Daniel Rodriguez Gascón

 2,8 Sterne bei 24 Bewertungen
Autorenbild von Daniel Rodriguez Gascón (©Verlag Antje Kunstmann GmbH)

Lebenslauf

Daniel Gascón wurde 1981 in Saragossa geboren und studierte an der dortigen Universität Anglistik und Hispanistik. Er hat unter anderem zwei Bände mit Erzählungen veröffentlicht und ist als Drehbuchautor, Übersetzer und Herausgeber tätig. Zudem schreibt er für El País und leitet die spanische Ausgabe der mexikanischen Kulturzeitschrift Letras libres.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Daniel Rodriguez Gascón

Cover des Buches Der Hipster von der traurigen Gestalt (ISBN: 9783956145629)

Der Hipster von der traurigen Gestalt

(24)
Erschienen am 13.07.2023

Neue Rezensionen zu Daniel Rodriguez Gascón

Cover des Buches Der Hipster von der traurigen Gestalt (ISBN: 9783956145629)
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Rezension zu "Der Hipster von der traurigen Gestalt" von Daniel Rodriguez Gascón

Gwhynwhyfar
flacht leider ab der Mitte ab

Der Anfang: «Wie schön, hier aufzuwachen. Kurz vor sechs kräht der Hahn sein Lied. Wenig später dringen die ersten Klänge des erwachenden Dorfes an mein Ohr: Tomás mit dem Motorpflug, Javier mit dem Motorpflug, Rogelio mit dem Traktor, Paco mit dem Motorpflug.»


Enrique, ein woker Stadt-Hipster, zieht zu seiner Tante nach La Cañada, in ein 200-Seelen-Dorf im Osten von Spanien, um dem Stadtleben zu entfliehen, einen biologischen Gemeinschaftsgarten anzulegen und seine Ex-Freundin zu vergessen. Er hat «Leeres Spanien» gelesen und will etwas dafür tun, es wieder zu bevölkern, will Freunde überreden, mit ihm eine Art Landkommune zu eröffnen. Morgens macht er Yoga im Hof; der Dorfladen ist kein Carrefour und er sucht vergebens nach Quinoa, Fair-Kaffee einem Moleskine. Die Bar hat keine Sojamilch für den Café con leche, es gibt keine Veggie-Burger und Handyempfang gibt es leider nur außerhalb vom Dorf auf einer Anhöhe. Hier muss sich etwas ändern! Auch wenn sich zu seinem Workshop zum Thema «Neue Männlichkeit» vorerst nur seine Tante und vier weitere Frauen einfinden und die Drohne, die seine Amazon-Bestellung liefert, in der Folge eine Scheune vom Sägewerk in Brand setzt - kämpft Enrique weiter tapfer dafür, die Landbevölkerung in der Moderne zu verorten. 


«Ich habe beschlossen, mich ans Werk zu machen. Ich kann nicht warten, bis der Bürgermeister sich pro oder contra äußert. Ich habe mir gedacht, ich muss bei null anfangen, und werde einen Workshop zur neuen Männlichkeit anbieten. Ich bin zur Sekretärin gegangen und habe sie gebeten, über die Lautsprecheranlage des Rathauses Folgendes zu verbreiten: Hiermit wird bekannt gegeben, dass für alle, die Lust haben, ab jetzt immer dienstags ein didaktisch-lebenspraktischer Workshop zur neuen Männlichkeit aus genderkritischer Sicht stattfindet.»


Stadtkind trifft auf Landeier, versucht, ihnen zu erklären, wie die Welt funktioniert, möchte sie zu besseren Menschen zu machen. Ist Melken nicht eine Form sexueller Belästigung? Der Marokkaner hilft Enrique, sein Feld einzurichten, und als an einem Felsen am Rain jemand «Fremde raus!» geschmiert hat, hält er in der Kneipe einen Vortrag über Fremdenfeindlichkeit, die Akzeptanz anderer Religionen – bis ihm einer steckt: Mohamed ist gar nicht gemeint. Enrique entpuppt sich als heldenhafter Stierflüsterer und wird schließlich sogar zum Bürgermeister gewählt. Ein Buch über den Spanischen Bürgerkrieg, ein amerikanischer Sänger, der der kulturellen Aneignung beschuldigt wird, weil er in der traditionellen Tracht von La Cañada auftritt, und einige Gefallenin diesem Zusammenhang, die er Freunden und Verwandten leisten muss, ringen Enrique einiges ab. Er ist jetzt einer von ihnen! Eine feine Satire voller Sarkasmus und respektvoller Ironie die von den Abenteuern eines Hipsters aus Madrid in einem Dorf in Aragonien, in der Provinz Teruel, berichtet, beleuchtet Feminismus, Ökologie oder kulturelle Vielfalt aus einem anderen Blickwinkel, dem ländlichen. Eine Karikatur auf unsere Gesellschaft.


«WORKSHOP-GRUPPE NEUE MANNLICHKEIT ROSARIO LAFAJA, HAUSFRAU: Also ich fand den Workshop wirklich sehr interessant. 

ADORACIÓN TENA, HAUSFRAU: Und wie er geredet hat! 

ROSARIO: Besser als der Pfarrer. 

ASCENCIÓN TENA, HAUSFRAU: Etwas anstrengend war das mit dem ständigen ‹Männlein› und ‹Weiblein›»


Eine herrliche Satire auf die Arroganz, alles besser zu wissen und anderen seinen Lebensstil aufzudrücken. Die abenteuerliche Geschichte eines modernen Don Quijote, der voller Zuversicht und Tatendrang die Mission verfolgt, Nachhaltigkeit, Identitätspolitik und Wokeness in die Provinz zu tragen. Er hält Reden über den Spätkapitalismus, die wahrscheinlich nur er versteht. Klingt aber unheimlich gebildet. Und er trifft auf Greta Thunberg. Das Buch ist auch insofern lesenswert, weil es eine Menge über die spanische Mentalität aussagt, die Gelassenheit, Offenheit gegenüber Fremden und neuen Ideen. Und der spanische Humor liebt die Satire!


«Manchmal kommt der Pfarrer nachmittags in die Bar, Alejandro, der für mehrere Dörfer zuständig ist. Er parkt den Wagen in der Garage gegenüber der Schule. Man nennt ihn hier die 113, weil er immer dann kommt, wenn die 112, der Krankenwagen, nicht rechtzeitig eingetroffen ist. Er erzählt, er sei kürzlich bei einer Verkehrskontrolle von der Guardia Civil angehalten worden, nachdem er in mehreren Dörfern den Gottesdienst gehalten hatte. Bevor er ins Röhrchen blies, sagte er: ‹Jetzt werden wir sehen, ob das mit der Wandlung funktioniert.›»


Der Roman ist eine scharfsinnige Glosse auf die Debatten unserer Zeit. Daniel Gascón schreibt ein bisschen chaotisch, passend zu seinem Protagonisten, mal der ersten Person und manchmal in der dritten. Ein wenig Tagebuch, mal Notizen mit vielen Zitaten, dann journalistische Interviews mit den Dorfbewohnern, um zu zeigen, was sie von ihm halten, ebenso Zeitungsberichte. Bis zur Mitte ist das Buch ein Kracher, dann flacht es leider ein wenig ab und es kippt in einen anderen Stil. Letztendlich definieren sich nun die verschiedenen Kapitel als eine Ansammlung von Kurzgeschichten. Manchmal ist es etwas übertrieben bis belanglos und andere sind zum Brüllen, wie die Sache mit dem historischen Buch, bei dem man ein wenig schummeln muss, auch das Felsenkloster mit einbezogen wird. Ich habe selten so viel gelacht beim Lesen. Schade dass man den Originaltitel nicht übernommen hat. Un Hipster en la España vacía – Ein Hipster im leeren Spanien (wie man das Landesinnere bezeichnet) – das hätte besser gepasst. Unter gleichnamigen Titel ist das Buch verfilmt worden, unter Prime zu streamen. Auf jeden Fall eine Empfehlung für Freunde von böser Satire.


«Es macht schon Sinn, dass es so ist, wie es ist. Du kannst nicht irgendwohin kommen und verlangen, dass alles bitte schön so zu laufen hat, wie du es dir vorstellst oder wie es sich ein Philosoph 1977 in Paris vorgestellt hat. Auch der Philosoph ist das Produkt eines bestimmten Umfelds, eines Geflechts von interagierenden Einflüssen …

Oder einfacher formuliert: Wer woanders hinkommt, sollte erst einmal zuhören, zusehen und Respekt zeigen, ehe er alles ändern will, was seit Jahrhunderten leidlich funktioniert.»



Daniel Gascón, geboren 1981 in Saragossa, ist ein spanischer Übersetzer, Schriftsteller sowie Drehbuchautor und Herausgeber. Für gewöhnlich wirkt er als Kolumnist in der größten Tageszeitung Spaniens El País mit und leitet die spanische Ausgabe der mexikanischen Kulturzeitschrift Letras libres.


Kein Lesefluss

Der Roman handelt von Enrique, der vollbepackt mit großen Idealen, in das kleine Dorf La Canada zieht. Er versucht dort mit größtem Engagement die Dorfbewohner von seinen Idealen zu überzeugen. 

Die Geschichte klingt großartig und auch das Cover ist extrem aussagekräftig. Leider hat mich der Roman nur zu Beginn gepackt. Die Geschichte ist verwirrend geschrieben, dazu kommen viele Namen und Orte, sodass ich den Roman nicht beendet habe. Ich glaube die Story hätte großes Potenzial, aber der Lesefluss hat nicht gestimmt. Schade. 

Cover des Buches Der Hipster von der traurigen Gestalt (ISBN: 9783956145629)
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Rezension zu "Der Hipster von der traurigen Gestalt" von Daniel Rodriguez Gascón

Thomas_Lawall
Intellektuelles Experiment

Wokeness ist genauso umstritten wie angesagt. Einen typischen Vertreter der Anhänger der Bewegung, die sich jenem Begriff verpflichtet fühlen, lernen wir in der Figur des "Hipsters" Enrique Notivol kennen.

Die im Klappentext des Buches enthaltene Inhaltsangabe hört sich lustig an, und der Inhalt ist es dann, mit Einschränkungen, auch. Nicht zuletzt aus sehr persönlichen Gründen verschlägt es den "modernen Don Quijote" in das spanische Dorf La Cañada. Er wohnt bei seiner Tante, die ihn kulinarisch verwöhnt und immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückbringt.

"Die einfachen Leute sind klasse."

So klasse dann auch wieder nicht, denn Enrique hat Großes im Sinn. Voller Enthusiasmus sieht er gar einem "bahnbrechenden Projekt" entgegen, "einer noblen, transversalen Initiative". Hier und da ein paar Änderungen im geregelten Alltag der Dinge sollten doch vorerst reichen, etwas Schwung in verstaubte Regularien und Gewohnheiten der Alteingesessenen zu bringen.

Ob sich aber die außerordentlich progressiven Ansichten Enriques durchsetzen können, muss sich erst noch erweisen. So ist der Hipster beispielsweise der Ansicht, "dass die romantische Liebe ein perverses, heteropatriarchalisches Konstrukt" ist, dass die Menschen "Gefangene der Landwirtschaft" sind oder dass im Fußball zwei gegnerische Mannschaften völlig unproduktiv sind. Es wäre "pädagogisch doch ungleich wertvoller", wenn alle zum Erreichen eines gemeinsamen Ziels zusammenarbeiten würden.

Dies sind dann die großartigen Stellen, doch wer sich in spanischer Literatur, und der Geschichte des Landes ganz allgemein, nicht auskennt, oder ohne entsprechende Studien in der Hinterhand auskommen muss, dem bleibt oft ein tiefergehendes Verständnis verborgen. Dann ermüden zahlreiche Querverweise rasch, wobei auch die knochentrockenen Charakterisierungen der Haupt- und Nebendarsteller das Interesse nicht immer bei der Stange halten können.

Diese bleiben mehr oder weniger ohne Profil und Wiedererkennungswert, weshalb man sie ständig durcheinander bringt, verwechselt oder im schlimmsten Fall gar nicht mehr weiß, wer jetzt eigentlich wer ist. Das Durcheinander der Handlung, die episodenhaft erzählt wird, ist mitunter zwar originell, zu Stürmen der Begeisterung aber nicht ausreichend.

Höhepunkte gibt es allerdings trotzdem. Herrlich, wenn zum Workshop "Neue Männlichkeit" nur die Tante und vier weitere Frauen kommen.

"Und wie er geredet hat."
"Besser als der Pfarrer."

Auch Personen wie der "hübsche Pfarrer", der einst das Dorf verlassen musste, "weil ihm die Ehemänner auf den Fersen waren", lockern die kantige Atmosphäre auf, ebenso wie die nicht auf den Mund gefallene Puffmutter Silvina Domingo.

Spannend wird es zur Abwechslung auch einmal, denn wie sich die immer größer werdende Ablehnung der Dorfbevölkerung ins Gegenteil verkehrt und somit den Weg für eine Wahl des Hipsters zum Bürgermeister ebnet, ist ebenso originell wie lesenswert. Doch es soll noch "schlimmer" kommen ...

Klar, dass letztlich hier, in kleinstem Rahmen, aber hochaktuell, Gesellschaft und Politik parodiert werden. "Der Hipster von der traurigen Gestalt" bildet somit ein nettes kleines, intellektuelles Experiment, das leider überraschend schwer im Magen liegt. Aber so soll es vielleicht auch sein.

Gespräche aus der Community

Große Visionen treffen auf die harte Realität - die abenteuerliche Geschichte eines modernen Don Quijote, der voller Zuversicht und Tatendrang die Mission verfolgt, Nachhaltigkeit, Identitätspolitik und Wokeness in die Provinz zu tragen.

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195 BeiträgeVerlosung beendet
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Letzter Beitrag von  evaczykvor 2 Jahren

Ganz ehrlich: Ich habe es selbst nicht verstanden. Mit so einem Kulturclash gewinnt man eigentlich keine Wahlen.

Zusätzliche Informationen

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Community-Statistik

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