Drei französische Soldaten sind zum Jahresende 1956 auf Heimaturlaub. Statt die Zeit mit ihren Familien zu verbringen, lassen sie sich durch Paris treiben, in dem sie als Fremdkörper wahrgenommen werden.
"Keine andere Stadt ist so chauvinistisch und hurrapatriotisch und zugleich so kultiviert, feinfühlig und auf selbstsüchtige Weise geschmackvoll. Das ach so elegante Paris schämt sich für seine schlecht gekleideten Soldaten, verschleißt sie aber permanent - ganze Jahrgänge gehen dabei drauf. Tag und Nacht besudelt es sich mit ihrem Blut, wie eine Kokotte Rouge aufträgt." (S. 154f).
Lachaume wurde von seiner Frau verlassen, Valette kehrt zurück in ein kommunistisches Viertel und Lasteyrie möchte sich einfach nur vergnügen. Alle drei versuchen zu verdrängen, dass sie in einigen Tagen wieder im Zug nach Algerien sitzen müssen. Und je mehr die Zeit fortschreitet, desto mehr steigt die Verzweiflung.
Der vorliegende Roman ist bereits 1957 erschienen und schnell wieder "in der Versenkung" verschwunden, da der Algerienkrieg in Frankreich ein Tabuthema war. Dem Nachwort ist zu entnehmen, dass erst seit 1999 offiziell vom Algerienkrieg gesprochen wird und bis heute ein Schuldeingeständnis Frankreichs aussteht. Anselme wollte mit "Adieu Paris" ein Antikriegsbuch schreiben und die Ignoranz der Franzosen zum Algerienkrieg aufzeigen. Selbst den Kommunisten in seinem Buch fällt nichts weiter ein als lediglich Unterschriften gegen den Krieg zu sammeln, während die drei Soldaten darüber verzweifeln, dass ihre Jugend, wenn nicht gar ihr Leben, mit diesem Krieg verschwendet wird. Anselmes Buch ist sprachlich anspruchsvoll und auch von der Handlung her nicht immer leicht zu durchsteigen. Die Gesellschaftskritik wird gut vermittelt, allerdings mangelt es immer wieder an Handlung. Die Soldaten treiben dahin, und der Leser mit ihnen. Zahlreiche Bilder und Metaphern wurden mir erst durch das äußerst hilfreiche Nachwort der Übersetzerin Julia Schoch klar. Ohne dieses Nachwort wäre ich sicherlich ein wenig "aufgeschmissen" gewesen.
Vom Stil her ist dieses Buch wie ein französischer Film. Die Sätze wirken abgehackt und ich konnte die hohe Sprechgeschwindigkeit förmlich hören. Auch im Nachwort wird der Verweis auf den französischen Film getätigt. Leider kann ich mit diesen Filmen wenig anfangen und auch in diesem Buch waren die Handlungen und die Verhaltensweisen der Figuren recht sprunghaft und für mich teilweise wenig nachvollziehbar.
Insgesamt ist "Adieu Paris" sicherlich ein wichtiges Buch, das sich auf jeden Fall mit entsprechender Begleitung auch als Schullektüre für die Oberstufe eignet, aber als Roman an sich konnte mich dieses Buch nicht packen oder fesseln. Und ohne die Hilfestellung durch das Nachwort, mit dem man abgleichen konnte, ob man die Bilder und Intentionen auch richtig verstanden hat, und auch noch einiges an Zusatzinformationen erhalten hat, wären mir wichtige Einsichten und Erkenntnisse sicherlich entgangen und das Buch hätte einiges an Frust hinterlassen. Zudem war der Erzählstil eher inkompatibel mit meinem (Lese-)Geschmack. Daher gibt es von mir eine eingeschränkte Leseempfehlung.
Daniel Anselme
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Adieu Paris
Neue Rezensionen zu Daniel Anselme
Buchinhalt
"Paris, Anfang der 50er Jahre - im Strom der Passanten auf der Rue de Rivoli küsst sich ein junges Paar. Diese Szene wird zu einer der berühmtesten Fotografien des 20. Jahrhunderts und weltweit Symbol für die Stadt der Liebe. Nur wenig später beginnt im besetzten Algerien ein Krieg, in dem die Grande Nation bis 1962 eine ganze Generation junger Männer verheizt. In Adieu Paris kehren drei Soldaten über Weihnachten aus diesem Krieg für ein paar Tage auf Urlaub nach Paris zurück. Zunächst geht jeder seiner Wege, doch schon bald sind sie wieder vereint. Mit Familie und Freunden können sie das Erlebte nicht teilen, fremd und fern erscheint ihnen die eigene Stadt. In den Cafés am berühmten Rive Gauche schlagen sie sich die Nächte um die Ohren, suchen fieberhaft nach einer Möglichkeit, dem Schicksal des Krieges zu entgehen - und fügen sich am Ende doch, da niemand von ihrer Bedrängnis Notiz nimmt."
Leseeindruck
Ich probiere ja auch gern literarisch mal etwas neues aus und die Geschichte klang echt gut für mich, aber ich bin einfach nicht warm geworden mit diesem Buch und musste mich regelrecht zwingen es zu Ende zu lesen.
Eigentlich ein guter Schreibstil, aber leider hat mich die Story aus irgendwelchen Gründen nicht erreicht/bewegt. Ich kann selbst nicht genau begründen warum dies so war, da ja der Background eigentlich total emotional und bewegend ist. Aber leider sind diese Emotionen bei mir nicht angekommen.
Ich möchte auch das Buch hier nicht zerfetzen, weil ich einfach denke, es kann nicht jedes Buch, jedermanns Geschmack treffen und es wird sicherlich viele Menschen geben, die mit diesem Buch ihren Spaß haben.
Leider kann ich keine Leseempfehlung für mich aussprechen.
Algerienkrieg… ich musste erst einmal nachlesen was genau damals passiert ist. Der Krieg um die Unabhängigkeit Algeriens von Frankreich… Dieser Krieg hat 8 Jahre gedauert von 1954 bis 1962, kostete eine halbe Million Menschen das Leben. Erst 1999 wurde der Begriff „Algerienkrieg“ von der französischen Nationalversammlung anerkannt und erst in den Jahren 2000-2002 wurde der Krieg erstmals öffentlich diskutiert.
Dies als Hintergrund zu dem Roman La Permission von Daniel Anselme der erstmals 1957 (also noch MItten im Krieg) in Frankreich erschien, nicht positiv aufgenommen wurde und schnell von der Bildfläche verschwand. Dieser Roman wurde nun neu aufgelegt, in einer Übersetzung und einem großartigen Nachwort von Julia Schoch. Besser kann man es nicht sagen, deshalb möchte ich gerne diese Passage aus ihrem Nachwort aus Adieu Paris, wie die deutsche Ausgabe heißt, zitieren.
„Drei befreundete Wehrpflichtige sind Ende Dezember 1956 für ein paar Tage auf Heimaturlaub in Paris. Ein Intellektueller, ein junger Kommunist und ein Frauenheld – so verschieden sie von ihrer Herkunft und dem Charakter nach sind, vereint sie doch die Erfahrung des Krieges, in den sie alle gegen ihren Willen hineingezogen wurden. Je näher der Abfahrtstermin zurück in den Krieg rückt, desto größer wird ihre Verzweiflung. Fieberhaft suchen sie nach einer Lösung, wie sie diesem Schicksal entgehen könnten – und fügen sich letztendlich, da niemand von ihrer Bedrängnis Notiz nimmt.“
Die drei jungen Männer kehren nach Paris zurück, Heimaturlaub, nur vom Krieg kann man nicht Urlaub machen. Schon gar nicht wenn dieser Krieg in den Augen der Gesellschaft und der Politik nicht existiert. Die drei heimgekehrten Soldaten (die für eine ganze Generation stehen) sind traumatisiert und finden kein Gehör. Die anfängliche eher positive Stimmung, wechselt schnell in Melancholie, Frustration und dann Resignation über. Die jungen Männer irren sinn- und ziellos durch eine Stadt, die ihnen fremd geworden ist. So richtig wohl fühlt sich keiner von ihnen, weder in der eigenen Familie beim Weihnachtsessen noch unter Freunden. „Abschalten“ können sie nur innerhalb der kleinen Gemeinschaft, der sich die Deutsche Lena anschließt, die mit Alkohol und nächtlicher Zerstreuung die Schatten ihrer eigenen Vergangenheit bekämpft. Ebenso wie Familie und Freunde, steht der Leser unnahbaren, distanzierten Charakteren gegenüber, deren Innenleben er nur erahnen kann, wie könnte es in einer solchen Situation anders sein. Wirklich etwas über den Krieg und was die Soldaten erlebt haben, erfahren wir in den elf Tagen über die sich die Handlung erstreckt nicht. Das macht das Buch aus meiner Sicht noch viel eindringlicher, denn die Phantasie füllt die fehlenden Puzzleteilchen aus und damit muss sich der Leser auseinandersetzen. Der Autor übt zwar Kritik an der Gesellschaft, der Politik und Wirtschaft, aber sein eigentliches Anliegen ist es die psychologische Auswirkungen, die der Krieg auf die Soldaten hat, näher zu beleuchten. Der Schreibstil ist anspruchsvoll, aber aus meiner Sicht auch ein wenig holprig. Es ist Anselmes erster Roman, der Journalist ist mit 16 in die Fußstapfen seines Vaters getreten und hat sich der Resistance angeschlossen. Den Krieg selbst hat er nicht erlebt, aber sehr wohl die heimkehrenden Soldaten, wie man anhand der folgendef Abschieds-Passage am Bahnhof (wie auch bei vielen anderen im Buch) merkt.
„Die Gare de Lyon war voller frisch rasierter Soldaten. Kreidebleich oder hochrot unterhielten sie sich, ohne einander anzuschauen, und alberten herum, ohne zu lachen, während die Militärpolizei sie mit aufgepflanztem Bajonett überwachte. Zivilsten waren kaum zu sehen.“ (Zitat aus Adieu Paris)
Ein wirklich lesenswerter Roman über ein sehr dunkles Kapitel der französischen Geschichte, der zum Glück seinen Weg zurück in die Bücherregale gefunden hat.
* Rezensionsexemplar über Lovelybooks / Verlag
Gespräche aus der Community
50er Jahre - Krieg - Schicksale
Bewerbt euch jetzt zur Leserunde "Adieu Paris" von Daniel Anselme und taucht ein in die Geschichte 3er Soldaten, die aus dem Krieg zurück kehrten.
DANIEL ANSELME, 1927 als Daniel Rabinovitch geboren, gab sich während seiner Zeit in der französischen Résistance den Decknamen Anselme.
Als Journalist unternahm er viele Reisen, und man kannte ihn als Stammgast und Geschichtenerzähler in den Pariser Cafés am berühmten linken Ufer der Seine. Er wandte sich offen gegen den Krieg in Algerien, Anlass für seinen ersten Roman Adieu
Paris (Originaltitel: La Permission), der 1957, also noch während des Algerienkrieges, erschien. Daniel Anselme starb 1984 in Paris.
Wir suchen nun mindestens 15 Leser, die gerne in Romanen schmökern und das Buch gerne gemeinsam in der Leserunde lesen möchten. Blogger dürfen sich gerne ihre Blogadresse mit angeben.
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