Rezension zu "Alle Geschichten, die ich kenne" von Dagny Gioulami
Zürich. Wie immer will die Erzählerin ihre Kleidung zur chemischen Reinigung bringen, doch diese existiert nicht mehr. Eine Schneiderei hat den Laden übernommen. Sie kommt mit der Besitzerin ins Gespräch, diese verspricht trotzdem zu versuchen, die Kleidung zu reinigen. Im Gespräch mit der Eigentümerin wird auch deren aktuelle Pechsträhne Thema, sie ist verzweifelt, ist doch das Kleid, das sie zu einer Hochzeit tragen wollte ruiniert. Die Erzählerin hat eine Idee: ihre Tante Irini ist eine meisterliche Schneiderin und kann sicherlich aus Stoff ein vergleichbares Kleid nähen. Zusammen mit ihrem Kollegen macht sie sich auf die Reise nach Griechenland. Vieles hat sich dort verändert, die Krise ist nicht zu übersehen. Aber die Familie ist noch genauso, wie sie sie in Erinnerung hatte und nimmt die Frau samt Kollegen direkt für allerlei Dinge in Beschlag.
Der Titel des Buchs, „Alle Geschichten, die ich kenne“, ist während der Griechenlandreise Programm. Zur Einstimmung auf das Land und in Erinnerung an ihre Kindheit erzählt die Protagonistin Geschichten, die in der Familie weitergetragen wurden, Sagen aus der griechischen Heimat, die nicht nur für Kinder gedacht sind. So entsteht im Buch quasi eine zweite Handlung, ein Sammelsurium an Weisheiten und alten Erzählungen. Besonders gelungen sind die Konfrontation der Frau mit der lange nicht mehr besuchten Heimat. Die aktuelle wirtschaftliche und politische Lage hat Spuren hinterlassen, viele Geschäfte sind verschwunden und der Verfall ist allgegenwärtig. Die Menschen sind jedoch dieselben und sie leben weiter, müssen weiterleben, trotz allem.
Zugegebenermaßen viel meine Wahl für diesen Roman aus einem banalen Grund aus: für eine Challenge suchte ich ein Buch, das in Griechenland spielte. So ganz sicher bin ich mir noch nicht, was ich von ihm halten soll. Einerseits fand ich die Geschichten interessant, ebenso die Familienstrukturen und –beziehungen, die Namensgebung wie auch die Berichte über die nicht vorhandenen Freiheiten der Frauen noch Mitte des 20. Jahrhunderts. Andererseits ist natürlich schon der Anlass für die Reise völlig absurd und unglaubwürdig und dass ein Kollege sich diese lange Reise antut, gleichzeitig nie einen Namen erhält und auch kein Leben zu haben scheint, fand ich auch etwas befremdlich und unstimmig.