David Cannadine

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Alle Bücher von David Cannadine

Cover des Buches Winston Churchill (ISBN: 9783937834948)

Winston Churchill

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Erschienen am 16.05.2016
Cover des Buches The Pursuit of Glory (ISBN: 0143113895)

The Pursuit of Glory

 (0)
Erschienen am 27.05.2008

Neue Rezensionen zu David Cannadine

Cover des Buches George V (Penguin Monarchs): The Unexpected King (ISBN: 9780141976891)
A

Rezension zu "George V (Penguin Monarchs): The Unexpected King" von David Cannadine

Der Briefmarkensammler auf dem britischen Thron
Andreas_Oberendervor 2 Jahren

Seit Herbst letzten Jahres bringt der Penguin-Verlag eine neue Buchreihe heraus, die "Penguin Monarchs". Es handelt sich um Kurzbiographien aller englischen und britischen Könige und Königinnen seit dem 11. Jahrhundert. Interessanterweise beginnt die Reihe mit den letzten angelsächsischen Herrschern vor der normannischen Eroberung. Auch für Oliver Cromwell ist ein Band vorgesehen. Mittlerweile sind zehn von 45 geplanten Bänden erschienen. Die Bücher sind kleinformatig (13x18,5 cm) und umfassen maximal 150 Seiten. Sie enthalten farbige Abbildungen, Stammtafeln und kommentierte Literaturhinweise. Auch wenn eine entsprechende Angabe fehlt, ist davon auszugehen, dass sich die Bände an historisch interessierte Laien richten, die sich rasch über das Leben der englischen Monarchen informieren wollen. Als Konkurrenz zur renommierten Biographienreihe "Yale English Monarchs", deren Bände eher für den wissenschaftlichen Gebrauch in Frage kommen, sind die "Penguin Monarchs" nicht gedacht. Interessant ist die neue Reihe dennoch, denn der Verlag hat zahlreiche bekannte Historikerinnen und Historiker als Autoren rekrutiert. Damit ist sichergestellt, dass sich die einzelnen Kurzbiographien auf der Höhe des heutigen Forschungsstandes bewegen.

Auf den ersten Blick ist es verwunderlich, dass sich ein so bedeutender Historiker wie David Cannadine mit einem so unbedeutenden Monarchen wie Georg V. (1865-1936) beschäftigt. Als Georg V. 1910 seinem Vater Eduard VII. auf den Thron folgte, war Großbritannien längst eine konstitutionelle Monarchie. Der politische Handlungsspielraum des Königs war eng begrenzt. Zur Bewältigung der vielen Krisen und Herausforderungen, vor denen Großbritannien im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts stand (Weltkrieg, Unabhängigkeitskampf der Iren, beginnender Niedergang des Empire, Weltwirtschaftskrise, um nur einige zu nennen), konnte Georg V. nichts Konkretes beitragen. Aus Historikersicht stellt sich daher die Frage, wie "relevant" ein konstitutioneller Monarch eigentlich ist und ob er überhaupt eine biographische Untersuchung "verdient", mag sie nun knapp oder umfangreich sein. Zur Überraschung des Lesers gelingt Cannadine auf kaum mehr als 100 Seiten ein kleines historisch-biographisches Meisterstück. Wie Cannadine zeigt, war die Regierungszeit Georgs V. eine entscheidende Phase in der Geschichte der britischen Monarchie. Cannadine erinnert eingangs daran, dass eine Herrscherbiographie immer zwei Aufgaben hat: Sie muss ein aussagekräftiges Porträt des Menschen zeichnen und zugleich herausarbeiten, wie dieser Mensch mit seinen Stärken und Schwächen das Herrscheramt ausfüllt und die mit der Krone verbundenen Rechte und Pflichten wahrnimmt. Nichts ist irreführender als die Annahme, es sei für jeden Herrscher ein Leichtes, die Krone zu tragen, weil er doch für diese Aufgabe geboren oder zumindest ausgebildet wurde. Die Persönlichkeit eines Monarchen und die Anforderungen, die sein Herrscheramt an ihn richtet, passen nur in seltenen Fällen problemlos zueinander.

Georg V. ist dafür ein anschauliches Beispiel. Er gelangte auf den Thron, weil sein älterer Bruder Albert Viktor, Herzog von Clarence, 1892 an einer Lungenentzündung starb. Über Nacht avancierte Prinz Georg zum Erben seines Vaters, des Prinzen von Wales, des späteren Königs Eduard VII. Als sein Bruder starb, war Georg bereits 27 Jahre alt. Er war Marineoffizier und hatte keine Ausbildung erhalten, die ihn auf seine späteren Pflichten als König hätte vorbereiten können. Cannadine zeichnet ein wenig schmeichelhaftes Bild von Georg V. als Mensch und Privatmann. Georg zählt zu den menschlich unattraktivsten Monarchen der britischen Geschichte. Er war ungebildet, unkultiviert, sozial inkompetent. In seinem Familienleben herrschte emotionale Kälte. Seinen Kindern war er ein liebloser Vater. Seine Jagdleidenschaft trug obsessive Züge, und mit manischem Eifer arbeitete er am Aufbau einer riesigen Briefmarkensammlung. Das Erstaunliche, ja Paradoxe an Georg V. ist sein Erfolg als konstitutioneller Monarch. In den schwierigen Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg sicherte er dem britischen Königtum Popularität und Respektabilität. Auf dem europäischen Kontinent wankten und stürzten die Throne, doch in Großbritannien zog Georg V. als Vater-Figur die Zuneigung, wenn nicht gar Verehrung seiner Untertanen auf sich. In Zeiten verstörender Veränderungen verkörperte dieser biedere und farblose Mann die Verbindung mit der Vergangenheit, mit der "heilen" viktorianischen Welt, deren Untergang zu akzeptieren den Briten sichtlich schwerfiel. Obwohl es seinen persönlichen Neigungen widersprach, gab sich der König volksnah. Er zeigte sich regelmäßig in der Öffentlichkeit, reiste durchs Land, nahm an sportlichen Großveranstaltungen teil, richtete über das Radio Weihnachtsansprachen an das Volk. Bei den Feiern zu seinem Silbernen Thronjubiläum (1935) schlug ihm eine Begeisterung entgegen, mit der er nicht gerechnet hatte.

In Georg V. verkörpert sich der Wandel der britischen Monarchie nach dem Ersten Weltkrieg. Georgs Großmutter, Königin Viktoria, und sein Vater, Eduard VII., waren Kosmopoliten, die sich in ganz Europa zu Hause fühlten und enge Beziehungen zu allen europäischen Herrscherhäusern pflegten. Mit Leichtigkeit bewegten sie sich in der transnationalen Welt der Hocharistokratie. Sie empfanden sich nicht als "nationale" Monarchen. Der Erste Weltkrieg läutete eine Krise der europäischen Monarchien ein. Unter Georg V. zog sich das britische Königshaus auf Großbritannien und das Empire zurück; die Kontaktpflege zu anderen Herrscherhäusern wurde auf ein Minimum reduziert. Das kam Georg V., der ungern reiste, für Europa nichts übrig hatte und mit Fremdsprachen auf Kriegsfuß stand, entgegen. Gleichzeitig verstärkte das Königshaus sein Engagement in der Öffentlichkeit und seine mediale Selbstinszenierung als Hort und Inbegriff britischer Tugenden und Traditionen. Die Monarchie sollte "näher an das Volk heran", wie es die Ratgeber Georgs V. empfahlen. Diese Strategie war von Erfolg gekrönt. Die bleibende Leistung Georgs V. besteht darin, dass er die Rolle des britischen Monarchen neu definierte und für das weitere 20. Jahrhundert prägte. Seit Georg V. versteht sich die britische Monarchie als dezidiert nationale Institution, deren identitätsstiftende Funktion auf Großbritannien beschränkt ist. Zwei der drei Nachfolger Georgs V., Georg VI. und Elisabeth II., haben das nach dem Ersten Weltkrieg neudefinierte monarchische Rollenverständnis perfekt verinnerlicht: Der Mensch stellt seine persönlichen Bedürfnisse und Neigungen konsequent zurück, unterwirft sich ganz dem Amt, tritt nicht als Individuum, sondern als Symbol in Erscheinung. Das Erbe Georgs V. wirkt bis heute nach.

Auch wenn die "Penguin Monarchs" noch lange nicht vollständig vorliegen, kann man schon jetzt sagen, dass David Cannadines Buch über Georg V. zu den besten Bänden der Reihe gehören wird. Die trotz des knapp bemessenen Raumes wunderbar geglückte Verknüpfung von Biographie, Monarchiegeschichte und allgemeiner Geschichte Großbritanniens kann als vorbildlich gelten. 

(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im Juni 2015 bei Amazon gepostet)

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