Cover des Buches Sarajevo Disco (ISBN: 9783865325853)
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Rezension zu Sarajevo Disco von David Gray

Turfwar

von Gulan vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Rasanter Polizeithriller. Manchmal einen Tick zu lässig, aber macht insgesamt Spaß.

Rezension

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Gulanvor 6 Jahren

Um Teddys absolut ungebremstes Zutrauen darin, dass die Zukunft gut sein werde, hatte Boyle ihn schon immer beneidet. Was jeden Ansatz von Vertrauen in die Zukunft in ihm immer wieder erschütterte und vernichtete, waren Orte und Augenblicke wie diese. Er stand zu oft vor den Trümmern andere Leute Leben, um noch glauben zu können, dass sich Vertrauen und Zuversicht wirklich lohnten. Eine beschissene déformation professionnelle. (S.267)


Für alle, die sich nicht mehr erinnern: Der erste Teil der Boyle-Reihe endete damit, dass der gute Lewis Boyle sein ganzes Magazin in ein Werbeplakat der Hamburger Polizei mit seinem Konterfei leerte. Boyle war ganz schön fertig, aufgerieben zwischen den hohen Erwartungen an seine Person durch die Werbekampagne, seiner Freundschaft zur Kiezgröße Teddy Amin, dem Tod seines Kollegen Tommy Graf, seinem eigenen moralischen Anspruch und den schmutzigen Deals, die er mit Gangstern und seinem Boss bei der Polizei gedreht hatte, auch um selbst nicht unter die Räder zu geraten.


Boyle hat es einige Jahre später (das Buch spielt 2004/05) inzwischen zum Leiter der Mordkommission geschafft und gerät nun wieder in wahrlich aufreibende knapp 24 Stunden. In einem Etablissement wird der wichtigste Helfer von Teddy Amin erschossen aufgefunden, kurze Zeit später die Leiche eines Mitglieds der Hells Angels. Auch auf den Boss der dritten großen Gang auf dem Kiez wird ein Anschlag verübt. Nun versucht Boyle und die gesamte Hamburger Polizei einen Kiezkrieg verhindern. Gleichzeitig zu den Morden kommt es plötzlich zu Meldungen über mehrere Fälle von Überdosen bei Drogenabhängigen. Irgendjemand pusht eine neue tödliche Droge in den Markt. Es folgen aufreibende Stunden, in denen Boyle mehrfach va banque spielt.


Zusätzlich zum üblichen Personal, dass man teilweise schon aus dem ersten Teil kennt, etabliert der Autor eine Boyle ebenbürtige Figur in diesem zweiten Teil. Die Kommissarin Jale Arslan wird direkt zu Beginn mit einem Paukenschlag eingeführt: Sie erschießt in Notwehr ein ehemaliges RAF-MItglied. Boyle ist beeindruckt vor der Kaltblütigkeit und erkennt schnell, dass Jale ein Geheimnis verbirgt: Sie hat eine dissoziale Persönlichkeitsstörung. Doch Boyle erinnert sich an Jale und glaubt, dass sie mit ihrer gestörten Emotionalität, die sie aber mit einer umso größeren Auffassungsgabe kompensiert, in diesem Fall noch sehr nützlich sein kann. So beginnt sie zunächst mit Ermittlungsarbeiten in seinem Auftrag zu Beginn dieses Tages, wird aber im Laufe des Tages und der Nacht zu seiner engsten Partnerin und Verbündeten im Kampf an mehreren Fronten.


Wie schon „Kanakenblues“ ist „Sarajevo Disco“ ein Polizeithriller in rauem, schnoddrigen Ton mit ungewöhnlichen, aber in diesem Plot überzeugenden Figuren. Mit großem Tempo und Intensität hetzt der Autor seine Protagonisten durch die knallharte Story, in der es nicht nur um Machtkämpfe zwischen Gangstern, sondern vor allem auch im Polizeipräsidium geht. Und auch wenn Gray ab und zu ein wenig die Gäule in seiner bildhaften Sprache durchgehen („Denn alles, worum es dem Präsidenten mit seinem Razziabefehl wirklich ging, war Bürgermeister Mahlmann so tief in den Arsch zu kriechen, dass all die Blechsterne auf seinen Uniformschultern hart über dessen Speiseröhre kratzen mussten.“, S.132), überwiegt der Spaß an diesem lässig-coolen, unkonventionellen, hartgesottenen Stück Krimi.

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