Der amerikanische Psychotherapeut, spirituelle Lehrer und Autor Dr. David Richo treibt in seiner 40-jährigen therapeutischen Praxis die Frage um: „Was braucht es, um ein wirklich guter Mensch zu sein?“ Herausgekommen sind 36 Antworten, die gleichzeitig ein 36-Schritte-Programm sind, um Integrität und liebende Güte in seinem Leben zu praktizieren. So wird aus Rache und Schadenfreude („Wie du mir, so ich dir“) ein Ausstieg aus dem ewigen Kreislauf des Leidens und eine Hinwendung zu Mitgefühl, Freude und Liebe („Möge das, was du tust, auf transformierende Weise zu dir zurückkehren“).
Inspiriert sind diese 36 freiwilligen Selbstverpflichtungen zu liebender Güte und Integrität vom Buddhismus, dessen Lehre bekanntlich darin besteht, die vier edlen Wahrheiten zu praktizieren. Die erste Wahrheit ist, dass das Leben aus Leid besteht. Die zweite Wahrheit ist, dass das Leid durch die drei Geisteskräfte Gier, Hass und Verblendung verursacht wird. Die dritte Wahrheit ist, dass aus dem Leid Glück wird, wenn wir Gier, Hass und Verblendung vermeiden und die vierte Wahrheit ist, dass wir Glück vermehren, wenn wir den edlen achtfachen Pfad beschreiten, also nach rechter Erkenntnis, rechter Absicht, rechter Rede, rechtem Handeln, rechtem Lebenserwerb, rechter Übung, rechter Achtsamkeit und rechter Meditation streben.
Was sich zunächst einmal sehr anstrengend und illusionär anfühlt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ein praktikables, auf den westlichen Menschen zugeschnittenes Selbsthilfe-Programm, dass nicht stundenlanges Meditieren oder Achtsamkeitstraining erfordert, sondern nur wenige Minuten am Tag, um sich täglich daran zu erinnern, im Einklang mit unserer erleuchteten Weisheitsnatur und im Einklang mit Mitgefühl, Integrität und Liebe zu leben. Die gute Nachricht vom praktizierenden Buddhisten David Richo ist, dass wir bereits alles in uns tragen, das wir einen unzerstörbaren guten, göttlichen Kern in uns haben, der durch die Praxis zum Vorschein kommt.
Dabei macht uns David Richo in der sehr ausführlichen und informativen Einleitung zum 36-Schritte-Programm deutlich, dass es zweierlei Einsichten bedarf, um durch Integrität und liebende Güte zu innerem Wachstum zu gelangen: Wir müssen erstens eine generelle innere Entscheidung treffen, einen Treueschwur auf eine Lebensweise leisten, die der Güte und den Werten der Gemeinschaft gegenüber der Befriedigung der eigenen Wünsche den Vorzug gibt, und wir müssen zweitens anerkennen, dass das Universum eine evolutionäre Ausrichtung hat, deren Macht größer ist als die Macht jedes einzelnen Menschen. Diese evolutionäre Ausrichtung des Universums wird in jedem einzelnen Menschen personalisiert, wenn wir uns auf die Arbeit einstimmen, bei der Schaffung einer Welt der liebenden Güte mitzuwirken.
Die freiwilligen Selbstverpflichtungen sind am Ende jedes der 36 Kapitel, die in die sechs Bereiche „Uns selbst wohl tun“, „Unsere Integrität kultivieren“, „Authentisch werden“, „Gemeinschaft mit anderen“, „Die Kunst der Vertrautheit“ und „Über unseren Tellerrand hinaussehen“ unterteilt sind, noch einmal kurz und prägnant zusammengefasst. Im Anhang befindet sich eine noch kürzere Liste mit Verpflichtungen zu „liebender Güte“, sodass es auch dem gestressten Mitteleuropäer leicht fallen dürfte, mehr liebende Güte zu praktizieren.
Lebenslauf von David Richo
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von David Richo
Der gute Kern in uns
Versöhnung mit der Vergangenheit
Fünf Dinge die wir nicht ändern können und das Glück, das daraus entsteht
Wie man sich der Liebe öffnet und sie bedingungslos verschenkt
Wenn die Vergangenheit allgegenwärtig ist
Reif werden füreinander
Herzensgüte ON THE GO
Sei mit dir befreundet
Neue Rezensionen zu David Richo
Rezension zu "Fünf Dinge die wir nicht ändern können und das Glück, das daraus entsteht" von David Richo
Manchmal sind die Lebensumstände so, dass sich Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit breit macht. Aber auch dann wirkt die Paradoxie der existenziellen Wirklichkeit: Wenn ich ganz und gar in die Verzweiflung gehe, in die Trauer und in den Schmerz, dann öffnet sich ein Tor zum Licht, ein Zugang zur Heilung und eine Schwelle zur Transformation.
Diese tröstliche Botschaft hat der amerikanische Psychotherapeut, spirituelle Lehrer und Autor Dr. David Richo für uns, die wir am Leben leiden und keinen Ausweg mehr wissen. Er erklärt in seinem buddhistisch geprägten psychologischen Topseller, der moderne westliche Psychologie und traditionell östliche spirituelle Haltungen mit einer Prise jungscher Analytischer Psychologie verbindet, dass alle Traditionen sich darin einig zu sein scheinen, dass sinnvolles Wachstum nur um den Preis des Leidens entsteht. Warum das so ist, ist ein Mysterium, also eine Tatsache, auf die es keine befriedigende Antwort gibt.
Allerdings gibt David Richo jede Menge Antworten, wie wir mit dem Leiden in und an der Welt umgehen können, sodass aus Leiden Liebe werden kann. Ausnahmslos jeder Mensch hat in seinem Leben schon gelitten, sei es an äußeren Umständen oder an inneren Zuständen. Die nächste tröstliche Botschaft lautet: Das Ausmaß dessen, was wir ertragen können, entspricht genau dem Ausmaß der inneren Stärke und der Ressourcen, die wir im Laufe des Lebens entwickelt haben. Die Seele mutet uns also nur soviel zu, wie wir verkraften können.
Wenn wir die fünf Gegebenheiten mit einem bedingungslosen „Ja“ akzeptieren und eher als Information denn als Provokation auffassen, dann führen uns die Gegebenheiten dazu, eine entsprechende Fertigkeit zu entwickeln. Da es eine Gegebenheit ist, dass alles sich verändert und Menschen uns verlassen, ist es klug, uns darauf vorzubereiten, indem wir lernen, uns mit uns selbst wohl zu fühlen. Da es eine Gegebenheit ist, dass die Dinge nicht immer nach Plan laufen, ist es schlau, wenn wir mit weniger Erwartung ins Leben gehen, sodass wir nicht mehr sooft enttäuscht werden können. Da es eine Gegebenheit ist, dass das Leben manchmal ungerecht ist und wir uns betrogen oder verraten fühlen, ist es weise, wenn wir an der Gerechtigkeit arbeiten und den Drang nach Vergeltung loslassen. Da es eine Gegebenheit ist, dass Leiden zum Leben gehört, ist es vernünftig, unser Vertrauen darin zu schulen, dass wir durch das Leiden wachsen können. Da es eine Gegebenheit ist, dass Menschen nicht immer loyal und liebevoll sind, ist es gut, das Verurteilen loszulassen und sich der liebende Güte zu verpflichten (s. Der gute Kern in uns. - Mit Integrität und liebender Güte zu innerem Wachstum.: Mit Achtsamkeit und liebender Güte zu innerem Wachstum), ganz gleich, wie die Menschen uns behandeln mögen.
Mich erinnert das Buch an die universell gültige Aussage des amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr:
Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Aus der Gelassenheit, die Gegebenheiten, die wir nicht ändern können, zu akzeptieren, wächst der Mut, die Dinge, die wir ändern können, anzugehen und auch die Weisheit, die unveränderbaren Gegebenheiten von den veränderbaren Dingen zu unterscheiden.
Rezension zu "Versöhnung mit der Vergangenheit" von David Richo
Streng genommen handelt das Buch davon, dass wir immer dann, wenn wir unser Gegenüber besonders toll oder schlimm finden, einer Übertragung erliegen. Wir sind dann in der Vergangenheit gefangen und können die Person, mit der wir es gerade zu tun haben, nicht wirklich erkennen, können keine authentische Ich-Du-Beziehung leben, sondern nur das erkennen, was die Vergangenheit zulässt.
Nun ist dieser Vorgang der Übertragung, der auch Projektion genannt wird, absolut nichts Besorgniserregendes oder gar Pathologisches, denn er findet jeden Tag mehrmals bei jedem Menschen statt, aber wenn wir dieser Übertragung (von positiven und negativen Eigenschaften, die wir selbst an uns nicht mögen oder nicht entdecken können) keine Aufmerksamkeit schenken und uns dessen nicht bewusst sind, können wir eben auch keine erfüllenden, intimen und authentischen Beziehungen führen, droht die Verlagerung von inneren Konflikten nach außen und sorgt für Lähmung und Vergiftung in der zwischenmenschlichen Atmosphäre.
Es gibt viele gute Gründe für eine Übertragung, die aufzuzählen einer der Gründe ist, warum mir das Buch so gut gefallen hat. Übertragung ist der konstituierende Faktor in jeder Beziehung, denn sie ermöglicht es uns, unsere ursprünglichen Bedürfnisse, die unsere Eltern nicht befriedigt haben, in der neuen Beziehung erfüllt zu sehen. Nur dürfen wir dabei nicht stehen bleiben, sonst sehen wir in jedem Partner nur die Mutter oder den Vater. Unsere Reaktionen auf den Partner verraten uns viel über unsere eigenen positiven und negativen verborgenen Eigenschaften, also über unseren Schatten, deshalb ist die Spiegelung über den Partner so wichtig für uns.
Dabei gibt es drei Formen von Übertragung, die prozessartig aufeinander aufbauen. Wir benötigen einen Spiegel, um an Selbstvertrauen zu wachsen. Wir brauchen jemanden, zu dem wir in der idealisierenden Übertragung aufblicken können, wenn wir unsere eigenen Ideale herausfinden wollen, und wir brauchen Alter-Ego-Übertragungen, wo die idealisierten Personen als gleichrangig auf Augenhöhe realisiert werden.
Schon sich diesen Mechanismus bewusst zu machen ist das Verdienst dieses Buches. Darüber hinaus beleuchtet David Richo auch die spirituelle Dimension der Übertragung, was bei einem buddhistisch und von C.G. Jung beeinflussten Psychotherapeuten auch nicht verwundert. Die Übertragungserfahrung kann persönlich sein und alte Erfahrungen aus der Kindheit in die Gegenwart projizieren, sie kann aber auch eine kosmisch/kollektive Komponente enthalten. Wenn wir zum Beispiel eine Göttin anbeten (oder die Jungfrau Maria), hat das auch mit dem Archetypus der nährenden und Trost spendenden Mutter zu tun, die in allen Religionen vorkommt. Übertragung macht religiöse Hingabe möglich und schenkt uns Zugang sowohl zu ihrem Trost als auch zu Impulsen für ein tugendhaftes Leben.
David Richo bringt nicht nur zahlreiche bewusstseinserweiternde psychologische und spirituelle Übungen ins Spiel, um Übertragung zu transformieren, er erläutert auch, bei welchen Gelegenheiten des menschlichen Lebens das Unbewusste ganz nebenbei seine Hausaufgaben für Wachstum und Entwicklung erledigt. Zu einer transformierenden Erfahrung kann es kommen bei Nahtoderlebnissen, mystischen Erlebnissen jeder Art, bei Synchronizitäten (bedeutsame Zufälle), im Tarot, beim Lesen des „I Ging“ (Buch der Wandlungen), in Körpertherapien, beim Holotropen Atmen, beim Rebirthing Prozess oder bei der Energie des Zulassens, des Nichttuns, das Dinge geschehen lässt, was die Daoisten „wu wei“ nennen.