Dacia Maraini

 3,7 Sterne bei 109 Bewertungen
Autor*in von Die stumme Herzogin, Stimmen und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Dacia Maraini, geboren 1936 in Fiesole, aufgewachsen in Japan und Sizilien, ist eine der wichtigsten Stimmen Italiens sowie feministische Pionierin. Aufgrund der antifaschistischen Haltung ihres Vaters war sie als Kind in einem japanischen Gefangenenlager interniert. Sie war eine der Ersten, die über Gewalt gegen Frauen schrieb, begründete experimentelle Theater, reiste mit P. P. Pasolini für Filmprojekte nach Afrika und schrieb Drehbücher u. a. für Margarethe von Trotta.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Dacia Maraini

Cover des Buches Die stumme Herzogin (ISBN: 9783492970587)

Die stumme Herzogin

(38)
Erschienen am 16.02.2015
Cover des Buches Stimmen (ISBN: 9783492240505)

Stimmen

(11)
Erschienen am 01.12.2003
Cover des Buches Ein Schiff nach Kobe (ISBN: 9783492244466)

Ein Schiff nach Kobe

(8)
Erschienen am 01.08.2005
Cover des Buches Das Mädchen und der Träumer (ISBN: 9783852567150)

Das Mädchen und der Träumer

(6)
Erschienen am 21.02.2017
Cover des Buches Drei Frauen (ISBN: 9783852567716)

Drei Frauen

(6)
Erschienen am 28.08.2024
Cover des Buches Trio (ISBN: 9783852568270)

Trio

(6)
Erschienen am 23.03.2021
Cover des Buches Der Zug in die jüngste Nacht (ISBN: 9783492273411)

Der Zug in die jüngste Nacht

(5)
Erschienen am 15.09.2011
Cover des Buches Ein halber Löffel Reis (ISBN: 9783852569109)

Ein halber Löffel Reis

(4)
Erschienen am 14.03.2025

Neue Rezensionen zu Dacia Maraini

Cover des Buches Tage im August (ISBN: 9783293710368)
MarcoLs avatar

Rezension zu "Tage im August" von Dacia Maraini

MarcoL
Der Sommer einer Vierzehnjährigen 1943 – sehr lesenswert und eindrücklich!

Bereits 1962 erschien dieser aufwühlende Klassiker aus der Feder der 1936 geborenen italienischen Autorin Dacia Maraini, der jetzt neu aufgelegt wurde. Sie gilt als Pionierin der feministischen Literatur. Der vorliegende Roman ist wegweisend, teilweise befremdlich im Inhalt – und heute aktueller denn je.

Die Ich-Erzählerin Anna, vierzehn Jahre, und ihr um einige Jahre jüngerer Bruder Giovanni, werden zu Sommerbeginn von ihrem Vater aus dem Nonneninternat in Rom mit dem Motorrad abgeholt. Er bringt sie zu zu seiner neuen Partnerin Nina. Im Haus in Nähe des Strandes wohnen im Obergeschoss sein Arbeitgeber mit dessen Frau und dem achtzehnjährigen Sohn Armando.

Die beiden fühlen sich zunächst unwohl, auch Nina findet sich erst schwer in ihre neue Rolle als Stiefmutter ein, auch wenn es sich nur um eine kurze Zeit im Sommer handelt. Denn kaum beginnt die Schule, werden sie von ihrem Vater wieder im Internat abgeliefert. Er hat seine „Schuldigkeit“ getan. Die Beziehung der Kinder zum Vater ist kühl und distanziert. Auch fragt er sie immer, ob sie ihn lieb haben und sucht damit Bestätigung für sein hilfloses Tun.
Aber die beiden leben sich ein. Giovanni findet im Dorf „Freunde“, mit denen er am Strand meistens abhängt. Das Miteinander der Kinder ist aber sehr rau, beinahe toxisch. Und Anna versucht sich in ihrer aufkeimenden Pubertät zurecht zu finden. Sie beobachtet die Welt, lässt sich treiben. Die Sicht auf „Liebe“ und Sexualität ist befremdlich und verstörend. Die Suche nach ihrer Freiheit pendelt zwischen dem masturbierenden Armando und lüsteren, alten geilen Männern, die glauben, mit Geld alles kaufen zu können.
Es ist das Jahr 1943. Es herrscht der Krieg, Rom wird bombardiert und die Kampfflieger der Alliierten sind oft über dem Meer zu hören.
Kurzum: Anna und Giovanni sind in diesen Wochen am Meer auf sich alleine gestellt. Es kümmert sich niemand so richtig um sie, auch wenn Anna Nina im Haushalt zur Hand geht, bleibt ihre Freizeit ein Loch voller Fragen um das Leben.

Der Krieg hängt wie eine dunkle Wolke über den Ferien. Die Eltern tun ihn mit einer Handbewegung ab, also könnten sie diese Wolke beiseite schieben, um die Sonne wieder durchzulassen. Es wird getrunken, geraucht und Karten gespielt, als wäre alles eitle Wonne. Erst als Armando den Stellungsbefehl bekommt, zerplatzt die Seifenblase einer schöngeredeten Welt.

Es ist kein leichter Roman, oder mal schnell eine Sommerlektüre. Ganz im Gegenteil. Die Tage im August könnten leicht und unbeschwerlich, voller Sonnenschein sein. Aber Regen und Winter holen ein nicht vorhandenes Idyll ein. Die Autorin drückt der Gesellschaft ihren Stempel auf, kritisiert mit feiner Feder zwischen den Zeilen das italienische Kleinbürgertum. Es ist nicht zwingend ein Coming-of-Age Roman, sondern eine sehr gezielte Kritik am Kleingeist und am Faschismus.
Ein Buch, das Eindruck hinterlässt, und auch manchmal die Nackenmuskeln ob des Kopfschüttelns während der Lektüre strapaziert. Keine leichte Kost – aber, oder eigentlich gerade deswegen, sehr lesenswert. Ganz große Leseempfehlung .
Auch das Vorwort der Autorin zu dieser neuen Ausgabe möchte ich als sehr lesenswert hervorheben.

Cover des Buches Tage im August (ISBN: 9783293710368)
Johanna_Bes avatar

Rezension zu "Tage im August" von Dacia Maraini

Johanna_Be
Klassiker! (Kein Wohlfühlbuch)

Kein Wohlfühlbuch für den Strand, sondern ein stellenweise befremdlicher Klassiker der italienischen Literatur aus dem Jahr 1962.

Der Strand liegt nicht weit von Rom. Es ist August, es wird September 1943. Alliierte Bomber fliegen Richtung Rom. Die vierzehnjährige Anna und ihr jüngerer Bruder Giovanni werden vom Vater aus dem Nonneninternat geholt und für die Ferien in ein Haus am Meer gebracht. Die Mutter ist vor Jahren gestorben. Im selben Haus leben außer ihm und seiner neuen Gefährtin Nina sein Arbeitgeber mit seiner Frau und dem achtzehnjährigen Sohn Armando. 

Es ist das Erstlingswerk der heute 89 Jahre alten Schriftstellerin Dacia Maraini. Im Vorwort schreibt sie zu einer Neuausgabe im Jahr 1998 über sich selbst: „Dieses junge Mädchen hat mit siebzehn Jahren einen nüchternen, ja rauen Roman geschrieben, den sie La vacanza (Ferien im August) nannte, was aber nicht im Sinne einer glücklichen Urlaubsreise oder Erholung gemeint war, sondern eine Leere beschrieb [.]“ Ihre Ich-Erzählerin, die vierzehnjährige Anna, ist verstört, „seltsam ohnmächtig“ nennt sie Maraini im Vorwort. Niemand erklärt ihr die Welt, die sie beobachtet, sie ist ratlos. Die Liebe des Vaters beschränkt sich darauf, sie und ihren Bruder für die Sommerferien aus dem Internat zu holen und immer wieder zu fragen, ob sie ihn lieb habe. Anna erhofft sich Freiheit. Die bekommt sie: Niemand kümmert sich um die Kinder. Sie sind sich selbst überlassen, probieren sich aus. Alles was verboten ist: Nikotin, Alkohol und ihre Sexualität.

Die Blicke der Jungen und der vor Gier sabbernden älteren Männer im Strandbad sind begehrlich. Sie zieht sich aus für sie, scheinbar unbeteiligt, lässt sich sexuell ausbeuten, wird missbraucht und entzieht sich dann wieder. Was diese beklemmenden Initiationserlebnisse in ihr auslösen, bleibt unklar. Es gibt allenfalls Andeutungen. Maraini lässt ihre Ich-Erzählerin kaum etwas werten. Einmal sagt sie: „Beim Rauchen stellte ich mit Erstaunen fest, dass ich den Eindruck hatte, als sei es gar nicht ich, die dieses zusammengeklebte Papier zwischen die Lippen steckte, sondern jemand anderes und ich würde nur zusehen. Mein anderes Ich verschwand wieder.“

Auch nach mehreren sexuellen Begegnungen fragt sie Armando: „Wie schläft man eigentlich richtig miteinander?“ Antwort: „Dafür bist du noch zu klein.“ Den Männern am Strand ist das offensichtlich egal. Liebe kann man sich kaufen.

 Maraini porträtiert ein Mädchen, das sich aus Zwängen befreien will, aber nicht weiß wie. Die Erwachsenen haben offenbar kaum Interesse an den Kindern. Sie sind das Abbild des italienischen Kleinbürgertums der Kriegszeit. Maraini stellt dessen Oberflächlichkeit, Kleingeistigkeit und Scheinheiligkeit zur Schau. Über allem hängt die Bedrohung durch den Krieg, die aber immer wieder verdrängt wird. Man spielt gerne Karten und versichert sich des Wohlwollens des Bürgermeisters.

 Hat sich bei der Rückkehr ins Internat nach den Ferien etwas verändert? Rom ist von Bomben getroffen, Häuser sind zerstört, Straßen kaputt. Die dumpfe, freudlose Atmosphäre im Internat ist die gleiche wie vorher. Wenn man weint, bekommt man „eine Scheibe Brot mit Feigenmarmelade“.

Eindrucksvoll, keine leichte Lektüre.

Übersetzt von Ingrid Ickler. Mit einem Vorwort der Autorin als Taschenbuch 2025 beim Unionsverlag erschienen. 

Cover des Buches Ein halber Löffel Reis (ISBN: 9783852569109)
dracomas avatar

Rezension zu "Ein halber Löffel Reis" von Dacia Maraini

dracoma
Ein versöhnlicher Blick zurück

Mit 89 Jahren blickt Dacia Maraini zurück auf die Zeit ihrer Kindheit, die sie mit ihrer Familie in einem japanischen KZ verbringen musste. Dacia Maraini wuchs zusammen mit zwei jüngeren Schwestern in Japan auf. Ihr Vater Fosco war Anthropologe und unterrichtete an der Universität Kioto, und ihre Mutter Topazia stammte aus einer adeligen sizilianischen Familie, eine stolze Frau, ein kritischer Geist wie ihr Vater, liberal und zutiefst demokratisch eingestellt. Die Familie ist tief eingebunden in die japanische Kultur, Dacia selber empfindet sich als Japanerin.

Die Familie gerät durch den sog. Dreimächtepakt zwischen Japan und den faschistischen Ländern Italien und Deutschland in die Mühlen der internationalen Politik. Die japanischen Behörden fordern ein Bekenntnis zum Regime Mussolinis, das die Eltern verweigern, sodass sie als Vaterlandsverräter in einem KZ interniert werden.

Die Familie und 13 andere Internierte durchlaufen eine harte Zeit. Die japanischen Bewacher werden als grausam erlebt. Da Kinder nicht vorgesehen sind, muss jeder Erwachsene von seiner kargen Ration „Einen halben Löffel Reis“ für die drei Kinder abgeben. Das Leben ist gekennzeichnet durch bitteren Hunger, Kälte, Schlafmangel, Mangelkrankheiten wie Beriberi und Skorbut, Durchfälle und die ständig präsente Bedrohung mit dem Tod. Die anfänglich noch vorhandene Solidarisierung untereinander verschwindet mit dem zunehmend unerträglicher werdenden Leben und macht einem verzweifelten Egoismus Platz. 

Die Autorin unterbricht ihre Beobachtungen immer wieder mit Ausführungen zum System der Konzentrationslager, zur Musik, zur japanischen Kultur, zur Philosophie u. a. Ihre Ausführungen zu Nazi-Deutschland und zu den Leugnern sind für den deutschen Leser eher überflüssig, aber sie zeigen den weiten Blick der Autorin und ihr Engagement.


 Mich hat die Art und Weise, wie Dacia Maraini diese harte Zeit beschreibt, sehr beeindruckt. Sie drängt ihren Leser nicht in die Rolle des Voyeurs, der die Misshandlungen miterleben muss. Sie klagt nicht an, fordert keine Entschuldigung und lamentiert nicht, sondern sie blickt einfach nur zurück und berichtet. Ihr Ton ist versöhnlich, und ihre große Liebe zu Japan, dem Land ihrer Kindheit, ist immer zu spüren. Daneben ist es die tiefe Liebe zu ihrer Familie und innerhalb ihrer Familie, die sie durch diese Zeit getragen hat. Und noch eines macht die Lektüre dieses Buches so lohnend: ihr Credo zu Europa als Staatengebilde. 

4,5

 

 


 

 

Gespräche aus der Community

Bisher gibt es noch keine Gespräche aus der Community zum Buch. Starte mit "Neu" die erste Leserunde, Buchverlosung oder das erste Thema.

Welche Genres erwarten dich?

Community-Statistik

in 175 Bibliotheken

auf 20 Merkzettel

von 1 Leser*innen aktuell gelesen

von 1 Leser*innen gefolgt

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks