Cover des Buches Das Mittwochszimmer (ISBN: 9783784433929)
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Rezension zu Das Mittwochszimmer von Dagmar Seifert

Die ewige Geliebte

von 19angelika63 vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Wunderschöne runde Geschichte über die Liebe, das Festhalten an Illusionen und der Realität, die bunte Seifenblasen platzen lässt ... :-)

Rezension

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19angelika63vor 8 Jahren
Klappentext
Conny Hertz und Vico van Loon wurden vom Schicksal füreinander bestimmt. Doch da er angehender Arzt aus gutem Haus ist, sie hingegen einer Familie mit kriminellen Tendenzen entstammt und auch sonst so gar nicht standesgemäß ist, bleibt ihnen nur der Ausweg einer Affäre. Über Jahrzehnte findet die Liebe für sie immer mittwochs statt.
Vico ist der Mann, den Conny will. Eines Tages wird er sie doch noch heiraten. Ganz bestimmt. Wenn endlich nicht mehr im Weg steht. Doch was passiert, wenn es tatsächlich so weit ist?



„Mitte der Sechziger war Abitur noch was für Menschen, die studieren wollten. Die Intelligenteren und Begabteren gönnten sich (wenn sie’s nicht nötig hatten, möglichst schnell Geld zu verdienen) die „mittlere Reife“. Und wer immer noch ganz plietsch war, aber praktisch veranlagt, der machte eben nur den Volksschulabschluss. Das war auch etwas.“ (Seite 75)

Es ist die Neujahrsnacht 1954/ 1955. In einem Krankenhaus in Hamburg Niendorf werden zwei Mädchen geboren. Beide heißen Cornelia.

Nelli ist die dritte Tochter des vermögenden Ehepaars Schnoor. Ihnen gehört eine Gärtnerei. Doch anders als ihre Schwestern ist Nelli eher nach dem Vater geraten und somit keine wirkliche Schönheit.

Conny wir als uneheliches Kind geboren, was seinerzeit noch eine echte Schande war. Sie wächst bei ihrer Mutter und ihren beiden Onkeln auf. Der eine entdeckt eines Tages ihr „Talent“ und nimmt sie mit auf Diebes- und Einbruchstour.

Beide Mädchen treffen erstmalig wiederbei der Einschulung aufeinander. Sie werden Freundinnen fürs Leben.

Nelli verliebt sich schnell in den ebenfalls wohlhabenden und begabten Damian. Die beiden heiraten heimlich, da Damians Mutter nicht mit Nelli einverstanden ist, da sich diese eine hübschere Schwiegertochter für ihren Sohn gewünscht hat.

„Ein bisschen Schnee fiel immer noch, träge, zusammenpappende, große Flocken aus gelblich grauem Himmel. Hinter Conny und Christian wartete ein dunkelblonder junger Mann mit einem kleinen Mädchen, sieben- oder achtjährig. Conn warf einen Blick über die Schulter und dann noch einen und noch einen: Was für ein Traumprinz war das!“ (Seite 93)

Conny trifft auf den jungen van Loon und ist ihm vom ersten Augenblick an verfallen. Van Loon kommt aus wirklich reichem Haus. Die Eltern sind gegen eine Beziehung mit Conny. Doch die beiden treffen sich heimlich und Vico macht ihr eines Tages das Versprechen sie zu heiraten. Doch die Jahre vergehen, und immer ist irgendetwas anders, was Vico daran hindert Conny zu heiraten. Schließlich heiratet er seine Cousine, und Conny wird seine Geliebte. Immer mittwochs treffen sie sich in einem gemieteten Apartment. Und das über Jahre … und dann, dann ist Vico plötzlich ein freier Mann … Werden sie jetzt endlich heiraten?

„Romantik. Das Wort klingt so nett, weich und gekringelt. Positiv. Ist es aber nicht. Es hat mit Sehnsucht zu tun. Alle romantischen Geschichten beinhalten Sehnsucht. In Wahrheit ist das nichts weiter als Sentimentalität. Eine vorrübergehende pompöse Gemütserfassung, wie unser guter Romeo sie ständig hatte. Ein Hineinsteigern in Rührung und Kitsch. Connymädchen, sieh dich bitte vor. Wenn du süchtig danach wirst, dann willst du immer mehr davon naschen. Dann erträgst du alle möglichen unangenehmen Situationen, die du eigentlich energisch ändern müsstest, bloß weil der Schmerz und die Melancholie so schön sind. Vico von Loon ist genau der Junge, der dir eine lebenslange Sucht dieser Art verpassen könnte. Bitte versprich mir, dass du ihn sehr skeptisch betrachtest, ja? Ohne Romantik …“ (Seite 128)

Diese Geschichte zieht sich über einen Zeitraum von gut sechzig Jahren. Dabei gehe ich als Leserin auch auf eine Zeitreise. Ich erfahre und erinnere mich an die gesellschaftlichen Dünkel Anfang/ Mitte der sechziger Jahre, den Schwierigkeiten für Kinder aus der „Unterschicht“ auf eine weiterführende Schule zu gehen … Dies und noch einiges mehr bindet Dagmar Seifert in die Geschichte um Conny und Vico ein.

Schnell bin ich in die Geschichte eingetaucht und habe das Leben von Conny verfolgt. Was mir dabei besonders gut gefallen hat, sind die kleinen Hinweise unter den Kapiteleinteilungen. Da wusste ich schon, was mich im Kapitel erwarte und das hat neugierig gemacht.

Natürlich versteht man als Frau von heute Conny an manchen Stellen überhaupt nicht. Warum habe ich mich oft gefragt, bleibt sie bei Vico, der sie ganz offensichtlich nur hinhält? Warum schafft sie es nicht sich von ihm loszusagen und um mit einem anderen Mann glücklich zu werden? Ich denke, nur eine Frau, die selbst schon einmal die Geliebte eines Mannes war, kann sich in etwa vorstellen, wie es Conny in all den Jahren ergangen ist. Manchmal gerät man in eine „Abhängigkeit“, aus der man nur schwerlich wieder heraus kommt. Es bedarf Jahre, bis man dies erkennt. Und wenn man es dann erkennt, kann es vielleicht schon zu spät für ein erfüllteres Leben sein …

„Nein. Ich meine, wir hatten unser Leben lang eine romantische Liebesgeschichte, und irgendwie hat sie es nicht überlebt. Legalisierung bekommt ihr nicht. Vielleicht ist sie sogar vorher schon gestorben und wir haben es nicht gemerkt.“ (Seite 313)

Ein wundervolles Buch für einen verregneten Sonntag, in das man eintaucht und erst am Ende mit einem Seufzer wieder auftaucht …
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