William Shaw Broeksmit, zuletzt hochrangiger Risiko-Manager beim amerikanischen Ableger der Deutschen Bank, erhängte sich am 26. Januar 2014 mit einer Hundeleine in seiner Londoner Wohnung. Bis heute ist der in einem Abschiedsbrief an den damaligen Co-Sprecher seines Arbeitgebers formulierter Selbstvorwurf über einen von ihm angerichteten Schaden für die Bank nicht öffentlich nachvollziehbar gemacht worden. Das hält den Autor dieses reißerischen Buches jedoch nicht davon ab, den Tod dieses Managers zum Aufhänger seines Werkes zu machen. Schließlich wird sich der Mann nicht ohne Grund umgebracht haben.
Zum Kronzeugen avanciert später Broeksmits Stiefsohn Val, ein schwer verhaltensgestörter, drogensüchtiger Mensch. Val konnte geistesgegenwärtig die Passwörter für die Mail-Accounts seines Vaters sichern. Obwohl mehrfach Journalisten die Mails sichteten, kam dabei nicht viel heraus. Klar ist nur, dass die Fed Broeksmit wegen der in vielerlei Hinsicht unzureichenden Berichte der Bank mahnte. Die Deutsche Bank wird gegenwärtig immer noch von tausenden Klagen überzogen, die sich mit ihrem unseriösen oder kriminellen Vorgehen befassen. Sie ist mehrfach zu enormen finanziellen Strafen verurteilt worden, die ein Schlaglicht auf ihre Machenschaften werfen.
Das alles wäre wirklich ein hervorragendes Thema für ein seriöses Buch gewesen. Leider hat der Autor diese Chance nicht so genutzt, wie man das von einem seriösen Journalisten erwarten sollte. Statt kühl und distanziert zu berichten und die Fakten auf den Tisch zu legen, verliert er sich in vielen kleinen Geschichten, die den Eindruck vermitteln, er wäre bei allen der von ihm beschriebenen Ereignissen tatsächlich dabei gewesen. War er aber nicht.
Wenn das der einzige Mangel dieses Buches wäre, könnte man darüber hinwegsehen. Doch weit gewichtiger ist sein Unvermögen, Vermutungen von Fakten zu trennen. Oder seine Unfähigkeit, die kriminellen oder unethischen Machenschaften der Bank für Laien nachvollziehbar zu erklären. Er beschreibt auch keineswegs die gesamte Geschichte der Deutschen Bank, sondern vor allem die der letzten 25 Jahre, in denen die US-Unternehmenskultur über die Bank hereinbrach und die meisten Manager eine Vorgeschichte in US-Banken hatten.
Am schlimmsten jedoch erscheint mir die Vermischung dieser Geschichten mit den Beziehungen der Bank zu Donald Trump. Da haben sich nach Meinung von Enrich die Bank des Teufels mit dessen irdischer Inkarnation getroffen. Enrich ist ein Journalist der New York Times, die bekanntlich seit einiger Zeit eine Schlacht gegen Trump führt. Immer wieder beruft sich Enrich auf die angeblich bewiesene Steuerung Trumps durch Russland. Inzwischen jedoch fehlt solchen Vorwürfen, die im Wesentlichen auf dem sogenannten Steele-Dossier beruhen, jede Glaubwürdigkeit. Vielmehr muss man eher vermuten, dass dieses Papier mit seinen unbewiesenen Behauptungen eine Fälschung ist.
Lässt man einmal den Hass Enrichs auf Trump beiseite, dann bleiben immer noch die zahlreichen Verfehlungen der Deutschen Bank ein leidiges Thema. Als Josef Ackermann Sprecher der Deutschen Bank wurde, wollte er eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent erwirtschaften. Selbst jedem Laien dürfte klar sein, dass man das nicht seriös erreichen kann, wenn man das Eigenkapital tatsächlich abgesichert einsetzt. Wenn eine Privatperson mit 1000 Euro Eigenkapital einen Kredit von 10.000 Euro aufnimmt, damit spekuliert und nach Abzug aller Kosten einen Gewinn von 250 Euro einfährt, dann ist dies eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent. Man kann als Privatperson beispielsweise auch kriminelle Geschäfte machen und damit sein Eigenkapital erhöhen ohne es überhaupt einzusetzen. Im Buch beschreibt der Autor eine Reihe solcher Varianten, die die Deutsche Bank genutzt hat, um ihr Ziel zu erreichen.
Einige davon waren hochriskant. Darunter leidet die Bank noch heute, denn noch immer ist nicht klar, welche Risiken tatsächlich in ihren Büchern stehen. Beispielsweise solche aus den Derivate-Geschäften. Andere Transaktionen werden im Buch zwar erwähnt und auch einigermaßen nachvollziehbar beschrieben. Bewiesen sind sie jedoch nicht. Das bezieht sich beispielsweise auf die angebliche Geldwäsche für russische Großkunden. Bewiesen sind jedoch die Manipulationen des LIBOR-Satzes, die der Bank auch Gewinne gebracht haben. Nicht alle Prozesse sind durchgestanden, und man kann erwarten, dass noch mehr solcher kriminellen Akte ans Licht kommen.
Zutiefst unethisch war es auch, Kunden Kreditpakete zu verkaufen und gleichzeitig auf das Platzen der Kredite zu wetten. Und einem einzelnen Trader einen Jahresbonus von 100 Millionen Dollar zu geben, ist schlicht nicht mehr zu begreifen. Man sieht daran allerdings, in welchen Dimensionen sich die dahinter stehenden erfolgreichen Wetten befunden haben müssen. Ein System, das so etwas zulässt, ist nicht nur völlig aus dem Ruder gelaufen, sondern auch zum Scheitern verurteilt, weil es die ökonomische Bodenhaftung verloren hat.
Was in diesem Buch überhaupt nicht zur Sprache kommt, ist der eigentliche Hintergrund für diesen Irrsinn. Würden nicht von den Zentral- und Geschäftsbanken Unmassen von Geld in das System gepumpt werden, würde es schon längst kollabiert sein. Dieses Geld, für das es kein wirtschaftliches Äquivalent mehr gibt, wabert im Bankensystem umher und führt zu diesen Auswüchsen. Wäre Geld nämlich knapp, könnte man damit nicht auf diese Weise spekulieren. Weil man aber nicht seriös mit diesem Geld umgeht und weil man gerettet wird, falls einmal etwas schiefläuft, dreht sich das Karussell immer schneller. So lange, bis die Fliehkräfte zu groß werden.
Leider kann dieses Buch viele Erwartungen nicht erfüllen. Sein Autor ist in seinem Hass auf Trump gefangen, den er auf die Deutsche Bank überträgt, weil sie das "Verbrechen" beging Trump zu finanzieren. Ohne diese Unterstützung, so die merkwürdige Logik des Autors, wäre der Präsident nicht ins Amt gekommen.
Andere Banken, insbesondere solche aus seinem Land waren in ihren Praktiken auf den Finanzmärkten auch nicht besser, nur geschickter, weil sie anders geführt wurden und einen anderen Draht zu den US-Aufsichtsbehörden haben. Insofern ist der ganze Ansatz des Autors schief. Schließlich ging die Finanzkrise von 2008/2009 von US-Banken aus, die Schrottkredite mit gut bewerteten Anleihen zu Paketen verschnürten, hervorragend bewerteten ließen und sie anderen Banken andrehten.
Sicher werden wieder viele Leser dieses Buches alles glauben, was in ihm steht. Vielleicht trifft es ihre Erwartungen, jedoch eben nicht immer die Realität. Nach wie vor ist vieles (und nicht nur bei der Deutschen Bank) im Dunklen. Und leider kann man bei Enrich nicht immer einfach erkennen, was Vermutungen sind und was Tatsachen. Und das ist vermutlich kein Zufall.
Eine wenig seriöse Abrechnung mit einer unseriösen Bank