Nach mehreren Romanen von Ross Macdonald war Rote Ernte von Dashiell Hammett ein ziemlicher Bruch – und das meine ich nicht negativ, sondern wörtlich. Hammett ist wild. Sehr wild. Von der ersten Seite an fühlt man sich wie im wilden Westen – nicht nur wegen der permanenten Action, sondern auch wegen der Sprache: roh, lakonisch, voller Slang. Das muss man nicht unbedingt mögen, aber es passt zu 100 % zu diesem Buch. Es erzeugt ein starkes, atmosphärisches Bild.
Was dabei hervorragend funktioniert, ist das Setting: eine schmutzige, korrupte, abgegrenzte Stadt, in der niemand rein oder raus kommt, ohne sich die Finger schmutzig zu machen. Peaceville ist für mich der eigentliche Hauptcharakter – dreckig, marode, verloren.
Der namenlose Protagonist dagegen bleibt seltsam unnahbar. Ich konnte keine echte Verbindung zu ihm aufbauen – im Vergleich etwa zu Denny Malone aus Don Winslows Corruption fehlte mir diese emotionale Tiefe. Auch andere Figuren bleiben eher schemenhaft. Das scheint beabsichtigt zu sein, denn im Vordergrund steht weniger der Mensch als die Bewegung – und die ist heftig: Schüsse, Leichen, Gewalt, Verrat. Man hat kaum Luft zum Durchatmen.
Was mir allerdings gefehlt hat, war ein Gefühl echter Ermittlungsarbeit. Der Detektiv stellt Verbindungen her – aber man als Leser bekommt kaum mit, wie. Vieles wirkt einfach „da“, nicht erarbeitet oder hergeleitet. Der Plot wirkt beinahe wie ein Vorwand, um noch mehr Korruption, Blut und Kugeln unterzubringen.
Rückblickend wird aber klar: Genau das wollte Hammett. Nicht die emotionale Tiefe eines Ermittlers zeigen – sondern die brutale, zynische Welt, in der er sich bewegt. Rote Ernte ist kein klassischer Krimi – es ist ein Feldzug gegen eine Stadt. Kein Whodunit, sondern ein „How deep is the rot?“
Insgesamt ein wuchtiger, kompromissloser Klassiker, der ein Genre definiert hat – aber für mich persönlich bleibt Hammett als Autor eher eine historische Figur. Als Leser, der stärker mitfühlt als mitfiebert, bevorzuge ich die ruhige, besonnene Ermittlungsweise eines Ross Macdonald deutlich.