Cover des Buches Terror (ISBN: 9783641113612)
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Rezension zu Terror von Dan Simmons

Gefangen im Eis

von Camillex vor 10 Jahren

Kurzmeinung: Die Story gefällt mir gut. Die Charaktere wirken lebendig. Spannende Horrorszenen, stellenweise aber auch recht zäh.

Rezension

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Camillexvor 10 Jahren
Inhalt:

Im Sommer 1845 brechen zwei der modernsten englischen Schiffe - die "Erebus" und die "Terror" - unter dem Kommando von Sir John Franklin auf, um die legendäre Nord-West-Passage zu entdecken. Ihr Weg führt sie durch das ewige arktische Eis. Sie starten mit 129 Mann und werden zuletzt von Walfängern in der Baffin-Bucht gesichtet. Danach werden weder die Teilnehmer der Expedition, noch die beiden Schiffe jemals wieder gesehen.
Mehrere Jahre lang stecken die beiden Schiffe im Eis fest. Anfangs noch guter Dinge, dass das Eis bald wieder aufbrechen wird, sobald es im nächsten Sommer wärmer wird, versuchen sie die Schiffe so gut es geht in Stand zu halten. Sie ernähren sich von ihren Vorräten (hauptsächlich Konservendosen und Zwieback) und warten auf das Tauen des Eises. Doch es drängt erbarmungslos heran und droht die beiden Schiffe zu zerquetschen. Bald merken sie, dass die Lebensmittel doch nicht so lange reichen, wie geplant. Denn die Konserven sind nur mangelhaft hergestellt, beginnen bald an zu schimmeln oder bilden ein tödliches Gift. Der optimistische John Franklin ist überzeugt davon, dass sie dennoch bald ihr Ziel erreichen werden und will nicht einsehen, dass die Männer auf seinem Schiffe zugrunde gehen und nach mehreren Wintern im Eis kaum noch Kohle übrig ist, um mit den Schiffen weiterzufahren, ganz abgesehen von den enormen Beschädigungen.
Ganz anders sieht das der Kapitän des Schiffes Terror, Francis Crozier. Er will die Schiffe schon früh aufgeben und zu Fuß weitermarschieren, um ihrem eisigen Gefängnis zu entkommen. Doch an eine Aufgabe will der ignorante Sir John gar nicht denken. Doch es kommt noch schlimmer. Nicht nur gehen die Nahrungsmittel der unverhältnismäßig schlecht für die arktischen Verhältnisse ausgestatteten Engländer zu Neige, die langsam von Skorbut und Erfrierungen dahingerafft werden, es treibt auch noch ein tödliches Tier sein Unwesen um das Schiff herum. Zunächst halten es die Männer von einen extrem großen Eisbären, doch als das Wesen beginnt, die Expeditionsteilnehmer quasi vom Schiff zu picken, halten sie es für etwas weit Schlimmeres. Der Tuunbaq, ein Teufel oder böser Geist, ist Menschenfresser mit messerlangen Klauen, der einem Mann mühelos den Kopf abreißen kann. Die Männer geraten zunehmend in Panik und Verzweiflung und kommt zu Meutereien. Sie wollen Lady Silence, eine Eskimofrau, die etwas gleichzeitig mit dem "Wesen" auftauchte ermorden, da sie sie für eine Hexe halten.
Nachdem Sir John Franklin von dem "Wesen" in Stücke gerissen wurde, beschließt Kapitän Crozier, der nach Franklins Tod der neue Expeditionsleiter ist, die Schiffe im Frühling 1848 zu verlassen. Es besteht keine Hoffnung, noch lange auf den Schiffen zu überlegen. Mit tonnenschwerer Ausrüstung auf Schlitten, die für das Eis nicht geeignet sind, ziehen sie los. Die erschöpften Männer legen teilweise nur 1-2 Meilen pro Tag zurück. Das Wesen folgt ihnen auf ihrem Todesmarsch. Eine verzweifelte Reise beginnt.


Meine Meinung:


Zu Beginn möchte ich sagen, dass das Buch wirklich gut aufgebaut ist. Die einzelnen Kapitel sind jeweils nach unterschiedlichen Teilnehmern der Expedition benannt, aus deren Sicht dann abwechselnd erzählt wird. Das finde ich sehr gut so und auf jeden Fall spannender, als nur aus der Sicht von z.B. den Kapitänen zu lesen. Man erfährt dadurch sehr viel über die Personen und kann ihre Entwicklung mitverfolgen. Die Menschen wirken sehr echt.
Am Anfang des Buches befindet sich eine Karte, auf der der Weg und wichtige Punkte der Reise eingezeichnet sind. Am Ende findet man eine Liste aller Teilnehmer, ein Glossar mit Begriffen aus der Seefahrt sowie die Übersetzungen einiger Eskimo-Begriffe.
Stellenweise fand ich das Buch zu langatmig. Oft und über mehrere Seiten wird die Ladung und die Besatzung aufgezählt. Auf viele Punkte hätte man verzichten können. Mehrmals stellt Crozier fest, welche Leute noch am Leben sind und zählt diese auf. Ebenso mit den Vorräten. Wiederholt werden Messen gehalten, die ich zugegebenermaßen nur überflogen hab, weil ich die religiösen Vorträge wahnsinnig trocken fand.
An vielen anderen Stellen gefiel mir das Buch aber sehr gut. Die Beschreibung, wie die Männer langsam dem Skorbut erliegen und sich trotzdem immer weiter kämpfen, ist richtig gut. Man wird mit vielen Schrecken des wahren Lebens konfrontiert. Neben den Krankheiten auch mit dem schwindenden Lebensmittelvorrat. Weil man zu dem günstigsten Angebot gegriffen hat, bekam man mangelhafte Ware, was den Männern nun das Leben kostet. Unzufriedenheit treibt die Besatzung zu Meutereien an, die es zu entschärfen gilt. Doch das gelingt natürlich irgendwann nicht mehr. Männer werden niedergemetzelt oder zurückgelassen. Es ist eine sehr trostlose, frostige Geschichte.

"Er hatte begriffen, dass sie ihn zurücklassen wollten, als am späteren Abend ein Schiffsmaat nach dem anderen bei ihm vorbeigekommen war, ohne etwas zu sagen oder auch nur sein Gesicht zu zeigen. Jeder Einzelne von ihnen hatte ihm ein oder zwei Stücke felsenharten, schimmeligen Schiffszwieback ins Zelt geschoben, und jetzt lagen sie aufeinandergeschichtet neben ihm wie weiße Steine für sein Begräbnis. Er war zu schwach, um zu protestieren, und zu beschäftigt mit seinen Träumen. Dennoch hatte er verstanden, dass diese lausigen Klumpen aus altbackenem, schalem Mehl alles waren, was er für die Jahre treuer Dienste in der Navy und für Kapitän Crozier bekam. Sie wollten ihn zurücklassen." (Terror, Seite 836)

Das "Wesen" hat der Geschichte dann noch einen zusätzlichen Schrecken verliehen. Ja, auch ohne ein Monster wäre die Story schlimm genug. Allerdings muss ich zugeben, dass ich doch ganz froh war, dass es so ein übersinnliches Element gab. Die Vermischung von realem Schrecken und Fiktion fand ich gut. Denn durch einen reinen historischen Roman würde ich mich nicht kämpfen wollen. Dennoch ist es eher so, dass das Monster nicht der Leitfaden des Buches ist, sondern immer noch das Schicksal der Besatzung im Vordergrund steht. Die Männer gehen den Weg, den sie gehen müssen. Ab und zu wieder dieser dann von dem "Wesen" durchkreuzt. Es gibt viele schlimme Szenen, in denen Menschen zerfleischt, in Stücke gerissen und durch die Gegend geschleudert werden. Oft geht es blutig zu, und das auch, als ein Teil der Mannschaft beschließt, sich von Menschenfleisch zu ernähren.

Nachdem ich mich bis zum Ende durchgekämpft habe, war ich doch etwas überrascht. Vermutet habe ich, dass auf dem Zug übers Eis die Mannschaft komplett draufgeht. Allerdings gibt es einen Überlebenden, der am Ende Bekanntschaft mit den spiritellen, übernatürlichen Bräuchen der Eskimos macht. Mit Hilfe von alter Inuit-Mythologie versucht Simmons das Monster zu erklären. Ich finde das ziemlich unpassend. Denn vorher war kaum bzw. gar nicht die Rede von irgendwelchen erzornten Eskimo-Göttern. Das Ende war einfach so anders als der Rest des Buches, das ich damit nicht viel anfangen kann. Es war zwar interessant, etwas darüber zu erfahren, allerdings hat es irgendwie die Atmosphäre kaputt gemacht.


Fazit:

Den sehr ausführlichen, detailreichen Schreibstil empfand ich zeitweise als sehr ermüdend. Immer dieselben Tagesabläufe, immer dasselbe durchzählen der Mannschaft. Viele (meiner Meinung nach unnötige) Ausschweifungen. Dennoch finde ich es alles in allem ein sehr gutes, umfangreiches und toll geschriebenes Buch. Die Schicksale einzelner Expeditionsteilnehmer sind toll geschildert und geben der hauchen der Geschichte Leben ein. Die Vermischung von Fakten und Fiktion finde ich sehr gelungen. Während den knapp 1000 Seiten sind so viele Informationen und Gefühle auf mich zugekommen, dass das Gesamtwerk schwer zu beschreiben ist. Es hat mich sehr mitgenommen, obwohl es stellenweise sehr zäh war. Aber vielleicht auch gerade wegen der ganzen Hoffnungslosigkeit. Es ist außerdem eine gute Portion Horror dabei, oder passender ausgedrückt Terror. Das Ende allerdings finde ich unpassend. Interessant, aber unnötig.

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