Rezension zu "Als das Licht laufen lernte" von Daniela Leitner
"O Nichts! Aus Nichts kommt nichts? Aus Nichts kommt alles!"
O Romeo, aus Nichts kommt alles. Wie wahr! Aber wie?
Daniela Leitner, geboren 1985, hat Kommunikationsdesign studiert. Dies Buch ist ihre Diplomarbeit. Schwer zu verstehen, denn es ist ein Buch über Physik. Und über Chemie. Dann wieder doch zu verstehen, denn es ist prachtvoll designed. Und sein Design entfaltet eine Brücke hinein in meine Augen und die haben Freude und plätscher, plätscher all die Freude ergießt sich in kommunikative Kanäle.
Ganz ungewöhnlich, wie dies Buch mit mir kommuniziert. Da sind die Fotos. Die Autorin stellt all die kosmischen und mikrokosmischen Vorgänge, von denen sie schreibt, in ihrer Wohnung nach. Gern auch mit ihrer eigenen Lebendigkeit. Die Hand, die Beine, von hinten, nie das Gesicht. Diese Fotos spielen eine persönliche Note.
Aber auch die Sprache. Die immer wieder salopp daherstapft und die Frau dahinter spürbar macht.
Ihre Sprache ist ein Kontrastmittel zu der Sachlichkeit, die von der Wissenschaft gebieterisch eingefordert wird. Die Sachlichkeit muß locker werden. Darf nicht so trocken daherkommen, sonst macht sich die Leserschaft auf die Reise nach Jerusalem und am Ende hockt nur noch ein Leser auf seinem Stuhl.
Zur Lockerung gehören außer Fotos und Sprachstil auch die vielen Diagramme zur Erklärung, alle von der Autorin höchstselbst designed, und die groß- und fettgedruckten Fakten, die sich ins Gehirnfleisch einbrennen.
So viele Fakten in diesem Buch. Wer soll die alle behalten? Ich bestimmt nicht. Mit meinem löchrigen Käsegehirn. Dies Faktum nahm mir aber nichts von der Freude, die ich beim lesen hatte.
Das, was hängen blieb, in einer meiner Synapsenschaukeln, hab ich dann manchmal freudig erregt weitergereicht. Hab Anna, meiner Chefin von der Krippe in der ich arbeite, die 10,9 cm große Sonnenkugel vorgeführt und bin dann 11,7 m weit gegangen, wo die 1mm große Erde sich tummelt.
Und dann die Sache mit dem Eisen. Aus Eisen läßt sich keine Kernenergie gewinnen. Weder durch Fusion, noch durch Fission (Kernspaltung). Ansonsten: hoppladihopp, haben alle Elemente Kernenergie im Angebot, die dünneren durch Fusion, die dickeren durch Fission.
Und wie die Sonne aufgebättert wird: Sonnenkern, Zone des Strahlungstransports, Konvektionszone, Photosphäre, Chronospähre, Korona, Heliosphäre. Und was da alles passiert.
Und, und, und...
Tolles Buch! Hab ja schon viel gelesen zum Thema, aber soviel Substanz wie hier hab ich in keinem anderen Buch gefunden, in solch gründlich strukturierter Faktenfülle.
Aber zweimal, nur zweimal regte sich in mir Widerspruch.
Am Anfang des Universums, nach 10 hoch -43 Sekunden soll das Universum 10 hoch -33 cm groß gewesen sein. Und in diesem monströsen Minipunkt muß, aufgrund des Energieerhaltungssatzes, alles drin gewesen sein, was auch heute drin ist. Natürlich noch nicht annähernd so aufgebaut, aber dennoch: eine Milliarde Galaxien mit jeweils einer Milliarde Sterne (und diese Materie in Energie umgerechnet ist 380.000 mal 380.000 mal so "groß") sind vier Prozent davon, dazu noch die dunkle Materie und die dunkle Energie. Und das alles in einem Punkt, den ich nicht einmal unter dem Mikroskop erkennen kann?
Bei solch einer Vorstellung macht mein Gehirn schlapp. Und selbst wenn ein schlauer Mensch das errechnet hat, dass eine Dichte von 10 hoch 94 dafür erforderlich und ausreichend ist, denk ich dann doch: also ne!
Und dann die Sache mit dem Nichts. Für Daniela Leisner befindet sich das Nichts ganz am Anfang des Urknalls. 10 hoch -43 Sekunden dauert es. Dieser Zeitraum ist die sogenannte Planck-Ära, in die kein Wissenschaftler hineinreicht, so tief er sich auch bücken mag (wie und warum erklärt sie sehr schön in ihrem Buch, also lesen).
Die Autorin bekennt sich zur Spekulation. Sie schreibt, dass in der Planck-Ära, im "Nichts", Raum und Zeit noch nicht geboren sind. Es herrscht Chaos. In rot. Es gibt Masse und Energie, Entstehen und Vergehen. Wie denn das, frag ich mich da: ohne Raum und Zeit!
Zum spekulieren gehört Mut. Und heiße Luft. Aber nicht zuviel, sonst platzt die Spekulationsblase.
O Nichts! Was bist du nur? Nichts ist in dir. Rein gar nichts. Du bist nicht vorhanden. In der Welt der Objekte. Du bist nicht objektiv, du bist subjektiv. Wir können dich uns vorstellen, in unsrem Tod.
Du bist gestrickt wie der Tod, die Nachtseite des Universums.
In der das Licht träumen lernte.