„Ich denke, also bin ich“ oder?
Das man „wahrnimmt, wahrzunehmen“ ist eine der interessantesten, besonderen „Sinne“ des Menschen. Was genau ist dieser „Sinn“? Wie funktioniert diese besondere Wahrnehmung? Was trägt sie aus?
Das sind die Kernfragen, denen Heller-Raozen in seinem Buch mit seinem Blick auf „das empfindende Wesen“ chronologisch und breit nachgeht ins einem Bemühen, diesen „inneren Sinn“ einzukreisen und ihm auf eine möglichst genaue Spur zu kommen.
Das Bewusstsein des Menschen über sich selber und, durch dieses Bewusstsein hinaus, auch über die Welt, die ihn umgibt, das ist der Kern von Heller-Roazens Untersuchung.
„Es ist die Erfahrung des einen Sinnes, der von allen einzelnen Sinnen geteilt .... wird: Die Empfindung des Empfindens als solchem, mit der wir uns ---- dem allgegenwärtigen Leben ausgesetzt fühlen.“
Es sind durchaus komplexe, teils auch abstrakte Beobachtungen, die Heller-Roazen in seinen 25 Kapiteln philosophisch betrachtet und in oft fast poetischer Sprache dem Leser versucht, nahe zu bringen. Den Versuch unternimmt, das „denkende Bewusstsein“ eben nicht als die Höchste der Fähigkeiten des Menschen fest zu schreiben, sondern dieses „denkende Bewusstsein“ einem noch tiefer liegenden „inneren Sinn“ unterzuordnen. Einer Art intuitiver Verbundenheit mit der Welt und den Dingen, einem „Gemeinsinn“, der durchaus nicht nur dem Menschen eigen ist, den aber der Mensch in ganz besonderer Form durch seine „Wahrnehmung dieser Wahrnehmung“ wieder finden und „erleben“ könnte. Ein Sinn, der durch die Überbetonung des Verstandes und des Lebens als „Denkakte“ ein stückweit verschüttet wurde im Lauf der Zeit.
So setzt Heller-Roazen in seinem eloquenten Buch Stück für Stück ein Puzzle zusammen, indem das Bewusstsein mehr und mehr als eine Art „Tastsinn“ definiert wird. Der Mensch als sich an das Leben, an des Eigentliche des Lebens „herantastende“ Wesen, ohne diesen Kern, diese innere Verbundenheit, diese Intuition wirklich jemals ganz „begreifen“ oder definieren zu können, durchaus aber fühlen und erleben zu dürfen. Hier berührt Heller-Roazen auch Erlebnisse und Erfahrungen der Mystik, Erfahrungen des nicht kontrolliert herzustellenden „Einssein“ mit der Welt.
Eine Erfahrung, für die das „Tasten“ in jedweder Form das benötigte Instrumentarium zur Verfügung stellt, bis dahin, dass Heller Roazen argumentiert, in der „natürlichen Ordnung“ sei keine Schwäche ohne Grund“, und daher die „Empfindsamkeit“ des „menschlichen Fleisches“ als Zweckursache setzt, um in besonderer Form dem „Tastsinn“ seinen hervorragenden Ort innerhalb der Sinne des Menschen zuzuweisen (erweitert durch Formen des „inneren Tastsinns“, der weit über ein einfaches anfassen von Dingen hinausgeht).
Man braucht viel Zeit, um sich mit diesem Buch und der besonderen sprachlichen Form auseinander zu setzten. Eine einfaches Durchlesen wird den eigentlichen Gehalt des Buches nicht erschließen. Eigentlich gilt für das Buch genau das, was Heller-Roazen versucht, zu erläutern und nahezubringen. Man muss es Schritt für Schritt in aller Ruhe und Feinfühligkeit „ertasten“. Dann aber erschließen sich durchaus bemerkenswerte, innere Welten, welche die Lektüre zu einem echten Erlebnis gestalten.