Rezension zu "An beiden Ufern der Zeit" von Dan Pagis
Aufs Jahresende zu kommts zu merkwürdigen aufzählerischen, zusammenzählerischen, bilanzierenden Gesprächen: Die Lieblings .... (beliebig zu füllen: Bücher, Filme ... usw), ich beteilige mich nur ungern an solchen Gesprächen, das hat so was Abschließendes: das wars, jetzt halten wir Ausschau nach Neuem – schrecklich.
Natürlich kommen trotzdem derartige Gedanken: Was waren denn die wichtigsten Bücher im letzten Jahr? bleibt was davon?
Wenn man da anfangen muß nachzudenken – das lohnt sich kaum, es muß noch ganz präsent sein.
Und es ist nicht entdeckt und ins Regal gestellt, sondern zum weiteren Gebrauch griffbereit!
Unter diesen Voraussetzungen sinds nicht viele.
Einer der auf jeden Fall dazu gehört: Dan Pagis.
Er ist mir wohl entgangen, ich hab einen Band seit Jahren im Regal stehen, er hat nicht so recht geredet mit mir, das passiert bei Gedichtbänden, man findet keinen Zugang, er tut sich nicht auf, aber in diesem Jahr ist mir „An beiden Ufern der Zeit“ in die Hand gefallen und diesmal hab ich vom ersten Moment an gespürt, daß da einer sein könnte, der bleibt.
Mit einfachen Worten beschreibt er eine Realität von der man meinen könnte, sie wäre etwas neben der bekannten – aber ich glaube das nicht, sie ist ganz nah da, es muß so sein, weil die Bilder, die er mit seinen Worten zeichnet, so genau zu sehen sind, so deutlich, das ist keine Erfindung, so ist es:
DER ELEFANT
Der Elefant, ein alter General, vernarbt,
Dickhaut, langmütig:
Auf seinen Säulenbeinen steht eine ganze Welt
von Bauch. Aber
seine Kraft liegt darin, daß er sich von Innen beherrscht.
Im Augenblick Null
tritt er
mit einer Vorsicht wie Watte,
mit bedingungsloser Liebe
auf sechzehn wundervoll genaue Armbanduhren,
schnallt sich je vier an einen Fuß
und gleitet auf ihnen, leicht wie auf Rollschuhn,
aus seinem Elefantenschicksal hinaus.