Das Buch beginnt traurig, Giacomo nimmt Abschied von Claire und Viola nimmt Abschied von Giacomo, ihrem Vater. Und dazwischen liegen fast 20 Jahre. Abschiede sind nie schön, vor allem dann nicht, wenn es ein Abschied für immer ist. Giacomo stirbt und in Rückblenden, die eine eigene Erzählebene bilden, kann ich eintauchen in seine Vergangenheit. Im Jahr 1980 trifft er seine große Liebe Claire und ich begleite die beiden fast ein Jahr durch ihre Höhen und Tiefen. Viola verliert ihre Stimme durch den Schock, aber sie gewinnt in Leslie eine Freundin. Und die beiden ungleichen Mädchen versuchen Antworten auf so viele Fragen zu finden und begleiten mich auf der Reise in Giacomos Vergangenheit.
Zwei Zeitebenen haben mich schon oft gut unterhalten. Eigentlich ein altbekanntes Stilmittel, aber dennoch ist es hier irgendwie anders. Schon nach wenigen Seiten habe ich mich in den wunderschönen Schreibstil verliebt. Daniele Bresciani erzählt so behutsam, ein wenig poetisch und sehr gefühlvoll. Gleichzeitig fängt er aber auch die coole Londoner Atmosphäre sehr gut ein. Spätestens wenn ich anfange, die Songs aus einem Buch zu googeln, dann hat es mich erwischt, dann bin ich mittendrin. Das ging hier ziemlich schnell, was ein wenig auch daran liegen mag, dass ich ein Kind der Achtziger bin, diese Zeit ist mir sehr vertraut und ich erinnere mich gerne zurück.
Daniele Bresciani hat sein Buch in ziemlich kurze Kapitel gegliedert und er springt abwechselnd zwischen den beiden Zeiten hin und her. Viola lässt er manchmal in der Ich-Form erzählen, während ich Giacomo die ganze Zeit über die Schulter schaue. Die beiden Erzählstränge sind wie zwei Wege, die sich kontinuierlich auf einander zu bewegen. Bis zu einem Ende, das nicht vieler Worte bedarf, keiner Erklärung und das in seiner Schlichtheit für sich spricht und gerade deshalb ein absoluter Gänsehautmoment ist.
Fazit: Ich habe das Lesen dieser Geschichte so sehr genossen. Die Gratwanderung zwischen gefühlvoll und kitschfrei ist Daniele Bresciani exzellent gelungen. Ich mag Liebesgeschichten, aber nur wenn sie so erzählt werden wie diese!
Daniele Bresciani
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
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Ein Jahr wie dieses
Neue Rezensionen zu Daniele Bresciani
Rezension zu "Ein Jahr wie dieses" von Daniele Bresciani
Inhalt: Viola verliert, nachdem sie ihren Vater tot aufgefunden hat, ihre Stimme. Die 14-jährige wird von ihrer Mutter auf ein Internat geschickt - in der Hoffnung, dass sie dort wieder zu sprechen beginnt. Was ihre Mutter nicht weiß, ist dass Viola Briefe bzw. ein Tagebuch von ihrem Vater erhalten hat, indem sie einiges über sein Leben erfährt. Meine Meinung: Das Buch hat mich etwas zwiegespalten zurückgelassen. Ich fand die Geschichte sehr interessant und sie hat mir gut gefallen, aber sie konnte mich nicht in ihren Bann ziehen. Kaum habe ich das Buch weggelegt, habe ich auch nicht mehr daran gedacht und ich hatte kein Bedürfnis danach herauszufinden, wie es endet. Das Buch erzählt eigentlich zwei Geschichten: die von Viola, die von ihrem Stiefbruder nur die Stumme genannt wird und die von ihrem Vater, der kürzlich verstorben ist. Die Erlebnisse von Viola im Internat werden immer wieder von Passagen aus dem Leben ihres Vaters, als er noch jung war, unterbrochen. Mir haben die Kapitel über ihren Vater eigentlich besser gefallen als die über Viola selbst. Das mag daran liegen, dass ich mich in das Mädchen nicht hineinfühlen konnte. Natürlich könnte ich verstehen, dass sie durch den Tod ihres Vaters traumatisiert war und dass sie herausfinden will, wer ihr Vater wirklich war. Aber ihre Gefühle wurden nicht richtig zum Ausdruck gebracht und der Leser erfährt nicht viel über ihre Gedanken und Ängste - nicht mehr als sowieso offensichtlich ist. Bei ihrem Vater ist das der Autorin besser gelungen. In ihn konnte ich mich gut hineinfühlen, hier waren viel mehr Emotionen vorhanden. So wurde die Hauptfigur für mich eher zu einer Nebenrolle. Auch das Ende, das nicht sehr überraschend war, hätte man noch ein bisschen mit einem zusätzlichen Kapitel ausschmücken können. Man hätte meiner Meinung nach viel mehr aus der Geschichte herausholen können, denn sie ist grundsätzlich sehr interessant. Es fehlt nur leider ein bisschen der Feinschliff.
Rezension zu "Ein Jahr wie dieses" von Daniele Bresciani
Viola ist vierzehn Jahre alt und lebt nach der Trennung ihrer Eltern bei ihrem Vater, zu dem sie ein sehr gutes Verhältnis hat. Als sie diesen völlig unerwartet tot auffindet, ist sie verständlicherweise sehr geschockt und verliert ihre Worte. Doch das Mädchen beginnt die das Tagebuch und die Briefe ihres Vaters Giacomo zu lesen - um festzustellen, dass sie Giacomo nicht gänzlich kannte. Und so macht sich Viola zur Aufgabe, mit dem Aufzeichnungen ihres Vaters, die sie bei seiner Beerdigung von einem seiner Freunde erhalten hat, einem alten Buch und einer Fotografie das Geheimnis ihres Vaters zu lüften und so seine ganze Lebensgeschichte zu erfahren.
Daniele Bresciani erzählt die Geschichte auf zwei Zeitebenen: zum einen aus der Sicht Violas, die gemeinsam mit ihrer Freundin Leslie mehr über die Vergangenheit ihres Vaters zu erfahren versucht und sich nicht nur auf eine Art Zeitreise begibt, sondern sich zeitgleich auch in einem Internat behaupten muss. Zum anderen begleiten wir Giacomo durch die 80er Jahre und eine tragisch endende Liebesgeschichte. Der Italiener hat zu Studentenzeiten eine junge Engländerin kennengelernt, die für ihn seine große Liebe wurde. Doch was ist damals in London geschehen, was hat Giacomo zeitlebens daran gehindert, mit den damaligen Erlebnissen abzuschließen?
Mich hat dieses Buch auf ganzer Linie überzeugt, denn es hat mich im wahrsten Sinne des Wortes eingesogen und erst mit dem Ende der Lektüre wieder losgelassen. Das mag zum einen an der Figur Violas liegen, mit der ich mich auf Anhieb identifizieren konnte. Ich konnte ihren Schock und auch den Wunsch, zumindest im Nachhinein den Vater besser zu verstehen und sein Leben dadurch möglicherweise komplett zu begreifen, gut nachvollziehen. Kein Wunder also, dass mich die Geschichte bewegt hat und ich vor allem gehofft habe, dass Viola durch die Entdeckungen, die sie macht, ihre Sprache wiedererlangt.
Die beiden Erzählstränge ergänzen sich perfekt, so dass sich auch für uns LeserInnen nach und nach das Bild fügt und eine gute Bandbreite an Emotionen abgedeckt wird, ohne dass es jemals kitschig oder rührselig wird. Mag sein, dass dies am beinahe zarten Blick des Autors liegt oder aber an der Tatsache, dass er durch die Perspektivwechsel den Fokus immer wieder auf andere Details legt - so genau kann ich es gar nicht fassen und beschrieben. Für mich war es aber die richtige Dosis Gefühl - egal ob es jetzt um negative oder positive Erlebnisse ging - und vor allen Dingen die richtige Prise Spannung. Und so hat es mich wenig überrascht, dass das Ende eine kleine, wenn auch realistische Überraschung ist.
Fazit: Für mich eine sehr gelungene Mischung aus Liebesgeschichte, Schmerz und Trauerarbeit, aber auch Sehnsucht und Hoffnung. Ich würde mich sehr freuen, von dieser italienischen Stimme noch mehr zu lesen!