Daniel Neufang entführt uns Leser in seinem historischen Roman in das Grauen der Schlachtfelder rund um Ypern im Winter des Jahres 1915. Seit Wochen stehen sich deutsche und britische Soldaten gegenüber. Also, eigentlich haben sie sich in Laufgräben eingegraben und warten darauf, dass der jeweilige Feind seinen Kopf aus der Stellung hebt. Damit bietet er ein willkommenes Ziel für die Scharfschützen.
Wenig später öffnet die deutsche Heeresleitung die Büchse der Pandora: Man setzt erstmals das von Fritz Haber (1868-1934) entwickelte Giftgas Phosgen ein.
Um diesen historischen Roman authentischer zu gestalten, lernen wir jeweils eine Gruppe junger britischer Offiziersanwärter sowie deutsche Freunde kennen. Während die Briten Ronnie, James und Williams als Absolventen einer Militärakademie zumindest theoretisch wissen, was auf sie zukommen kann, sind die Freunde Oskar, Reiner, Alexander und Thomas von der Kriegsbegeisterung angesteckt worden und haben sich freiwillig gemeldet.
Von jeder der beiden Gruppen wird nur jeweils einer schwer verwundet überleben. Diese beiden werden sich 1921 auf den ehemaligen Schlachtfeldern von Ypern wieder begegnen.
„Wir alle hatten eine Aufgabe, die uns im Laufe der Zeit immer schwerer fiel. Ich büße nun für jeden Tag, den ich hier draußen zugebracht habe und denke, dass es dir ebenso geht.“
Meine Meinung:
Das Buch ist sehr gut recherchiert und schildert die schrecklichen Ereignisse detailliert. Schade finde ich, dass sich hier kein Verlag gefunden hat bzw. dass auf ein professionelles Lektorat verzichten worden ist.
Der Roman ist in 12 Kapitel unterteilt. Innerhalb der Kapitel herrscht ein wenig Unordnung. Als Leser muss man sich sehr darauf konzentrieren, die zeitliche und die örtliche Orientierung sowie die Truppenzugehörigkeit nicht zu verlieren. Hier hätte ich mir mehr Struktur gewünscht. Denn obwohl ich mich sowohl in Sachbüchern als auch in (historischen) Romanen mit dem Ersten Weltkrieg und dem Westfeldzug beschäftigt habe, ist es mir manchmal schwer gefallen, die Kriegsparteien auseinanderzuhalten.
Wie verwirrend die Lage im Mai 1915 auf dem Schlachtfeld ist, kann man auf Seite 92 lesen, wenn sich der Deutsche Thomas und der Brite Ronnie plötzlich im selben Granattrichter wiederfinden. Statt sich gegenseitig zu töten, teilen Zigarette, Schokolade und Wasser.
Wenig später (auf S, 112) werden die Ereignisse vom 2. Juni 1915 geschildert und plötzlich, sechs Seiten später singen Briten und Deutsche „Stille Nacht“ und die Waffen schweigen für wenige Stunden.
Sehr gut gefällt mir, dass hier das Schicksal der einfachen Soldaten erzählt wird. Ihre anfängliche Kriegsbegeisterung schlägt schnell in Angst, Wut und Hoffnungslosigkeit, als sie erkennen, dass sie einfach als Kanonenfutter eingesetzt werden. Vor allem der Einsatz des Giftgases macht den Soldaten Angst. Denn, wenn sich der Wind dreht, wehen die giftigen Schwaden auf die deutschen Soldaten zurück. Schutzmasken werden erst viel später zur Verfügung gestellt und die Alliierten rüsten nach.
Daniel Neufang fängt die Stimmung sehr gut ein, in dem er Thomas bei jeder Gelegenheit Gedichte aufschreiben lässt, die wir lesen dürfen.
Eine besondere Rolle spielen die Mohnblumen, die zu Beginn der Schlachten auf den Feldern von Ypern geblüht haben und nun wieder, Jahre später, zu sehen sind. Sie sind zum Symbol geworden.
Fazit:
Dieses beeindruckende Dokument über die Sinnlosigkeit des Krieges, das Ypern von zwei Seiten beleuchtet, erhält 4 Sterne.