Im Roman „Mein letztes Jahr der Unschuld“ von Daisy Alpert Florin geht es um die junge Isabel. Sie stammt aus einer jüdischen Familie, ist eher ein unsicherer Charakter, sie hat ihren Platz in der Welt und ihre eigene Stimme noch nicht recht gefunden.
"Zev forderte mich auf, meine Überzeugungen zu begründen, zum Beispiel, warum ich Feministin oder Demokratin war. Ich war von Natur aus nicht besonders redegewandt und hatte irgendwann verstanden, dass das, was ich fühlte, nichts taugte, solange es nicht ausgesprochen oder begründet werden konnte. Vielleicht glaubte ich deshalb, Zev zuhören zu müssen."
Es ist ihr letztes Jahr am Wilder College. Es kommt zu einer sexuellen Begegnung mit ihrem Kommilitonen Zev, mit dem sie eigentlich nur eine lockere Freundschaft verband. Das war so nicht geplant und Isabel wollte das auch eigentlich nicht so. Hinterher ist sie unsicher. War das sexuelle Gewalt?
"Irgendwo tief in mir tat etwas weh, das ich weder sehen noch benennen konnte."
"Glaubst du im Ernst, ich hätte dich vergewaltigt?", fragte er.
Ich lehnte mich gegen die Tischplatte und spürte, wie sich dessen harte Kante in meinen Rücken bohrt. Glaubte ich das? Ich wusste es nicht mehr. Alles was Zev bis jetzt gesagt hatte, war richtig. Ich war freiwillig mit ihm in sein Zimmer gegangen. Ich hatte nichts gesagt. Er dachte, ich wollte es. Und ich dachte auch, dass ich es wollte. Das Verwirrende daran war, dass es nicht das war, was ich mir unter einer Vergewaltigung vorstellte, also das, wogegen ich mich seit meiner Jugend hatte wappnen sollen. Das hier war Sex in einem Studentenwohnheim in New Hampshire, in einem Zimmer mit Blick auf den Fluss. Und ich hatte nicht mal Nein gesagt."
Kurz darauf kommt mit R.H. Connelly ein gutaussehender und sympathischer Professor als Vertretung ans College. Isabel fühlt sich zu ihm hingezogen und er überhäuft die zutiefst verunsicherte Isabel mit Lob, was ihrem angeknacksten Ego natürlich guttut. Sie weiß, dass er verheiratet ist, dennoch beginnt sie eine Affäre mit ihm, die natürlich geheim bleiben muss. Durch ihn fühlt sich Isabel endlich schön und talentiert, also als genau die Frau, die sie gerne sein will. Durch ihn glaubt sie auch, ihrem Wunsch, Schriftstellerin zu werden, näher zu kommen. Aber es bleibt eine Unsicherheit. Ist sie die einzige, mit der er eine Affäre hat? Ist es richtig oder falsch?
"Der Nachhall des Wortes flackerte durch mich hindurch wie eine Leuchtreklame. Ich war etwas Besonderes. Ich setze mich auf und vergrub das Gesicht an seiner Brust. Glaubte ich ihm? Wir hatten gerade erlebt, wie Bill Clinton schwor, keine Affäre mit Monica Lewinsky gehabt zu haben. Nahmen wir ihm das ab? Wir glaubten, was wir glauben wollen, wir glaubten das, was für uns am besten war. Lügen waren nicht so schlimm, wie man uns als Kindern weiß gemacht hatte, und außerdem waren wir keine Kinder mehr."
Als sich am College um sie herum ein Drama zwischen einem verheirateten Professoren-Ehepaar abspielt, beginnt sich alles zu verändern. Als Isabel von einem Geheimnis erfährt, muss sie sich entscheiden: Belässt sie alles, wie es ist - oder übernimmt sie Verantwortung und redet, wodurch sie allerdings ihre Affäre verraten würde?
Ich tue mir hier mit der Bewertung etwas schwer. Es ist eher ein Buch der leisen Töne, was ich grundsätzlich mag. Hier fehlt mir jedoch das gewisse Etwas. Das Kernthema wird von zahlreichen Nebensächlichkeiten ein wenig aus dem Auge verloren, zwischendrin fand ich die Geschichte dann ein wenig langweilig. Das Buch ist nicht wirklich schlecht, konnte mich aber auch nicht richtig begeistern. Ich vergebe letztlich 3 Sterne.