Daniel Göske

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Lebenslauf

Daniel Göske, geb. 1960, ist Professor für Amerikanistik / Literaturwissenschaft an der Universität Kassel und widmet sich als Übersetzer vor allem dem Werk Herman Melvilles.

Quelle: Verlag / vlb

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Neue Rezensionen zu Daniel Göske

Cover des Buches Herz der Finsternis (ISBN: 9783150206539)

Rezension zu "Herz der Finsternis" von Joseph Conrad

Ein LovelyBooks-Nutzer
ujet, Person und Sprache verschmelzen zu einem Universum der menschlichen Möglichkeiten. Im guten wie im Bösen.

Alle paar Jahre lese ich Joseph Conrads Herz der Finsternis. Für mich eines der herausragendsten Bücher aller Zeiten. Als Liebhaber von Francis Ford Coppolas Apocalypse Now ist das auch recht naheliegend. Mittlerweile habe ich so mehrere Übersetzungen kennen, aber nur eine schätzen gelernt. Die beste Übersetzung, oder vielleicht angemessener, die stimmungsvollste Übersetzung hat für mich Daniel Göske geleistet. Diese ist 1991 bei Reclam als klassisches kleines gelbes Büchlein erschienen. Das besondere an dieser Ausgabe sind zudem Anmerkungen, die man nur als äußerst hilfreich bezeichnen kann, ebenso wie das förderliche und hochinteressante Nachwort. Andere Ausgaben lesen sich bereits aufgrund der fehlenden Anmerkungen (und dazu noch teils viel zu modernen) Übersetzungen weitaus unrunder. Nun hat Reclam im Zuge seiner Serie „Phantasiereisen mit Klassikern von Reclam. Die beliebtesten Klassiker in neuer Taschenbuch-Ausstattung.“ auch Joseph Conrads Herz der Finsternis neu aufgelegt.

Das Unerzählbare zeigen

Und da hier nun also mehrere Dinge zusammentreffen, die mir äußerst gefallen, habe ich die Gelegenheit genutzt wieder einmal mit einem Dampfschiff den Kongo entlangzufahren. Conrads Roman ist ein Meisterwerk des Erzählens. Die Reise ins Unbekannte, in die Finsternis eines noch zu entdeckenden Kontinents, in die Finsternis des kolonialen Imperialismus ebenso wie in die Finsternis der eigenen Seele hat alles, was ein großes Abenteuerepos braucht.

Viele aktuelle Autor*innen würden aus dem Material einen mehrere tausend Seiten umfassenden Mehrteiler machen. Alles würde expliziert werden, alles würde mehrfach in unzähligen Varianten durchgekaut, das letzte Detail würde beschrieben werden und nichts, aber auch gar nichts wäre den Leser*innen überlassen – außer die reine Konsumhaltung. Nicht so bei Conrad. Es ist ein Kurzroman, nur 124 Seiten. Und dennoch sind diese wenigen Seiten intensiver und nachhaltiger als die meisten modernen Bestseller.

Joseph Conrad hat den Roman in nur zwei Monaten verfasst – ein Schreibwahn in dem Produktion und Inhalt sich gegenseitig bedingen und eskalieren. 1899 veröffentlicht, fast 10 Jahre nach Conrads eigener Reise zum Kongo, ist der Roman sowohl Reisebericht, Aufarbeitung des autobiografischen Traumas, Abrechnung mit Kolonialismus, Rassismus, Imperialismus und Kapitalismus – verpackt in ein literarisches Kunstwerk, das nur wenig übertreibt, wie Conrad in einem Tagebucheintrag festhielt.

Das Herz der Finsternis ist ein grandioses Spiel mit Worten. Conrad erklärt nicht, er zeigt. Und das nur vage. Das Grauen ist immer da, aber kaum greifbar. Der Horror des Kolonialismus, der Folter, des Mords, der unerzählbaren Grausamkeiten wird nur in Ausschnitten angedeutet. Wo heute in geradezu sadistischer Menschenverachtung der Torture Porn auch in den Mainstream Einzug gehalten hat (man denke an Saw, 24, Game of Thrones oder viel zu viele weitere), verbleibt Conrad im Ungewissen, im Nebel der Deutungen, der ambivalenten Gefühle und dennoch wissen die Leser*innen, was hier passiert. Die Vorstellungskraft obsiegt gegenüber der expliziten Darstellung. Das ist der Unterschied zwischen Kunst und Konsum.

The Horror, the Horror

Der Flussdampferkapitän Charlie Marlow soll den Kongo entlangfahren, um den Elfenbeinhändler Kurtz zu treffen. Dieser sei eine geniale aber vielleicht auch verrückte Persönlichkeit. So vage wie der Ausgangspunkt, so diffus bleiben sowohl Kurtz als auch Marlow – im Grunde der gesamte Kontinent, der gesamte Kolonialismus.

Je tiefer die Reisenden in das fremde Terrain vordringen, desto unmöglicher scheint eine Rückkehr. Zumindest eine Rückkehr als derselbe Mensch als der man losgefahren ist. Die Fahrt auf dem Kongo in die Tiefen des Urwaldes sind das beeindruckendste und bedrückendste was Literatur zu leisten vermag.

Conrads Sprachgewalt steht der hintergründigen physischen wie psychischen Gewalt in nichts nach. Sujet, Person und Sprache verschmelzen zu einem Universum der menschlichen Möglichkeiten. Im guten wie im Bösen.

Cover des Buches Die Schattenlinie (ISBN: 9783423146579)
KarenAydins avatar

Rezension zu "Die Schattenlinie" von Joseph Conrad

KarenAydin
Als reines Spannungsbuch funktioniert der Roman nicht, er ist aber sehr dicht und regt zu unterschiedlichen Interpretationen an

Joseph Conrad ist den meisten wohl eher bekannt durch seine Novella „Heart of Darkness“, auf der der Film „Apocalypse now“ grob basiert. „Schattenlinie“ ist ein spätes Werk des 1924 verstorbenen polnisch-britischen Autors, es wurde um 1915 oder 1916 veröffentlicht und trägt autobiographische Züge. Der Erzähler blickt als älterer Mann auf seine Jugend zurück, wie Conrad nach eigener Aussage selbst auf seine Zeit zur See zurückblickte, die zu diesem Zeitpunkt mehrere Jahrzehnte zurücklag.  

 

„Damit beginnt der Lebensabschnitt, in dem wohl jene Momente auf uns zukommen, von denen ich gesprochen habe. Welche Momente? Nun ja, die der Langeweile, der Ermüdung, des Verdrusses. Unbedachte Momente. Ich meine jene Momente, in denen die noch Jungen geneigt sind, so unbedachte Dinge zu tun wie plötzlich zu heiraten oder ohne jeden Grund eine Stelle aufzugeben. Dies ist nicht die Geschichte einer Heirat. So schlimm stand es um mich noch nicht. Meine Tat, unbedacht, wie sie war, glich eher einer Scheidung – beinahe einer Fahnenflucht. Ohne einen Grund, den ein vernünftiger Mensch hätte genau bezeichnen können, gab ich meine Stelle auf – warf meinen Posten hin –, verließ das Schiff,“ (S. 12).

 

In einem Hafen des Fernen Ostens begegnen wir dem Ich-Erzähler, der aus nicht näher bekannten Gründen von einem Handels-Dampfschiff abgemustert hat, auf dem er als Erster Offizier tätig gewesen ist. Nun befindet er sich in einem Offiziersheim und hat eigentlich den Plan, nach Hause zurückzukehren, als ihm ein Angebot gemacht wird, das er nicht ablehnen kann. Ohne die erforderliche Qualifikation zu haben, soll er Kapitän des Dampfschiffs „Melita“ werden. Und so übereilt seine Entscheidung gewesen war, das erste Schiff zu verlassen, so impulsiv sagt er nun zu. Eine fatale Entscheidung, denn an Bord wird er mit dem seltsamen ersten Offizier Mr. Burns konfrontiert, der selbst gern den Posten gehabt hätte. Und dann macht sich eine seltsame Seuche breit.  

 

Der Titel „Shadow Line“ kann auf unterschiedliche Art und Weise interpretiert werden, es ist zum einen ein nautischer Begriff, er kann sich aber auch auf die Zeit auf einer Sonnenuhr beziehen, er markiert die Grenze zwischen Jugend und Erwachsenenalter und auch zwischen dem Natürlichen und dem Übernatürlichen. An dem Titel kann man also schon ablesen, dass Conrad es dem Leser überlässt, diese etwas seltsame Erzählung zu interpretieren. Sie mag einem jugendlichen Leser auch etwas anderes bedeuten als einem erwachsenen oder einem älteren. Große Themen sind es, die Conrad anspricht, nicht nur Unschuld und Erfahrung, Jugend und Alter, sondern Erwartungen, Enttäuschungen, Hybris. Es ist ein etwas sperriger Text, der nicht durch die Erzählung selbst, sondern durch den Versuch, ihm seine Geheimnisse zu entlocken, reizvoll wird und bei mehrfacher Lektüre sicher auch unterschiedliche Interpretationen zulässt, zum Beispiel auch vor dem historischen Hintergrund des beginnenden Ersten Weltkriegs. So war es jedenfalls für mich. Insgesamt ist es eine sehr lohnenswerte, aber nicht besonders (ent-)spannende Lektüre. Aber das muss ja auch nicht immer sein.

 

Wem könnte dieser Roman nicht gefallen? 

Jeder, der eine abenteuerliche Geschichte lesen will, bei der spannende Handlung im Vordergrund steht und der sich für einige Stunden auf das Meer entführen lassen möchte, ohne weiter nachzudenken (was völlig legitim ist), der sollte vielleicht lieber zu Londons „Sea-Wolf“ oder vielleicht auch zu Melvilles „Moby Dick“ greifen. Oder einem anderen modernen Roman.

 

Wem könnte dieser Roman gefallen?

Jedem, den das Thema „Seefahrt“ zwar grundsätzlich interessiert, es aber als Ansatzpunkt für Überlegungen und Interpretationen nehmen möchte, der gern wie bei einer archäologischen Ausgrabung Schicht um Schicht freilegen möchte, um sich dem Kern der Novella, einem tieferen Sinn, zu nähern.

 

 

Cover des Buches Herz der Finsternis (ISBN: 9783150206539)
dunkelbuchs avatar

Rezension zu "Herz der Finsternis" von Joseph Conrad

dunkelbuch
Ein dunkles und sehr kryptisches Buch

Die Novelle ist in eine Rahmenhandlung eingebettet: Eines Nachts erzählt der ehemalige Seemann Marlow seinen vier Freunden eine Episode aus seinem Leben. Er beschreibt einerseits seine Sehnsucht, die letzten weißen Flecken des Globus kennenzulernen, und wie sie nach einigen Mühen dazu führte, dass er Flusskapitän auf dem Kongo wurde. Marlow, der den Indischen Ozean, den Pazifik, das Gelbe Meer bereits kennt, reist also entlang der Küste eines ihm unverständlichen Afrika zur Mündung des großen Stroms und übernimmt, flussaufwärts oberhalb der Stromschnellen, seinen Flussdampfer. 

In der Hauptstation der Kolonialgesellschaft, die er irgendwann erreichte, werden die Schätze gesammelt und verschifft, welche von einzelnen Agenten aus dem Landesinneren beschafft werden. Hier stößt er sich erstmals am Zeitgeist: Er stört sich auch daran, dass die Kolonialisten den Einheimischen ihre unsinnigen Regeln brutal aufzwingen; dass sich, ansonsten als zivilisiert und gebildet geltende, Männer der rassistischen Schandtaten rühmen; und wie Europäer mit Waffengewalt macht ausübten.

Auf diesem Fundament wird das englische Imperium (und alle anderen europäischen Imperien auch) gebaut. Ökonomischen Antrieben gehorchend, begründet die frühe spanische, portugiesische und (moderner) die englische Seefahrt die Entstehung des Kolonialismus. Conrad lässt, als Kind seiner Zeit, Marlow allerdings auch sagen, dass die Idee des Kolonialismus durch die Verbreitung der Zivilisation begründet sei und überhaupt die kulturelle Entwicklung erst durch die erzwungene Übernahme eines unterentwickelten Landstriches durch fortschrittliche Mächte möglich werde (als Beispiel fürt er die Eroberung Britanniens durch die Römer an). Allerdings schränkt er ein, die Idee der Kolonisation sei aber nicht die der Unterwerfung wie bei den Römern, sondern sei von einer höheren Idee geleitet; reine Eroberung dagegen habe allein Ausbeutung zum Ziel.

Eine unwirkliche, traumartige, rätselhafte den Leser nicht loslassende Geschichte.

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