Manchmal sind die Lebensumstände so, dass sich Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit breit macht. Aber auch dann wirkt die Paradoxie der existenziellen Wirklichkeit: Wenn ich ganz und gar in die Verzweiflung gehe, in die Trauer und in den Schmerz, dann öffnet sich ein Tor zum Licht, ein Zugang zur Heilung und eine Schwelle zur Transformation.
Diese tröstliche Botschaft hat der amerikanische Psychotherapeut, spirituelle Lehrer und Autor Dr. David Richo für uns, die wir am Leben leiden und keinen Ausweg mehr wissen. Er erklärt in seinem buddhistisch geprägten psychologischen Topseller, der moderne westliche Psychologie und traditionell östliche spirituelle Haltungen mit einer Prise jungscher Analytischer Psychologie verbindet, dass alle Traditionen sich darin einig zu sein scheinen, dass sinnvolles Wachstum nur um den Preis des Leidens entsteht. Warum das so ist, ist ein Mysterium, also eine Tatsache, auf die es keine befriedigende Antwort gibt.
Allerdings gibt David Richo jede Menge Antworten, wie wir mit dem Leiden in und an der Welt umgehen können, sodass aus Leiden Liebe werden kann. Ausnahmslos jeder Mensch hat in seinem Leben schon gelitten, sei es an äußeren Umständen oder an inneren Zuständen. Die nächste tröstliche Botschaft lautet: Das Ausmaß dessen, was wir ertragen können, entspricht genau dem Ausmaß der inneren Stärke und der Ressourcen, die wir im Laufe des Lebens entwickelt haben. Die Seele mutet uns also nur soviel zu, wie wir verkraften können.
Wenn wir die fünf Gegebenheiten mit einem bedingungslosen „Ja“ akzeptieren und eher als Information denn als Provokation auffassen, dann führen uns die Gegebenheiten dazu, eine entsprechende Fertigkeit zu entwickeln. Da es eine Gegebenheit ist, dass alles sich verändert und Menschen uns verlassen, ist es klug, uns darauf vorzubereiten, indem wir lernen, uns mit uns selbst wohl zu fühlen. Da es eine Gegebenheit ist, dass die Dinge nicht immer nach Plan laufen, ist es schlau, wenn wir mit weniger Erwartung ins Leben gehen, sodass wir nicht mehr sooft enttäuscht werden können. Da es eine Gegebenheit ist, dass das Leben manchmal ungerecht ist und wir uns betrogen oder verraten fühlen, ist es weise, wenn wir an der Gerechtigkeit arbeiten und den Drang nach Vergeltung loslassen. Da es eine Gegebenheit ist, dass Leiden zum Leben gehört, ist es vernünftig, unser Vertrauen darin zu schulen, dass wir durch das Leiden wachsen können. Da es eine Gegebenheit ist, dass Menschen nicht immer loyal und liebevoll sind, ist es gut, das Verurteilen loszulassen und sich der liebende Güte zu verpflichten (s. Der gute Kern in uns. - Mit Integrität und liebender Güte zu innerem Wachstum.: Mit Achtsamkeit und liebender Güte zu innerem Wachstum), ganz gleich, wie die Menschen uns behandeln mögen.
Mich erinnert das Buch an die universell gültige Aussage des amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr:
Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Aus der Gelassenheit, die Gegebenheiten, die wir nicht ändern können, zu akzeptieren, wächst der Mut, die Dinge, die wir ändern können, anzugehen und auch die Weisheit, die unveränderbaren Gegebenheiten von den veränderbaren Dingen zu unterscheiden.