Rezension zu "So endet die Demokratie" von David Runciman
Falls man tatsächlich ein glühender Anhänger der Demokratie ist, was der Autor von sich selbstverständlich annimmt, dann muss man deren Ergebnisse einfach akzeptieren können. Doch damit ist Runciman deutlich überfordert. In ihm kochte es, nachdem Donald Trump 2016 die US-Präsidentschaftswahl gewann. Das Resultat seiner Wut scheint dieses seltsame Buch zu sein.
Passt linken Autoren eine demokratische Entscheidung nicht, ist für sie das Ende der Demokratie zum Greifen nahe. Demokratie bedeutet für Linke offenbar, dass sie ihren Willen bekommen. Ansonsten stimmt etwas nicht. Die ganze Scheinheiligkeit eines solchen Demokratieverständnisses offenbart der Autor in diesem Buch. Nach seiner Meinung ist Trump der falsche Präsident, den irgendwer hätte verhindern sollen. Er spekuliert in seiner Einleitung ganz offen darüber, wer das alles hätte sein können. Der Generalstab? Sein Vorgänger? Runciman beschuldigt Trump danach ein Antidemokrat zu sein, ohne dafür auch nur einen Beweis zu erbringen.
Man findet in diesem Buch von 2018 zahlreiche völlig absurde Sätze. Beispielsweise: "Trumps Präsidentschaft hat weithin Vergleiche mit früheren Tyrannen ausgelöst. Man hat uns gewarnt, uns nicht in dem sicheren Glauben zu wiegen, so etwas könne nie wieder passieren." Allein schon in diesem Satz offenbart sich eine gängige Methode, die man in diesem Buch andauernd antrifft. Der Autor schreibt nicht, dass Trump ein Tyrann sei, nein, er formuliert das gewissermaßen über die Ecke und suggeriert damit aber genau diese Aussage. Irgendeinen wenigstens halbwegs glaubhaften Beweis für so eine ungeheure Unterstellung sucht man vergeblich. Stattdessen wird im zweiten Satz eine Katastrophe beschworen, die es gar nicht gibt und in der Amtszeit von Trump auch nicht gegeben hat.
Bei Trumps Rede anlässlich seiner Amtseinführung kommt dem Autor der Gedanke: "So sieht die Karikatur des Faschismus aus." Wieso und warum wird nicht erklärt. Kurz danach folgt dann so etwas wie eine Selbsterkenntnis, allerdings ohne dass Runciman es wohl bemerkt: "In Klischees stirbt die Wahrheit." Wohl wahr. Was würden linke Intellektuelle nur ohne den Faschismus machen? In seiner linken Verbohrtheit fehlt Runciman völlig die Fähigkeit, sich in die Gedankenwelt des Donald Trump hineinzuversetzen. Das wäre aber eine unabdingbare Voraussetzung für eine tiefergehende Analyse.
Bereits der Buchtitel ist eine Anmaßung. Wieder kommt der oben beschriebene Trick zum Tragen, denn es wird suggeriert, dass die Demokratie endet. Und dass Runciman genau weiß wie. Irgendeine Situation, die er dann in weiteren Kapiteln beschreibt, wird schließlich dazu führen, denn nichts ist unendlich lange lebensfähig, weiß Runciman zu berichten. Angesichts der Schlichtheit einer solchen Argumentation muss man einfach gerührt sein.
Es gibt jedoch auch wirklich lustige Stellen in diesem Text. Im ersten Kapitel wird das Szenario eines Putsches behandelt. Umstürze dieser Art, so lernt man, können ganz verschieden sein, zum Beispiel so: "ein >Wahlbetrug<, bei dem der Wahlvorgang manipuliert wird, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen."
Unter der Rubrik Putsch kommt übrigens auch der Brexit vor. Zwar weiß Runciman nicht so recht, wo bei dieser Volksbefragung nun der Putsch gewesen sein soll, das hält ihn aber nicht auf, dennoch so etwas suggerieren zu wollen. Er schwurbelt dazu: "Niemand könnte behaupten, das Brexit-Referendum sei ein erfolgreiches Beispiel für einen Exekutivputsch, da der Premierminister, der es angesetzt hatte, sein Amt verlor. Allerdings belegt es, wie einfach die populäre Forderung nach mehr Demokratie letztlich die gegenteilige Wirkung haben kann." Wieso das angeblich so sein soll, erklärt Runciman nicht. Aber demokratische Entscheidungen, die nicht ein von ihm gewünschtes Ergebnis erbrachten, sind für ihn letztlich nur ein Beweis für irgendeine nicht weiter beschriebene Fehlentwicklung.
In Wirklichkeit beweisen solche seltsamen Formulierungen nur Runcimans innere Ablehnung von tatsächlicher Demokratie, was übrigens in solchen Kreisen Standard ist. Im zweiten Kapitel findet man zum Beispiel diesen Satz: "Die Demokratie macht allmählich einen zunehmend erratischen Eindruck, wenn es um die Erhaltung eines geeigneten Lebensraumes für Menschen geht." Eine Diktatur von Leuten, die die Menschheit retten wollen, wäre selbstverständlich da viel passender.
Leider sollte man sich keine Hoffnung machen, dass dieses Buch irgendwann einmal eine gewissen intellektuellen Mindeststandard erreicht. Es tut nur so, und vermutlich fallen auch einige Leser darauf herein. Je weiter man vordringt, umso schwerer wird es, den Text überhaupt noch zu ertragen. Wilde Spekulationen, unbewiesene Behauptungen und eine seltsame geistige Akrobatik bilden zusammen ein wirres und zunehmend ungenießbares Gemisch.
"Der Tod ist nicht mehr das, was er einmal war", steht ziemlich am Ende dieses unseligen Buches. Cambridge ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Dass jemand Professor in Cambridge ist und dann solchen wirren Unsinn verfasst, hätte ich mir nicht träumen lassen.