ ist die fünfjährige Vera auf dem Hof im Alten Land, wohin sie 1945 aus Ostpreußen mit ihrer Mutter geflohen ist. Ihr Leben lang fühlt sie sich fremd in dem großen, kalten Bauernhaus und kann trotzdem nicht davon lassen. Bis sechzig Jahre später plötzlich ihre Nichte Anne vor der Tür steht. Sie ist mit ihrem kleinen Sohn aus Hamburg-Ottensen geflüchtet, wo ehrgeizige Vollwert-Eltern ihre Kinder wie Preispokale durch die Straßen tragen – und wo Annes Mann eine Andere liebt. Vera und Anne sind einander fremd und haben doch viel mehr gemeinsam, als sie ahnen.

Im Mittelpunkt dieser Geschichte steht Vera, ein ehemaliges Flüchtlingskind aus Ostpreußen, die es in jungen Jahren mit ihrer Mutter ins „Alte Land“ gespült hat und die an diesem Auffangort hängengeblieben ist.

Leicht hatte sie es nie. Mit einer stolzen und herrischen Mutter im Schlepptau kam Vera nach dem Krieg am Hof der alten Ida Berghoff an….ohne Besitz, ohne Hoffnung. Die Mutter drängte sich alsbald in die Familie Berghoff, in dem sie den Sohn Karl heiratete, einen Kriegsversehrten mit steifem Bein, ständig Trübsal blasend und in den Nächten immer noch auf der Flucht vor den Russen. Ständig im Clinch mit der Schwiegermutter verlässt die Mutter den Hof wegen einem anderen mit ihrer neugeborenen Tochter und kehrt nie zurück.

Vera wächst allein bei ihrem Stiefvater auf. Dieser versucht ihr nach Kräften eine schöne unbeschwerte Kindheit zu bescheren, aber was soll so ein alter Kauz mit all seinen Neurosen und Ängsten bei einem Kind ausrichten? Wie nicht anders zu erwarten, entwickelt sich auch Vera zu einer eigenwilligen und verschrobenen Persönlichkeit. Sie schert sich um nichts und niemanden. Als schrulliger Einzelgänger lebt sie in dem alten Gutshaus, das immer mehr verfällt und ignoriert das ganze Dorf. Unabhängig und rücksichtslos walzt sie durchs Leben. Nichts flößt ihr Angst ein....könnte man meinen. In den langen dunklen Nächten aber, kann selbst sie sich einem schleichenden, unheilvollen Gefühl nicht erwehren. Das Haus scheint sie zu erdrücken. Die alten Balken und schweren Mauern machen ihre Welt kleiner.... Hat ihr das alte Gemäuer vor vielen Jahren zwar eine Heimat gegeben….scheint es aber immer noch so, als wäre sie nicht willkommen. Die Geister der Vergangenheit lassen sie nicht los und lassen sie nicht zur Ruhe kommen.

Und dann auf einmal stehen Anne und ihr kleiner Sohn vor Veras Tür….ebenfalls „Vertriebene“…. Anne ist Veras Nichte und auf der Flucht vor dem eigenen Leben.

Während ihrer kleinen Auszeit auf dem Lande finden die zwei Frauen zurück zu ihren Wurzeln und einen Weg in die Zukunft….

Dieser Roman erzählt vom Schicksal verschiedener Personen in der Vergangenheit und Gegenwart….er erzählt aber auch die Geschichte eines Landstriches in Deutschland, der aufgrund seiner Ursprünglichkeit und der dort lebenden Menschen ein ganz besonderer ist. Gemütsmenschen sind sie, ein bisschen widerspenstig und raubeinig, aber doch irgendwie liebenswert. Die raue Natur hat sie ebenso rau gemacht. Mit Neuansiedlern oder Städtern können sie so gar nichts anfangen und begegnen ihnen wortkarg und mit einigem Misstrauen.

Dörte Hansen macht in ihrem Roman besonders deutlich, wie schwer es gerade die Vertriebenen nach dem Krieg hatten, in ihrer „neuen Heimat“ Fuß zu fassen. Ihnen gegenüber war aber auch die Situation für die Einheimischen schwierig. Not herrschte überall. Und das Wenige, das sie besaßen, sollten sie nun mit einer Überzahl von Flüchtlingen teilen. Einige der Alteingesessenen fühlten sich verantwortlich und halfen....andere nicht.

Mit sprödem Humor, aber einer sehr herzlichen Art erzählt die Autorin eine außergewöhnliche Geschichte über außergewöhnliche Figuren, die aufeinanderstoßen, wieder auseinanderdriften oder einen gemeinsamen Weg finden.

Die Dialoge sind mit zahlreichen plattdeutschen Floskeln durchsetzt, die den Charakter der Menschen im Alten Land unterstreichen und dem Roman seine ganz eigene Note verpassen.

„Altes Land“ ist eine Geschichte über Heimatlosigkeit und die Suche nach Zugehörigkeit. Es ist eine Geschichte über das Leben….über Ängste und Vorurteile, über Prüfungen, die den Menschen alles abverlangen, aber auch über die Zuversicht und Freude und der alles entscheidenden Aussage: Das Glück findet sich überall….man muss nur danach suchen….

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