D.E. Stevenson ist eine schottische Autorin, die in ihrer Zeit mit mehreren Millionen verkauften Exemplaren zwar sehr populär war, aber dann irgendwie in Vergessenheit geriet. Miss Buncle’s Book (auf Deutsch „Stich ins Wespennest“) aus dem Jahr 1934 gehört zu ihren bekanntesten Werken.
Worum geht es?
Barbara Buncle ist Single, im mittleren Alter, hausbacken und unelegant. Sie sucht nach einer Möglichkeit, ihre finanzielle Situation zu verbessern. Kurzerhand verfasst sie – auf Anraten ihrer Haushälterin Dorcas - einen Roman unter dem Pseudonym John Smith. Da sie jedoch nach eigener Aussage über wenig Phantasie verfügt, schreibt sie über die Bewohner des Städtchens Silverstream – ein Ort, in dem alles stets einen geregelten Ablauf hat und in dem jeder jeden kennt. Die Ordnung bringt sie damit völlig durcheinander, denn es handelt sich um eine recht akkurate Beschreibung der Bewohner. Während die eine Hälfte des Dorfs über das Buch schmunzeln kann, ist die andere Hälfte empört, beginnt zu ermitteln und möchte diesen infamen Autor bestraft sehen.
Kritik
„Stich ins Wespennest“ ist ein unterhaltsames „Tweed und Tee“- Buch, das den Leser mit seinem originellen Plot für einige Stunden in eine charmante englische Kleinstadt entführt und die Bewohner lebendig werden lässt. Wenngleich insgesamt eher eine humorvolle und satirische Charakterstudie, Austen nicht unähnlich, aber ohne Schwerpunkt auf der Romantik, so nimmt die Handlung im zweiten Teil ordentlich Fahrt auf, wenn einige der Bewohner, deren Portraits nicht so schmeichelhaft ausfallen, nicht Ruhe geben, bis sie John Smith, den Autor des Buches „Der Störenfried“ (Disturber of the Peace) identifiziert und bestraft haben. Diese Dynamik ist es, die dem Roman Tiefe verleiht. Zudem ist es interessant zu lesen, wie auf der einen Seite die Welt in den 1930 Jahren während der Weltwirtschaftskrise eine ganz andere ist, die mittelständischen Bewohner aber in ihrer Denk- und Lebensweise ganz im viktorianischen Zeitalter steckengeblieben sind. Es ist eine Zeit, in der Lieferjungen die Einkäufe nach Hause bringen, in der man sich von Zeit zu Zeit einen neuen Hut gönnt, in der es in diesem kleinstädtischen Milieu unmöglich war, ohne Personal zu leben, in der es für Frauen undenkbar war, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen oder Hausarbeiten selbst zu verrichten. Umso überraschender war es für mich in dieser nostalgischen Welt von der lesbischen Beziehung zwischen Ellen King und Angela Pretty zu lesen, ein Thema, das in mehreren Romanen von Stevenson eine Rolle spielen soll. Aber ich hatte ohnehin vor, ein bisschen mehr von dieser ungewöhnlichen und vergessenen Autorin zu lesen, die im Übrigen sogar einen Science-Fiction Roman geschrieben hat – der in der Taschenbuchausgabe ungefähr 45 € kostet, was mich bislang abschreckt. Aber vielleicht werden ja demnächst mal weitere Bücher von Stevenson neu verlegt. Mich würde es freuen.
Ganz ohne Kritik geht es jedoch nicht. Das Ende mag bei einigen Lesern zu einem Augenrollen führen. Ich habe es elegant überlesen und bin dann zu dem Nachwort übergegangen, das (in der Audiobuchversion) eine spannende Kurzbiographie von Stevenson und eine Kennzeichnung ihres Gesamtwerks bot.