Rezension
TA_Wegbergvor 13 Jahren
Howard Kapostash ist im Vietnamkrieg am Kopf verwundet worden. Seither hat er eine gruselige Narbe an der Stirn und kann nicht mehr sprechen. Er kann auch nicht lesen und schreiben. Kurz: Die Verständigung mit ihm ist ziemlich schwierig. Dennoch scheint Howard sich in seinem eingeschränkten Leben zurechtzufinden: Er teilt sein Haus mit ein paar Mitbewohnern, arbeitet als Hilfsgärtner in einem Kloster und geht öfter mal seiner Jugendliebe Sylvia zur Hand. So auch, als Sylvia endlich den längst fälligen Drogenentzug macht und er sich so lange um ihren neunjährigen Sohn Ryan kümmert. Wie zu erwarten bringt Ryan einige Veränderungen in Howards verkapseltes Gefühlsleben. Er sorgt dafür, dass aus den Mitbewohnern Freunde werden, er zwingt Howard, sich auch auf andere Menschen einzulassen, er kann ihn für ein Kinder-Baseballteam begeistern, und letztlich öffnet er seinem großen Kumpel indirekt auch die Augen im Hinblick auf Sylvia, die sich einmal mehr als bindungsunfähige Egozentrikerin erweist. Wirklich beeindruckt hat mich an diesem Buch, wie schwer es mir immer wieder fiel, mich in die extremen Beschränkungen des sprachunfähigen Vietnam-Veteranen hineinzudenken. Sprache und Kommunikation sind für uns so selbstverständlich, dass wir uns ein Leben ohne sie gar nicht vorstellen können. Dave King ist es gelungen, eine hochgradig einschränkende Behinderung mit nonchalanter Selbstverständlichkeit zu vermitteln – noch dazu in der Ich-Form, was letztlich natürlich ein Paradoxon ist. Die medizinischen Details erscheinen stimmig und nachvollziehbar. Selbstmitleid kommt nur selten auf, obwohl immer wieder deutlich wird, dass Howard nicht nur körperlich, sondern auch emotional verkrüppelt ist. Liebevoll und mit hübschen Details wird auch Ryan beschrieben, in jeder Hinsicht ein typischer Neunjähriger mit all den Wünschen, Träumen und Ängsten dieses Alters. Die allmählich wachsende Freundschaft zwischen dem Jungen und dem gehandicapten Mann wird nachvollziehbar und frei von jeder Schmalzigkeit dargestellt. Eher mühsam fand ich dagegen die sehr ausführlichen Schilderungen der Baseballspiele, an denen Ryan teilnimmt. Das ist wohl kulturell bedingt – ich habe von diesem Spiel keine Ahnung, kann also überhaupt nicht nachvollziehen, was da passiert, und finde es auch ziemlich uninteressant. Für amerikanische Leser, denen das Baseballwissen in die Wiege gelegt wird, dürfte das aber kein Schwachpunkt sein. Wohl am meisten hat mich die unendlich schlampige Endbearbeitung des Romans gestört. Von einem gebundenen Buch des renommierten Aufbau Verlags hätte ich deutlich mehr erwartet als unübersehbare Rechtschreibfehler auf jeder zweiten Seite (nicht nur einfach mal ein verrutschtes Satzzeichen, sondern Buchstabendreher, falsch geschriebene Eigennamen, fehlende Wörter oder Schreibungen wie „Schaal“ und „schlacksig“ – das ist schon ziemlich extrem). Kann der Verlag sich weder Lektoren noch Korrektoren leisten? Hinzu kommt, dass ich es wirklich nicht heldenhaft, sondern einfach nur reaktionär finde, im Jahre 2006 immer noch Neuerscheinungen in der alten Rechtschreibung herauszubringen. Es handelt sich ja wohlgemerkt um eine Übersetzung, also kann dies nicht auf Wunsch des Autors geschehen sein. Unnötig zu erwähnen, dass sich natürlich an allen Ecken und Enden eindeutig erkennbare Einsprengsel der neuen Rechtschreibung finden – man will also „standhaft“ bleiben, ist aber nicht mal in der Lage, die alte Rechtschreibung auch wirklich konsequent zu handhaben. Und wo wir schon bei der Verlagsschelte sind: Auch das Cover wird dem Inhalt überhaupt nicht gerecht. Mich erinnert es fatal an eins der Schnulzenbücher von Cecilia Ahern, mit dem es aber wirklich gar nichts gemeinsam hat. Wer die heitere, luftige Stimmung erwartet, die blauer Himmel, Wölkchen und ein hochgeworfener Strohhut vermitteln, hält definitiv das falsche Buch in den Händen. Und wenn schon eine Kopfbedeckung den Einband zieren muss, dann hätte es wenigstens Ryans Indians-Basecap sein sollen, das im Buch eine wichtige Nebenrolle spielt.