David Bröderbauer

 4,8 Sterne bei 5 Bewertungen
Autor*in von WALTAUCHEN, Wolfssteig und weiteren Büchern.

Lebenslauf

David Bröderbauer geboren 1981 in Zwettl, lebt in Wien; ist Autor und Biologe; Forschungsreisen nach Costa Rica, China und Allentsteig; sein letzter Roman Waltauchen (Milena, 2021) war Ö1-Buch-des-Monats im November 2020 und stand auf der ORF Bestenliste; Träger des Heinrich-Gleißner-Förderpreises 2019.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von David Bröderbauer

Cover des Buches WALTAUCHEN (ISBN: 9783903184602)

WALTAUCHEN

(3)
Erschienen am 15.10.2020
Cover des Buches Wolfssteig (ISBN: 9783903184312)

Wolfssteig

(2)
Erschienen am 01.04.2019
Cover des Buches Die Halbe Welt (ISBN: 9783903460089)

Die Halbe Welt

(0)
Erschienen am 02.03.2023

Neue Rezensionen zu David Bröderbauer

Cover des Buches WALTAUCHEN (ISBN: 9783903184602)
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Rezension zu "WALTAUCHEN" von David Bröderbauer

BeautyBooks
Sehr besonders!

Das Fruchtwasser, so liest er, gleicht in seiner Zusammensetzung dem Meerwasser, erdende Mütter tragen den Ozean in sich. Er betrachtet die Bäuche Schwangerer und stellt sich vor, wie die Babys darin tauchen. Er ist fest davon überzeugt, dass sie alles registrieren, was um sie herum vorgeht, wie die Delfine, die mit ihrem Sonar in absoluter Dunkelheit sehen, die damit sogar in die Körper anderer Lebewesen hineinschauen können. - Seite 41-42

Inhaltsangabe: 

Ein Mann sitzt in der Arztpraxis des Urologen, das Ziel der Untersuchung ist zu wissen, ob sein Wunsch nach einem Kind verwirklicht werden kann. Diese Szene bildet den Rahmen für David Bröderbauers klugen Roman, der gekonnt zwischen Kindheitserinnerungen und Gegenwart wechselt. Es geht um das Erwachsenwerden, um eine von Walfantasien verträumte Kindheit und das Aufwachsen neben einem Schweigevater, um die Beziehung zu Vera und die Unfähigkeit, dem Wunsch nach Vaterschaft Ausdruck zu verleihen. Aus dem kindlichen, der Strenge der Erwachsenen geschuldeten Luft-Anhalten wird Tauchen, und das Tauchen wird zur lebenslangen Leidenschaft. Und es gelingt, es kommt schlussendlich zur Begegnung mit dem Wal. 

Er ist davon überzeugt, dass einen die Begegnung mit einem Wal von Grund auf verändert, aber nur, wenn man ihm wirklich begegnet, von Auge zu Auge. Dass er selbst noch nie einen Wal gesehen hat, ist ein Problem. Eines Tages muss er einem echten Wal begegnen, das schwört er sich, und es wird der schönste Tag in seinem Leben sein. - Seite 48

Meine persönliche Meinung:

Wie ich auf dieses Buch aufmerksam wurde? Ich habe es irgendwo auf Instagram entdeckt und natürlich ist mir sofort das Cover ins Auge gefallen. Ein Wal bekommt bei mir immer ein zu Hause im Bücherregal, noch dazu, wenn der Klappentext mich ebenfalls gleich überzeugen kann. Bei diesem Buch war es so und ich habe es mir sofort gekauft. Nun habe ich es gelesen und es ist bereits mein erstes Highlight im Lesejahr 2021.

Ich muss daran denken, das der Freund ohne Kinder gesagt hat, dass das Vatersein nicht unbedingt zum Leben dazugehört. Ja, denke ich, er hat recht, aber gleichzeitig werde ich das Gefühl nicht los, dass er unrecht hat. Ob man will oder nicht, das Leben besteht aus Phasen. Man ist Embryo, Säugling, Kind, Heranwachsender, man wird erwachsen, man löst sich von den Eltern, sie werden alt, und bevor man sich's versieht, wird man vom Kind zum Vormund. Man kann sich diesen Phasen entziehen, das mag sein, aber deshalb verschwinden sie nicht, sie sehen dich an wie blinde Spiegel und fordern ein Bild von dir. Jede Phase hat ihre begrenzte Zeit, früher oder später endet sie, dann muss etwas Neues kommen, sonst tut sich ein Loch auf. Man kann keine Phase so einfach überspringen, die einem nicht passt. Man kann vielleicht die Phasenübergänge hinauszögern, versuchen, ewig in einer Phase zu bleiben, sich nicht zu verändern, aber dann beginnt man zu mumifizieren, dann wird man ein starres Abbild seiner selbst, das sich nicht mehr weiterentwickelt. Ich für meinen Teil will mich ändern, ich will nicht der bleiben, der ich bin. - Seite 57 

Während er in dieser Arztpraxis sitzt, lesen wir in Kapiteln weiter, die gekonnt zwischen Kindheitserinnerungen und Gegenwart wechseln. Wir erleben, wie dieser Mann mit seinen Brüdern am Land aufgewachsen ist, wie seine Beziehung zu seinem Vater war und dass die Mutter sie schon ganz bald verlassen musste. Wir lernen in der Gegenwart seine Freundin Vera kennen, mit der er nun in einer großen Stadt wohnt. Von seiner Untersuchung weiß sie nichts.

Die Haut hat ihre eigene Schrift. Erst mit den Jahren lernt sie schreiben, dann zeichnet sie dafür umso gewissenhafter auf, wie man lebt. Sie verschriftlicht die Pfade, die das Lachen im Gesicht nimmt, bezeichnet die Stufen des Grübelns auf der Stirn und dokumentiert gewissenhaft die Wege, die auf der Suche nach dem Sinn dieses einen Lebens ausgetreten werden. - Seite 79

Sein größtes Hobby ist das Tauchen. Schon als Kind hat er es geliebt, die Luft anzuhalten und im Freibad Tauchen zu üben. Seine Freunde und auch seine Familie waren davon eher schnell genervt und haben ihn deswegen sehr oft geärgert. Niemand konnte seine Leidenschaft nachvollziehen und dass sein größter Traum ist, einem echten Wal zu begegnen, schon gar nicht. 

Alles Wissen aus seiner Knabenzeit ist wieder da, und mit ihm der Knabe, der das alles und noch mehr weiß, der in seinem Zimmer sitzt und in Büchern liest, der die Luft anhält, um der größte Taucher der Welt zu werden. Der Knabe, der sich nichts mehr wünscht, als einmal einen echten Wal zu sehen. - Seite 94

Dies ist definitiv eine Geschichte über die Erziehung zum Mann und das zähe und anstrengende Verweigern von Stereotypen. David Bröderbauer hat in mir eine Sehnsucht geweckt, nach Meer und nach den Walen. Nach dem Duft an Salzwasser und Wärem zu spüren. Diese Geschichte wird so leise, ungewöhnlich und schön erzählt. Mit diesen wunderbaren Zitaten, die ihr bis hierhin gelesen habt, könnt ihr nun hoffentlich erahnen, wie wundervoll zart dieser Roman ist. Wie sehr er Gefühle und Gedanken widerspiegelt, die man so gut nachvollziehen und verstehen kann. Zum Abschluss noch ein letztes Zitat und dann hoffe ich, dass ich euch so richtig neugierig auf diesen Roman gemacht habe, ihr in die nächste Buchhandlung geht und "Waltauchen" bei euch einziehen darf.

Denn Vera würde sagen, Sorgen machen bringt sich nichts. Sie muss selbst darauf kommen, dass man sich über sein Leben Gedanken machen muss, und das besser früher als später, sonst wird es nämlich eng. Aber man macht sich Gedanken immer erst später, weil man in den Tag hineinlebt, wenn man jung ist, weil man vor dem Dreißiger glaubt, man hätte unendlich viel Zeit, das Leben dauere ewig. Aber das  stimmt nicht. Auserdem ist das Leben nicht immer gleich, ständig ändert sich etwas und man selbst ändert sich. Wenn man nicht aufpasst, merkt man es gar nicht, bis es fast zu spät ist, und dann muss man schnell reagieren, dann steigt der Druck. Man muss rechtzeitig Entscheidungen treffen, wenn man richtig leben will. - Seite 107

Cover des Buches Wolfssteig (ISBN: 9783903184312)
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Rezension zu "Wolfssteig" von David Bröderbauer

Bellis-Perennis
Truppenübungsplatz versus Natruschutz

Autor und Biologe David Bröderbauer entführt seine Leser in eine mystische Ecke Niederösterreichs: in den aufgelassenen Truppenübungsplatz „Wolfssteig“, der im wirklichen Leben weder so heißt, noch aufgelassen ist, wie hunderte Rekruten jedes Jahr feststellen dürfen.

Angelehnt an die wahre Geschichte des Tüpl - Enteignung und Vertreibung der Bevölkerung durch die Nazis - keimt hier im Roman nach Abzug des Bundesheeres die Hoffnung nach Rückkehr auf das Land der Väter auf. Doch die Rückkehrwilligen sind nicht die einzigen, die große Pläne mit dem riesigen Areal haben. Sie stehen Jägern, Naturschützern und dem Staat gegenüber, die in den aufgelassenen Kasernen Flüchtlinge untergebracht hat.

 

Neben den sich selbst überlassenen Buchen, Fichten, Kiefern und Birken dürfen sich Rehe, Wildschweine, Mufflons, mehrere Arten von Spechten und das vom Aussterben bedrohte Birkhuhn entwickeln. Biologe Ulrich Bruckner, der einst der Enge Wolfssteigs entronnen ist, kehrt nun im Auftrag des Naturverbundes zurück, um diese selten gewordenen Vögel zu zählen. Wir begegnen noch Christian Moser, dem ehemaligen Soldaten, der bei einem Unfall mit einem Panzer, hier auf dem Truppenübungsplatz ein Bein verloren hat und seine Hightech-Prothese mit magentafarbenen Lack ansprüht. Christian fristet sein Leben als Hausmeister im Asylantenheim und ist ein begnadeter Automechaniker, der jede noch so desolate Rostschüssel zum Laufen bringt.  

Christian und Ulrich stolpern gemeinsam durch das DIckicht des Truppenübungsplatzes, um die Birkhühner zu suchen. Dabei stöbern sie nicht nur allerlei Getier auf, sondern bekommen es mit den unterschiedlichen Interessen rund um den Tüpl zu tun. Selbst der nigerianischer Pfarrer mischt im Gerangel um die Nachnutzung mit. 

Meine Meinung: 

In seinem Debüt-Roman schneidet der Autor viele Themen an. Die Leser können sich ein Bild von der Artenvielfalt der unterschiedlichen Interessen machen. So trifft der Leser hierauf Landflucht, Reminiszenz an Vergangenes, Flucht, Vertreibung (die eigene), Fremdenfeindlichkeit sowie Naturschutz und zarte Liebe. Jedes Thema hat für sich seine Daseinsberechtigung, ein Miteinander scheint unmöglich. Hier prallen gegensätzliche Welten aufeinander.  

In Wahrheit robben nach wie vor Rekruten durch das dichte Unterholz, zerstören gepanzerte Fahrzeuge dasselbe und - ein Triumph der Natur - haben sich Wölfe angesiedelt. Ein Trupp Soldaten beobachtet das Rudel genau, übernimmt also die Rolle von Ulrich. Sehr zum Ärger der Bevölkerung und der Jäger (was häufig eine Personalunion darstellt), die die eingewanderten Wölfe lieber heute als morgen vor den Flinten hätten. 

David Bröderbauer ist 1981 in Zwettl, einer Kleinstadt die nur wenige Kilometer vom Truppenübungsplatz entfernt liegt, geboren. Er kennt daher Land und Leute. Sein beinahe karg anmutender Erzählstil, seine schnörkellosen Sprache passt ausgezeichnet zum schroffen Waldviertel und seinen Bewohnern. Als bekennender Waldviertel-Fan finde ich diesen Roman doch sehr poetisch. Manche Szenen wirken sehr vertraut: Die männliche Dorfjugend auf ihren (von Christian) niedergelegten PS-starken Autos, das Macho-Gehabe in der Dorfdisco und die Ablehnung von Neuem oder Fremden.  

Die Schilderung der Naturschönheiten lassen eine starke Verbundenheit des Autors mit seiner Heimat vermuten. Der Kontrast - hier Knarzen des Holzes und Tirilieren der Vögel und dort scharfe Kommandos und das Dröhnen von Panzerhaubitzen, kann nicht größer sein.  

Fazit: 

Ein durch und durch gelungener Debütroman, dem ich gerne 5 Sterne und eine Leseempfehlung gebe.

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