In den 1960er-Jahren erlebte die Menschheit eines der eindrucksvollsten Raumfahrtprogramme ihrer Geschichte: das Apollo-Programm. Menschen betraten erstmals einen fremden Himmelskörper – eine Leistung, die bis heute als technologische und wissenschaftliche Meisterleistung gilt. Einer der Glücklichen, die dieses Ereignis nicht nur miterleben, sondern aktiv daran teilhaben durften, war Astronaut Richard Baedecker. Doch eine Reise zum Mond hinterlässt nicht nur Spuren auf der staubigen Oberfläche des Trabanten, sondern auch in der Seele derer, die sie unternahmen. Jahre später versucht Baedecker herauszufinden, was dieser einzigartige Moment mit ihm gemacht hat, wie er ihn veränderte – und vielleicht sogar zerstört hat. Er entscheidet sich für einen radikalen Neuanfang, gibt seinen Job auf und begibt sich auf eine Reise, die ihn nicht nur geografisch, sondern auch emotional an seine Grenzen bringt.
Sein erster Halt führt ihn nach Indien – nicht zufällig, denn sein entfremdeter Sohn befindet sich ebenfalls dort. Beide Männer sind auf der Suche nach sich selbst, nach Antworten auf Fragen, die sie lange verdrängt haben. Doch können sie sich gegenseitig helfen? Oder ist dies nur der Beginn eines langen, verschlungenen Pfades, an dessen Ende vielleicht nicht die erhoffte Klarheit wartet? Der Autor nimmt sich viel Zeit, um Szenen und Orte detailreich zu beschreiben. Als Leser taucht man unweigerlich tief in Baedeckers Innenwelt ein. Seine Vergangenheit wird Stück für Stück enthüllt: die gescheiterte Ehe, die zunehmende Entfremdung von seinem Sohn, die rastlose Arbeit, die ihn so lange antrieb – und vielleicht zugleich von sich selbst entfernte. Das Wiedersehen zwischen Vater und Sohn verläuft distanziert, fast kühl. Sie wechseln kaum Worte, und keiner scheint bereit oder fähig, sich wirklich zu öffnen.
Indien, mit all seiner Spiritualität und Suche nach Erleuchtung, bietet für Baedecker keine Antworten – also kehrt er in die USA zurück, doch seine Reise ist noch lange nicht zu Ende. Zurück in seiner Heimatstadt wird er als Held gefeiert. Eine kleine Parade, ein Fest zu seinen Ehren – eine Erinnerung an die Zeit, in der er für viele ein Vorbild war. Doch er selbst zweifelt daran, ob er jemals etwas wirklich Besonderes war. Ist er nicht einfach nur ein Mann in einem Raumanzug gewesen, ein einfacher Mensch mit Fehlern und Unsicherheiten? Und doch: Für andere bleibt er ein Idol. Ein Junge schreibt über ihn einen Schulaufsatz, hat Poster von der Mondlandung in seinem Zimmer, träumt davon, selbst Astronaut zu werden. All das bringt Baedecker ins Nachdenken. Hat er eine Verantwortung gegenüber denjenigen, die in ihm einen Helden sehen? Oder ist es an der Zeit, sich endlich von diesem Bild zu lösen und sein eigenes Leben zu führen? Seine Suche führt ihn weiter, diesmal auf eine Bergwanderung. Dort begegnet er zufällig Maggi – eine Frau, die er bereits in Indien kennengelernt hat. Ein Schicksal oder nur ein weiterer Zufall?
Währenddessen wird auch deutlich, dass nicht nur Baedecker von seiner Mondreise gezeichnet wurde. Seine ehemaligen Kameraden haben sich ebenfalls verändert. Einer von ihnen, Dave, verbrachte sein Leben als Testpilot in engen Kabinen, immer auf der Suche nach dem nächsten Adrenalinkick. Sie sprechen über alles – über das Leben, den Tod und die Frage, was danach kommt. Mit fortschreitender Handlung wird die Grundstimmung zunehmend melancholischer. Richard verliert sich immer mehr in seinen Gedanken, scheint ziellos umherzudriften. Erst der Tod eines Weggefährten zwingt ihn, sich mit der Endlichkeit des Lebens auseinanderzusetzen. Es ist ein Wendepunkt. Er findet wieder einen Zugang zu seinem Sohn, lernt eine junge Frau kennen, die ihm neuen Lebensmut schenkt, und erkennt, dass es an ihm liegt, sein Leben nicht in Einsamkeit enden zu lassen. Der gefeierte Held muss akzeptieren, dass er am Ende nur ein Mensch ist – ein Mensch, der lieben, loslassen und neu beginnen kann.
Fazit:
Einmal Mond und wieder zurück! Es ist kaum vorstellbar, was es bedeutet, Teil einer so monumentalen Mission gewesen zu sein. Die monatelangen Trainings, die Simulationen, die unzähligen medizinischen Untersuchungen – all das schweißt ein Team unweigerlich zusammen. Doch was geschieht, wenn der Höhepunkt des Lebens vorbei ist? Wenn die Welt sich weiterdreht, während man selbst in der Vergangenheit gefangen bleibt? Der Autor wechselt geschickt zwischen verschiedenen Zeitebenen. Vergangene Erinnerungen verschmelzen mit der Gegenwart, mal abrupt, mal fließend – eine Struktur, die erstaunlich gut funktioniert, auch wenn manche Szenen sich weniger relevant anfühlen. Sie geben der Geschichte zwar Tiefe, verraten aber nicht unbedingt mehr über die Hauptfigur oder deren Entwicklung. Dennoch bleibt die Erkundung von Baedeckers innerem Kosmos faszinierend. Besonders die Details über die Mondmission wirken authentisch, fast dokumentarisch – als könnte alles genau so passiert sein. Das Ende hingegen hinterlässt gemischte Gefühle. Einerseits ist es konsequent, andererseits wirkt es stellenweise zu inszeniert. Dennoch hat der Autor eine interessante Reise geschaffen – nicht nur durch die Welt, sondern durch das Innere eines Mannes, der nach Bedeutung sucht. Eine Geschichte für all jene, die sich selbst verloren haben, ohne zu bemerken, dass die Antworten oft näher sind, als sie denken. Ein Roadtrip durch die Seele, der zeigt, dass es manchmal nur einen Perspektivwechsel braucht, um zu erkennen, dass man bereits angekommen ist.
Matthias Göbel
Autor: Dan Simmons
Übersetzung: Joachim Körber
Taschenbuch: 417 Seiten
Verlag: Heyne Verlag
Veröffentlichung: 02.10.2009
ISBN: 9783641033101
Dan Simmons
Lebenslauf
Alle Bücher von Dan Simmons
Terror
Die Hyperion-Gesänge
Drood
Ilium
Endymion
Der Berg
Kinder der Nacht
Sommer der Nacht
Neue Rezensionen zu Dan Simmons
Dan Simmons erschafft ein riesiges Sci-Fi-Universum, das ich beim ersten Lesen gar nicht komplett erfassen konnte.
Die Geschichte mit den sieben Pilgern, die alle ihre eigene Geschichte erzählen, fand ich super interessant, aber manchmal auch herausfordernd. Es gibt so viele Ebenen und Anspielungen - von Religion über klassische Literatur bis zu futuristischer Technologie. Die Figur des Shrike hat mich besonders fasziniert und teilweise auch erschreckt.
Ich muss das Buch definitiv nochmal lesen, um alle Zusammenhänge zu begreifen. Die verschiedenen Planeten, die KIs, die Zeitgräber - Simmons baut einen riesigen Raum auf, in dem man sich leicht verlieren kann.
Trotz der Komplexität hat mich die Geschichte nicht losgelassen und ich werde es definitiv nocheinmal lesen.
Die Erstbesteigung des Mount Everest im Jahr 1924 und das damit einhergehende Verschwinden des erfahrenen Bergsteigers George Herbert Leigh Mallory und seines Begleiters Andrew (Sandy) Irvine hat sich Dan Simmons in seinem Roman "Der Berg" als zentrales Thema genommen.
Einige Jahre in Folge hatte Mallory vor Ort Informationen zur Beschaffenheit des Berges, der Wetterverhältnisse der verschiedenen Jahreszeiten und Pläne für die Erstbesteigung des Mount Everest gesammelt, ehe er es dann endlich 1924 gemeinsam mit Irving versuchte. Zeitgleich befinden sich Richard David Deacon, ein langjähriger Freund Mallorys, Jean-Claude Clairoux und der Amerikaner Jacob (Jake) Williams Perry auf einer Klettertour am Matterhorn. Während dieser Tour erreicht die drei begnadeten Bergsteiger die Nachricht von Mallorys und Irvines Verschwinden. Im Zusammenhang mit deren Verschwinden steht auch das Verschwinden von Deacons Cousin Perceval Bromley, der zwar kein Mitglied der Everest Expedition war, aber auf eigene Faust hinter Mallorys Team herkletterte.
In Deacon wirbeln die Gedanken durcheinander. Und nach einiger Zeit fragt er seine beiden Kletterfreunde JC und Jake, ob sie mit ihm gemeinsam eine Besteigung des Mount Everest wagen würden. Diese lassen sich nicht lange überreden. Doch die Finanzierung der Expedition könnte problematisch werden. An dieser Stelle kommt Lady Bromley ins Spiel, denn Deacon gibt ihr gegenüber vor, nach ihrem vermissten Sohn Percy zu suchen und so erklärt sich Lady Bromley bereit die erneute Everest Expedition zu finanzieren.
Die gesamte Expedition wird zu einer nerven- und kraftraubenden Sache und als eines Tages ein lauter Schrei ertönt und Deacon und Co feststellen müssen, dass alle Sherpas im Lager III auf bestialische Art und Weise getötet wurden, wird den Abenteurern klar, dass noch etwas weitaus gefährliches in den Bergen auf sie lauert.
Auch in "Der Berg" widmet sich Dan Simmons wieder einer wahren Begebenheit, die bis heute nicht vollends aufgeklärt ist und für Spekulationen sorgt. Ob Mallory und Irving den Gipfel je erreicht haben, weiß niemand. Mallorys Leiche wurde 79 Jahre später, erst im Jahr 1999 gefunden. Dass er die Mischung von Wahrheit und Fiktion meisterlich beherrscht hat mir Simmons ja bereits in "Terror" bewiesen.
Dan Simmons hat hier wieder einen großartigen Roman geschaffen und wählt hier eine interessante Erzählmethode. Zu Beginn des Buches dürfen wir Dan Simmons persönlich begleiten wie er Kontakt zu dem besagten Jacob Perry aufnimmt, der mittlerweile hochbetagt in einem Seniorenheim lebt. Diesen Jake lässt Simmons dann quasi seine Memoiren niederschreiben. Es ist mir nicht gelungen herauszufinden, ob es Jacob Williams Perry wirklich gegeben hat, daher gehe ich davon aus, dass Simmons ihn als fictionalen Part in die Geschichte eingebracht hat, um einen Erzähler aus erster Hand zu haben. Was hier wirklich ganz hervorragend gelingt.
Was weniger gelungen ist: Der Klappentext suggeriert etwas ganz anderes, als das Buch am Ende liefert. Für mich war es dennoch ein wirklich toller Roman, der mir sehr gut gefallen hat - was ich im Nachhinein kaum glauben kann. Tatsächlich geschieht über die Hälfte des Buches herzlich wenig. Die erste Hälfte des Buches beschäftigt sich nur mit den Vorbereitungen für die Expedition, ehe die Teilnehmer überhaupt zum Everest aufbrechen. Doch Simmons hat ein so großartiges erzählerisches Talent, dass ich selbst das ungemein spannend fand. Und das kuriose ist, dass ich, die absolut keine Ahnung oder überhaupt Interesse am Bergsteigersport hat, mich so sehr von Simmons Erzählung habe mitreißen lassen, dass ich beim Lesen selbst Lust hatte auf eine Expedition zu gehen. Zudem versteht sich Simmons sehr gut darauf einem absoluten Laien wie mir das nötige Wissen für solche Expeditionen auf eine angenehme Art und Weise zu vermitteln ohne mich dabei zu langweilen.
Das Ende des Buches wird dann allerdings etwas abstrus, aber das schmälert weder das Gesamtwerk noch den Spaß.
Gespräche aus der Community
Wir haben beschlossen in der Insider Top-3-Voting-Challenge zusammen "Terror" von Dan Simmons zu lesen.
Wir beginnen jetzt und lassen uns bis zum Ende des Monats Zeit, um es zu beenden. Rezensieren ist keine Pflicht, aber bei der Challenge erhält man 2 Lose dafür.
Jeder liest mit seinem eigenen Leseexemplar, es gibt kein Buch zu gewinnen!
Es kann natürlich jeder mitmachen, der Lust dazu hat, auch wenn er nicht bei der Challenge angemeldet ist.
Vielleicht könnt ihr ne kurze Info geben, wann ihr mit Lesen anfangen wollt. Danke.
Viel Spaß uns allen :)
Wir haben beschlossen in der INSIDER-Voting-Challenge zusammen "Der Berg" von Dan Simmons zu lesen.
Wir beginnen am 01.09.2017 und lassen uns bis zum Ende des Monats Zeit, um es zu beenden. Rezensieren ist keine Pflicht, aber bei der Challenge erhält man ein Los dafür.
Jeder liest mit seinem eigenen Leseexemplar, es gibt kein Buch zu gewinnen!
Es kann natürlich jeder mitmachen, der Lust dazu hat, auch wenn er nicht bei der Challenge angemeldet ist.
Viel Spaß an alle, die mitmachen möchten :)Autor: Dan Simmons
Hier gibt es leider keine Bücher zu gewinnen ;)
Ab dem 01.11.15 wollen wir uns gemeinsam an dem Walzer Drood von Dan Simmons herranwagen, jeder der mitmachen will, ist herzlich willkommen!
Viel Spass !
Zusätzliche Informationen
Dan Simmons wurde am 04. April 1948 in Peoria (Vereinigte Staaten von Amerika) geboren.
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